Urteilskopf

141 IV 279

37. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Kantonales Untersuchungsamt gegen X. (Beschwerde in Strafsachen) 6B_1029/2014 vom 23. Juni 2015

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Sachverhalt ab Seite 279

BGE 141 IV 279 S. 279

A. Das Kreisgericht St. Gallen verurteilte X. wegen mehrfacher vorsätzlicher Tierquälerei und mehrfacher vorsätzlicher Übertretung des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG; SR 817.0) sowie des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 300 Tagen und einer Busse von Fr. 15'000.-. Dagegen erhob X. Berufung. Das Kantonsgericht des Kantons St. Gallen sprach ihn je in einem Anklagepunkt frei vom Vorwurf der
BGE 141 IV 279 S. 280

vorsätzlichen Übertretung des Lebensmittelgesetzes und des Heilmittelgesetzes. Im Übrigen bestätigte es die angefochtenen Schuldsprüche und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu Fr. 230.- und einer Busse von Fr. 2'000.-.
B. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das kantonsgerichtliche Urteil sei aufzuheben, soweit X. vom Vorwurf der vorsätzlichen Übertretung des Heilmittelgesetzes freigesprochen wurde, und die Sache sei zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den vorinstanzlichen Freispruch des Beschwerdegegners vom Vorwurf der vorsätzlichen Übertretung des Heilmittelgesetzes durch Abgabe von Arzneimitteln ohne Berechtigung.
1.1

1.1.1 Die Vorinstanz stellt unbestritten fest, der Beschwerdegegner habe von seinem Bestandestierarzt zwischen dem 27. Oktober 2007 und dem 5. Mai 2011 insgesamt 925 kg Antibiotika bezogen und seinen Mastschweinen verabreicht. Am 1. Juni 2005 habe der Bestandestierarzt den Gesundheitszustand der Mastschweine überprüft und dokumentiert. Dabei habe der Beschwerdegegner eine Tierarzneimittel-Vereinbarung (TAM-Vereinbarung) gemäss Art. 10 Abs. 2 der Verordnung vom 18. August 2004 über die Tierarzneimittel (Tierarzneimittelverordnung, TAMV; SR 812.212.27) unterzeichnet. In der Folge habe der Bestandestierarzt in den beiden Schweinemastbetrieben des Beschwerdegegners keine Betriebsbesuche mehr durchgeführt.
1.1.2 Die Vorinstanz erwägt, der Übertretungstatbestand nach Art. 87 Abs. 1 lit. f i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. c HMG könne vom Beschwerdegegner als Tierhalter nicht erfüllt werden. Nach dem Abschluss der TAM-Vereinbarung sei der Bestandestierarzt für den sachgemässen Umgang mit den Tierarzneimitteln verantwortlich gewesen. Er wäre verpflichtet gewesen, die Betriebe des Beschwerdegegners der TAM- Vereinbarung entsprechend zu besuchen und sich die notwendige Kenntnis über den Gesundheitszustand der Tiere zu verschaffen. Die Verletzung der Pflichten, die in der TAM-Vereinbarung und der
BGE 141 IV 279 S. 281

Tierarzneimittelverordnung festgehalten seien, müsse sich der Beschwerdegegner nicht anrechnen lassen, weshalb er vom Vorwurf der unberechtigten Abgabe von Heilmitteln freizusprechen sei.
1.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, der Übertretungstatbestand gemäss Art. 87 Abs. 1 lit. f i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. c HMG sei auf den Tierhalter anwendbar, da dieser trotz einer gewissen Überwachungspflicht des Bestandestierarztes eigenverantwortlich die Lebensmittelsicherheit und den korrekten Umgang mit Tierarzneimitteln zu gewährleisten habe. Der Bestandestierarzt müsse sicherstellen, dass die auf Vorrat abgegebenen Tierarzneimittel durch den Tierhalter korrekt angewendet werden. Diese Überwachungspflichten des Bestandestierarztes entbänden den Tierhalter jedoch nicht von der Sorgfaltspflicht gemäss Art. 3 HMG und der Selbstkontrollpflicht im Sinne von Art. 23
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
LMG i.V.m. Art. 47 ff
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
. (recte: Art. 49 ff
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
.) der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 23. November 2005 (LGV; SR 817.02). Der Tierhalter trage im Umgang mit Tierarzneimitteln Eigenverantwortung. Als Lebensmittelproduzent habe er die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Der Beschwerdegegner habe erst durch die Unterzeichnung der TAM-Vereinbarung die Berechtigung erhalten, seinen Tieren während einer Mastperiode selber Tierarzneimittel zu verabreichen. Ihm sei bekannt gewesen, dass er nach Abschluss der Mast nicht mehr dazu berechtigt gewesen sei.
1.3

