Urteilskopf

137 III 556

83. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. K. gegen Paritätische Berufskommission Bauhauptgewerbe X. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_301/2011 vom 21. September 2011

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 557

BGE 137 III 556 S. 557

Die Paritätische Berufskommission Bauhauptgewerbe X. (Beschwerdegegnerin) liess bei K. (Beschwerdeführer) eine externe Lohnbuchkontrolle durchführen und stellte dabei diverse Verletzungen der gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen fest. Sie beschloss gestützt auf den Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe (nachfolgend: LMV), dem Beschwerdeführer die Kosten für die externe Kontrolle sowie die Verfahrenskosten aufzuerlegen und eine Konventionalstrafe zu verhängen. Nachdem das Kreisgericht Gaster-See die Klage, mit welcher die Beschwerdegegnerin die entsprechenden Beträge einforderte, zunächst mangels Aktivlegitimation abgewiesen hatte, wies das Kantonsgericht St. Gallen die Sache an das Kreisgericht zurück (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_109/2009 vom 16. April 2009, in welchem der Rückweisungsentscheid mangels selbständiger Anfechtbarkeit nicht überprüft wurde). Das Kreisgericht setzte hierauf die Konventionalstrafe auf Fr. 35'000.- herab und verpflichtete den Beschwerdeführer zusätzlich zur Übernahme der Kontroll- und Verfahrenskosten, was einen Gesamtbetrag von Fr. 52'485.30 ergab. Das anschliessend angerufene Kantonsgericht sprach der Beschwerdegegnerin im Rechtsmittelverfahren überdies noch Zins auf dem geschuldeten Betrag zu. Das Bundesgericht weist die gegen die Entscheide des Kantonsgerichts erhobene Beschwerde in Zivilsachen ab. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung von Gesamtarbeitsverträgen als Zivilsachen (BGE 134 III 399, 541). Ansprüche aus Gesamtarbeitsverträgen werden auch dann dem Privatrecht zugeordnet, wenn sie auf gemäss dem Bundesgesetz vom 28. September 1956 über die