1.3.1 Nach dem Übertretungsstraftatbestand von Art. 87 Abs. 1 lit. f HMG wird bestraft, wer vorsätzlich die Tatbestände nach Art. 86 Abs. 1
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LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG erfüllt, ohne dass dadurch die Gesundheit von Menschen gefährdet wird. Gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. c HMG wird bestraft, wer Heilmittel abgibt, ohne dazu berechtigt zu sein.
1.3.2 Als Heilmittel im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. c HMG gelten auch Tierarzneimittel (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a
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LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. a
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LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG; URSULA EGGENBERGER STÖCKLI, in: Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2006, N. 25 zu Art. 4
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LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG; siehe auch THOMAS EICHENBERGER, in: Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2006, N. 25 zu Art. 42
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LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG). Denn Rückstände von Tierarzneimitteln in Lebensmitteln tierischer Herkunft können die Gesundheit des Konsumenten gefährden. Es können Allergien auftreten und die Resistenz des Organismus gegen schädliche Einwirkungen kann beim Menschen wie beim Tier beeinträchtigt werden (EICHENBERGER, a.a.O., N. 6 vor Art. 42
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LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
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SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG). Insofern kann nicht gesagt werden, Art. 86
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LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG
BGE 141 IV 279 S. 282

erfasse nur Heilmittel im Humanbereich (vgl. aber BENEDIKT A. SUTER, in: Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2006, N. 7, 9, 20, 21 zu Art. 86
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG).
1.3.3 Der Begriff des Abgebens gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. c HMG ist im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. f
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG zu verstehen (vgl. SUTER, a.a.O., N. 21 zu Art. 86
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG), nämlich als entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung oder Überlassung eines verwendungsfertigen Heilmittels für die Verwendung durch den Erwerber oder die Erwerberin sowie für die Anwendung an Drittpersonen oder an Tieren. Damit ist das Übertragen eines verwendungsfertigen Heilmittels an den Endverbraucher gemeint, das heisst, an die Person, welche das Heilmittel an sich selbst, an Drittpersonen oder an Tieren anwendet (EGGENBERGER STÖCKLI, a.a.O., N. 83 zu Art. 4
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG). Endverbraucher ist der Tierhalter, der das Arzneimittel für sein Tier beschafft (EICHENBERGER, a.a.O., N. 4 f. zu Art. 42
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
HMG). Daran ändert nichts, dass die Botschaft vom 1. März 1999 zum Heilmittelgesetz diesbezüglich als missverständlich erscheinen mag, wenn der Bundesrat vorab festhält, "Abgeben" sei "Überlassung eines Arzneimittels an den Endverbraucher" oder "Überlassung des Medizinproduktes an den Anwender", und sodann ausführt, unter den Begriff "Abgabe" falle auch die "Anwendung an Drittpersonen oder am Tier" (BBl 1999 3491 Ziff. 22.02 zu Art. 4). Auch im Nebenstrafrecht gilt das Bestimmtheitsgebot ("nulla poena sine lege certa"), welches aus dem Legalitätsprinzip ("nulla poena sine lege") abgeleitet wird, wonach eine Strafe oder Massnahme nur wegen einer Tat verhängt werden darf, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt (Art. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
StGB). Eine Strafnorm muss so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 138 IV 13 E. 4.1 S. 20 mit Hinweisen).
1.4