BGE 137 III 556 S. 558

Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG; SR 221.215.311) allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen beruhen und gegenüber Aussenseitern geltend gemacht werden (BGE 118 II 528 E. 2a S. 531; Urteil des Bundesgerichts 4A_300/2007 vom 6. Mai 2008 E. 1, nicht publ. in: BGE 134 III 399). Wird allerdings die Pflicht zur Leistung von Bildungsbeiträgen an Berufsausbildungsfonds in Anwendung von Art. 60 Abs. 3
SR 412.10 Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG) - Berufsbildungsgesetz
BBG Art. 60 - 1 Zur Förderung der Berufsbildung können Organisationen der Arbeitswelt, die für Bildung und Weiterbildung sowie Prüfungen zuständig sind, eigene Berufsbildungsfonds schaffen und äufnen.
1    Zur Förderung der Berufsbildung können Organisationen der Arbeitswelt, die für Bildung und Weiterbildung sowie Prüfungen zuständig sind, eigene Berufsbildungsfonds schaffen und äufnen.
2    Die Organisationen umschreiben den Förderungszweck ihres Berufsbildungsfonds. Insbesondere sollen sie die Betriebe in ihrer Branche in der berufsspezifischen Bildung unterstützen.25
3    Der Bundesrat kann auf Antrag der zuständigen Organisation deren Berufsbildungsfonds für alle Betriebe der Branche verbindlich erklären und diese zur Entrichtung von Bildungsbeiträgen verpflichten. Dabei gelten sinngemäss die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 28. September 195626 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
4    Voraussetzung für die Verbindlicherklärung ist, dass:
a  sich mindestens 30 Prozent der Betriebe mit mindestens 30 Prozent der Arbeitnehmenden und der Lernenden dieser Branche bereits finanziell am Bildungsfonds beteiligen;
b  die Organisation über eine eigene Bildungsinstitution verfügt;
c  die Beiträge ausschliesslich für die branchentypischen Berufe erhoben werden;
d  die Beiträge für Massnahmen in der Berufsbildung eingesetzt werden, die allen Betrieben zugute kommen.
5    Die Bildungsbeiträge richten sich in Art und Höhe nach dem für die Kosten der Berufsbildung bestimmten Beitrag der Mitglieder der entsprechenden Organisation. Der Bundesrat legt die maximale Höhe fest; dabei kann er die Höchstbeträge nach Branchen differenzieren.
6    Betriebe, die sich bereits mittels Verbandsbeitrag an der Berufsbildung beteiligen, in einen Berufsbildungsfonds einbezahlen oder sonst nachweisbar angemessene Bildungs- oder Weiterbildungsleistungen erbringen, dürfen nicht zu weiteren Zahlungen in allgemein verbindlich erklärte Bildungsfonds verpflichtet werden.
7    Das SBFI führt die Aufsicht über die allgemein verbindlich erklärten Fonds. Die Details über Rechnungslegung und Revision werden in der Verordnung geregelt.
des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG; SR 412.10) für alle Betriebe einer Branche verbindlich erklärt, ist keine Zivilsache mehr gegeben (BGE 2C_561/2010 vom 28. Juli 2011 E. 1). Da die zu beurteilende Streitigkeit nicht Beiträge an Berufsbildungsfonds betrifft, steht die Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten nicht offen und hat der Beschwerdeführer zu Recht Beschwerde in Zivilsachen ergriffen.
4. Der Betrieb des Beschwerdeführers fällt unbestritten in den räumlichen und sachlichen Anwendungsbereich des vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärten Landesmantelvertrages. Der Beschwerdeführer hält jedoch die ihm auferlegte Konventionalstrafe und die Verfahrenskostenbeteiligung für rechtswidrig, wobei er namentlich die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin bestreitet sowie mit Blick auf Lücken in der zeitlichen Geltungsdauer der Landesmantelverträge das Recht der Beschwerdegegnerin, die eingeleiteten Verfahren weiterzuverfolgen, in Abrede stellt. Der Beschwerdeführer hält zwar auch vor Bundesgericht an seinem Begehren um Herabsetzung der Konventionalstrafe fest. Mit Bezug auf die Höhe der Konventionalstrafe äussert er sich in der Beschwerdebegründung aber ausschliesslich zum Zinsenlauf. Hauptstreitpunkt bildet die Frage, ob die Beschwerdegegnerin aktivlegitimiert ist.
4.1 Gemäss Art. 76 Abs. 1 LMV/2005 bestellen die Vertragsparteien des lokalen GAV eine lokale paritätische Berufskommission in der Rechtsform eines Vereines, die ausdrücklich ermächtigt ist, den LMV während seiner Gültigkeit zu vollziehen. Art. 76 Abs. 2 LMV/2005, der die Vertragsparteien des LMV verpflichtet, den lokalen paritätischen Berufskommissionen die erforderlichen Vollmachten zur Vertretung des gemeinsamen Anspruchs gemäss Art. 357b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 357b - 1 In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
1    In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
a  Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei der Anspruch nur auf Feststellung geht;
b  Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen, Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Wahrung des Arbeitsfriedens;
c  Kontrolle, Kautionen und Konventionalstrafen in Bezug auf Bestimmungen gemäss Buchstaben a und b.
2    Vereinbarungen im Sinne des vorstehenden Absatzes können getroffen werden, wenn die Vertragsparteien durch die Statuten oder einen Beschluss des obersten Verbandsorgans ausdrücklich hiezu ermächtigt sind.
3    Auf das Verhältnis der Vertragsparteien unter sich sind die Vorschriften über die einfache Gesellschaft sinngemäss anwendbar, wenn der Gesamtarbeitsvertrag nichts anderes bestimmt.
OR zu erteilen, wurde nicht allgemeinverbindlich erklärt. Gemäss Art. 76 Abs. 3 lit. a LMV/2005 hat die lokale paritätische Berufskommission die Aufgabe, auftrags und namens der LMV-Vertragsparteien die arbeitsvertraglichen Bestimmungen des LMV inklusive deren Anhänge und Zusatzvereinbarungen durchzusetzen, sofern im LMV
BGE 137 III 556 S. 559

oder in einer anderen Vereinbarung keine andere Lösung getroffen wurde, und den lokalen GAV anzuwenden und durchzusetzen sowie allfällige Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten über die Anwendung des lokalen GAV zu schlichten. Dabei obliegt der lokalen paritätischen Berufskommission nach Art. 76 Abs. 3 lit. b LMV/2005 insbesondere die Durchführung von gemeinsamen Lohnkontrollen und Untersuchungen über die Arbeitsverhältnisse im Betrieb. Die lokale paritätische Berufskommission kann eine Firma bezüglich Einhaltung des LMV kontrollieren, führt Kontrollen bezüglich Einhaltung des LMV durch und kontrolliert die Baustellen oder lässt die Kontrolle durch Dritte vornehmen und beschliesst, ob eine Verwarnung oder eine Sanktion ausgesprochen wird und wer die Kontroll- und Verfahrenskosten zu tragen hat (vgl. Art. 76 Abs. 4 LMV/2005). Unter dem Titel Sanktionen hält Art. 79 Abs. 2 LMV/2005 fest, die paritätische Berufskommission sei berechtigt, eine Konventionalstrafe bis zu Fr. 50'000.- zu verhängen (wobei in Fällen vorenthaltener geldwerter Ansprüche die Konventionalstrafe bis zur Höhe der geschuldeten Leistung gehen dürfe) und die Neben- und Verfahrenskosten der fehlbaren Partei aufzuerlegen. Gemäss Art. 79 Abs. 4 LMV/2005 kann im lokalen GAV die gemeinsame Durchführung, beschränkt auf die Durchsetzung von Konventionalstrafen der paritätischen Berufskommission (Art. 357b Abs. 1 lit. c
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 357b - 1 In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
1    In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
a  Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei der Anspruch nur auf Feststellung geht;
b  Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen, Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Wahrung des Arbeitsfriedens;
c  Kontrolle, Kautionen und Konventionalstrafen in Bezug auf Bestimmungen gemäss Buchstaben a und b.
2    Vereinbarungen im Sinne des vorstehenden Absatzes können getroffen werden, wenn die Vertragsparteien durch die Statuten oder einen Beschluss des obersten Verbandsorgans ausdrücklich hiezu ermächtigt sind.
3    Auf das Verhältnis der Vertragsparteien unter sich sind die Vorschriften über die einfache Gesellschaft sinngemäss anwendbar, wenn der Gesamtarbeitsvertrag nichts anderes bestimmt.
OR), aufgenommen werden, sofern die Vertragsparteien von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen und die erforderliche Ermächtigung nach Art. 357b Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 357b - 1 In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
1    In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
a  Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei der Anspruch nur auf Feststellung geht;
b  Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen, Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Wahrung des Arbeitsfriedens;
c  Kontrolle, Kautionen und Konventionalstrafen in Bezug auf Bestimmungen gemäss Buchstaben a und b.
2    Vereinbarungen im Sinne des vorstehenden Absatzes können getroffen werden, wenn die Vertragsparteien durch die Statuten oder einen Beschluss des obersten Verbandsorgans ausdrücklich hiezu ermächtigt sind.
3    Auf das Verhältnis der Vertragsparteien unter sich sind die Vorschriften über die einfache Gesellschaft sinngemäss anwendbar, wenn der Gesamtarbeitsvertrag nichts anderes bestimmt.
OR vorliegt. Art. 79 Abs. 5 LMV/2005 bestimmt schliesslich, eine rechtskräftig verhängte Konventionalstrafe sei innert 30 Tagen der paritätischen Berufskommission zu zahlen, wobei diese den Betrag für den Vollzug und die Durchsetzung des GAV verwendet.
4.2 Aufgrund des Textes des Landesmantelvertrages blieb nach Auffassung der Vorinstanz unklar, ob der paritätischen Berufskommission ein eigener Anspruch auf die Konventionalstrafe und die Kosten eingeräumt werden sollte. Die Vorinstanz ging indessen davon aus, namentlich mit Blick auf den verfolgten Zweck, eine wirtschaftliche Verflechtung mit den Vertragsparteien zu vermeiden, sei der Beschwerdegegnerin ein eigener Anspruch zuzuerkennen oder zumindest das Recht, diesen im Rahmen einer Prozessstandschaft in eigenem Namen geltend zu machen. Der Beschwerdeführer vertritt demgegenüber den Standpunkt, die Beschwerdegegnerin hätte im Gerichtsverfahren sowie bereits zuvor bei Ausfällung der
BGE 137 III 556 S. 560