1.4.1 Ein Arzneimittel darf für Tiere nur verschrieben oder abgegeben werden, wenn die verschreibende Person das Tier oder den Tierbestand kennt. Ist das Arzneimittel für Nutztiere bestimmt, so muss die verschreibende Person auch deren Gesundheitszustand kennen (Art. 42 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
und 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
HMG). Gemäss Art. 10 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
TAMV müssen Tierärztinnen und Tierärzte vor der Verschreibung oder der Abgabe eines Tierarzneimittels, über das Buch geführt werden muss (Art. 26
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
TAMV),

BGE 141 IV 279 S. 283

den Gesundheitszustand des zu behandelnden Nutztieres oder der zu behandelnden Nutztiergruppe persönlich beurteilen. Tierärztinnen, Tierärzte sowie Tierarztpraxen können mit der Tierhalterin oder dem Tierhalter schriftlich eine TAM-Vereinbarung über regelmässige Betriebsbesuche und den korrekten Umgang mit Tierarzneimitteln abschliessen. In diesem Fall können sie Tierarzneimittel auch ohne vorgängigen Bestandesbesuch verschreiben oder abgeben (Art. 10 Abs. 2 TAMV). Besteht eine TAM-Vereinbarung, so darf die Tierärztin oder der Tierarzt für eine bezeichnete Indikation Tierarzneimittel im Verhältnis zur Bestandesgrösse auch auf Vorrat verschreiben oder abgeben (Art. 11 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
TAMV). Die Beurteilungskriterien, die Besuchsfrequenzen und der Inhalt der TAM-Vereinbarung richten sich nach Anhang 1 (Art. 10 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
TAMV).
1.4.2 Verabreicht der Tierhalter die Tierarzneimittel an die Tiere, dann liegt darin keine Abgabe im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. c HMG, nur weil eine TAM-Vereinbarung abgeschlossen wurde. Dies gilt auch, wenn der Tierarzt wie im vorliegenden Fall gegen die Vorgaben der Tierarzneimittelverordnung verstösst, indem er die vorgeschriebenen Besuche unterlässt. Daran ändert nichts, dass sich der Beschwerdegegner in der TAM-Vereinbarung verpflichtete, die erhaltenen Tierarzneimittel nur für die bezeichnete Tierart einzusetzen und die Anweisungen des Tierarztes zu befolgen. Eine Begründung für die gegenteilige Auffassung findet sich weder in der Beschwerde noch im erstinstanzlichen Urteil.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 141 IV 279
Datum : 23. Juni 2015
Publiziert : 27. November 2015
Quelle : Bundesgericht
Status : 141 IV 279
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 86 Abs. 1 lit. c HMG; Abgabe von Heilmitteln. Abgeben im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. c HMG ist das Übertragen eines


Gesetzesregister
HMG: 2  3  4  42  44  86  87
LGV: 47  49
LMG: 23
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 23 Schutzmassnahmen - Entspricht ein Produkt den gesetzlichen Vorgaben, ergeben jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Produkt die Konsumentinnen und Konsumenten unmittelbar gefährdet, so kann die zuständige Bundesbehörde die Vollzugsbehörde anweisen, das Inverkehrbringen des Produkts sofort zu beschränken oder seine Rücknahme vom Markt zu verlangen.
StGB: 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
TAMV: 10  11  26
BGE Register
138-IV-13 • 141-IV-279
Weitere Urteile ab 2000
6B_1029/2014
Stichwortregister
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allergie • begründung des entscheids • beschwerde in strafsachen • beschwerdegegner • bestimmtheit rechtlicher normen • bezogener • buch • bundesgericht • bundesgesetz über arzneimittel und medizinprodukte • bundesgesetz über lebensmittel und gebrauchsgegenstände • bundesrat • busse • freiheitsstrafe • freispruch • geldstrafe • gesundheitszustand • kantonsgericht • kenntnis • lebensmittel- und gebrauchsgegenständeverordnung • mast • medizinprodukt • nebenstrafrecht • nulla poena sine lege • sachverhalt • sprache • tag • tierart • tierarzt • tierhalter • verhalten • verurteilter • vorinstanz • vorrat • weiler
BBl
1999/3491