Konventionalstrafe nur im Namen der Vertragsparteien handeln können. Er weist ausserdem darauf hin, dass der LMV gekündigt worden sei und zeitweise ein vertragsloser Zustand geherrscht habe. Für die in dieser Zeit vorgenommenen Prozesshandlungen habe es der Beschwerdegegnerin an der Vertretungsbefugnis gefehlt, da die von ihr eingereichten Vollmachten auf die Geltung des LMV beschränkt seien.
4.3 Die Beschwerdegegnerin hat den LMV für dessen Geltungsdauer gegenüber den davon erfassten Parteien durchzusetzen. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass sich der eingeklagte Betrag auch auf Handlungen ausserhalb der Geltungszeit des LMV bezieht. Aus der Funktion der Beschwerdegegnerin ergibt sich, dass deren Aufgabe erst mit Abschluss der die Geltungsdauer des LMV betreffenden Verfahren beendet ist. Vor diesem Hintergrund ist die Befristung der Vollmachten auf die Geltungsdauer des LMV funktional und nicht zeitlich zu verstehen. Es kann nicht die Absicht der Parteien gewesen sein, die Vollmacht während laufenden Gerichtsverfahren entfallen zu lassen. Der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers ist unbegründet.
4.4 Nicht stichhaltig ist auch der Einwand, die Beschwerdegegnerin hätte bereits die Konventionalstrafe nur im Namen der Vertragsparteien verhängen können. Gemäss LMV ist die paritätische Kommission selbst berechtigt, die Konventionalstrafe zu verhängen. Dass sie den LMV im Namen der Vertragsparteien durchsetzt, ergibt sich bereits aus ihrer im LMV umschriebenen Funktion.
4.5 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind die Vertragsparteien eines Gesamtarbeitsvertrages in der Ausgestaltung der Kontrolle des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei (BGE 134 III 541 E. 4.3 S. 546). Die Frage, ob es zulässig ist, den Anspruch auf die Konventionalstrafe an die paritätische Berufskommission abzutreten oder ihr zumindest das Recht einzuräumen, diesen im Rahmen einer Prozessstandschaft im eigenen Namen gerichtlich durchzusetzen, wird in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2006, N. 5 zu Art. 357b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 357b - 1 In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
1    In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
a  Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei der Anspruch nur auf Feststellung geht;
b  Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen, Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Wahrung des Arbeitsfriedens;
c  Kontrolle, Kautionen und Konventionalstrafen in Bezug auf Bestimmungen gemäss Buchstaben a und b.
2    Vereinbarungen im Sinne des vorstehenden Absatzes können getroffen werden, wenn die Vertragsparteien durch die Statuten oder einen Beschluss des obersten Verbandsorgans ausdrücklich hiezu ermächtigt sind.
3    Auf das Verhältnis der Vertragsparteien unter sich sind die Vorschriften über die einfache Gesellschaft sinngemäss anwendbar, wenn der Gesamtarbeitsvertrag nichts anderes bestimmt.
OR mit Hinweisen; vgl. auch VISCHER/ALBRECHT, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2006, N. 13 zu Art. 357b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 357b - 1 In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
1    In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
a  Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei der Anspruch nur auf Feststellung geht;
b  Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen, Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Wahrung des Arbeitsfriedens;
c  Kontrolle, Kautionen und Konventionalstrafen in Bezug auf Bestimmungen gemäss Buchstaben a und b.
2    Vereinbarungen im Sinne des vorstehenden Absatzes können getroffen werden, wenn die Vertragsparteien durch die Statuten oder einen Beschluss des obersten Verbandsorgans ausdrücklich hiezu ermächtigt sind.
3    Auf das Verhältnis der Vertragsparteien unter sich sind die Vorschriften über die einfache Gesellschaft sinngemäss anwendbar, wenn der Gesamtarbeitsvertrag nichts anderes bestimmt.
OR). Sie stellt sich aber nur, wenn gemäss dem Gesamtarbeitsvertrag der paritätischen Berufskommission entsprechende Kompetenzen zugewiesen werden sollen. Ob dies hier der Fall ist, scheint zweifelhaft.

BGE 137 III 556 S. 561

4.5.1 Art. 76 Abs. 1 LMV/2005 ermächtigt die lokale paritätische Berufskommission zwar ausdrücklich, den LMV während seiner Gültigkeit zu vollziehen. Gemäss Abs. 3 lit. a dieses Artikels hat die lokale paritätische Berufskommission die arbeitsvertraglichen Bestimmungen des LMV aber auftrags und namens der LMV-Vertragsparteien durchzusetzen. Im LMV oder in einer anderen Vereinbarung können zwar andere Lösungen getroffen werden. Als Ausnahme von der Regel müsste sich dies aber klar ergeben. Die Vorinstanz selbst hält den Wortlaut des LMV aber für unklar. Gerade anschliessend an den Auftrag zum Vollzug namens der Vertragsparteien wird in lit. b als Beispiel das Durchführen der Untersuchungen über das Arbeitsverhältnis erwähnt. Art. 79 LMV regelt schliesslich die Sanktionen, bestimmt aber nicht, die Sanktionen seien im Namen der paritätischen Berufskommission gerichtlich durchzusetzen, sondern knüpft in Abs. 4 an das Bestehen der erforderlichen Ermächtigung an.
4.5.2 Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, inwiefern ein Vorgehen im Namen der Parteien des LMV mit Schwierigkeiten verbunden sein sollte. Im LMV wird festgehalten, die Konventionalstrafe sei an die paritätische Berufskommission zu leisten, und festgesetzt, dass und wie diese den Betrag verwenden darf. Insoweit besteht auch bei einer Klage im Namen der Vertragsparteien wirtschaftlich kaum eine grössere Verflechtung, als wenn der Beschwerdegegnerin ein eigener Anspruch zuerkannt würde, mit einer Auflage betreffend die Verwendung der Einkünfte. Zur Ausstellung der notwendigen Vollmachten haben sich die Vertragsparteien in Art. 76 Abs. 2 LMV/2005 verpflichtet. Dass dieser Absatz nicht allgemeinverbindlich erklärt wurde, spielt keine Rolle, begründet er doch ohnehin nur zwischen den Vertragsparteien unter sich und gegenüber den lokalen paritätischen Berufskommissionen Rechte und Pflichten, an denen sich durch eine Allgemeinverbindlicherklärung nichts ändern würde. Art. 76 Abs. 2 LMV/2005 bekräftigt nur, was sich aus dem Wortlaut des allgemeinverbindlich erklärten Art. 76 Abs. 3 lit. a LMV/2005 ergibt, nämlich dass die Vertragsparteien ein Handeln der lokalen paritätischen Berufskommission in ihrem Namen vorsahen. Eine entsprechende Vollmacht wäre zudem wohl unabhängig von Abs. 2 der Bestimmung als im Auftrag zur Durchsetzung der Ansprüche namens der LMV-Vertragsparteien enthalten anzusehen.
4.6 Die Frage braucht indessen nicht abschliessend behandelt zu werden. Aus Art. 79 Abs. 5 LMV/2005 geht ausdrücklich hervor,
BGE 137 III 556 S. 562

dass die Konventionalstrafe an die paritätische Berufskommission, also die Beschwerdegegnerin zu bezahlen ist. Der Beschwerdeführer weist selbst darauf hin, die Beschwerdegegnerin habe im Prozess zum Teil ausgeführt, sie handle im Namen der Vertragsparteien. Gestützt auf die erteilten Vollmachten müssen sich die Vertragsparteien des LMV das Verhalten der Beschwerdegegnerin entgegenhalten lassen. Daher könnten sie, auch wenn die Beschwerdegegnerin zu Unrecht im eigenen Namen geklagt haben sollte, vom Beschwerdeführer nicht nochmals Zahlung verlangen. Entgegen seiner Auffassung würde der Beschwerdeführer durch Zahlung an die Beschwerdegegnerin in jedem Fall befreit. Ob die Konventionalstrafe als eigener Anspruch der Beschwerdegegnerin angesehen wird oder nicht, ändert nichts daran, dass der Beschwerdeführer an diese leisten muss und durch die Leistung befreit wird. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern er unter diesen Umständen ein schützenswertes Interesse an der Klärung der Frage hat, ob der Anspruch formell auf die Beschwerdegegnerin übergegangen ist. Es kann ihm gleichgültig sein, wem der Anspruch im Verhältnis der lokalen paritätischen Berufskommission zu den Vertragsparteien des LMV zusteht. Selbst wenn die Beschwerdegegnerin formell im Namen der LMV-Vertragspartner hätte klagen müssen, erweist sich die Einwendung des Beschwerdeführers als blosse Schikane, um sich der in jedem Fall gegenüber der Beschwerdegegnerin zu erbringenden Zahlung zu entziehen. Dieses Verhalten verdient keinen Rechtsschutz.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 137 III 556
Datum : 21. September 2011
Publiziert : 10. Februar 2012
Quelle : Bundesgericht
Status : 137 III 556
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Streitigkeiten über die Auslegung und die Anwendung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG, Art. 60 Abs. 3 BBG, Art. 72 und 82


Gesetzesregister
BBG: 60
SR 412.10 Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG) - Berufsbildungsgesetz
BBG Art. 60 - 1 Zur Förderung der Berufsbildung können Organisationen der Arbeitswelt, die für Bildung und Weiterbildung sowie Prüfungen zuständig sind, eigene Berufsbildungsfonds schaffen und äufnen.
1    Zur Förderung der Berufsbildung können Organisationen der Arbeitswelt, die für Bildung und Weiterbildung sowie Prüfungen zuständig sind, eigene Berufsbildungsfonds schaffen und äufnen.
2    Die Organisationen umschreiben den Förderungszweck ihres Berufsbildungsfonds. Insbesondere sollen sie die Betriebe in ihrer Branche in der berufsspezifischen Bildung unterstützen.25
3    Der Bundesrat kann auf Antrag der zuständigen Organisation deren Berufsbildungsfonds für alle Betriebe der Branche verbindlich erklären und diese zur Entrichtung von Bildungsbeiträgen verpflichten. Dabei gelten sinngemäss die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 28. September 195626 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
4    Voraussetzung für die Verbindlicherklärung ist, dass:
a  sich mindestens 30 Prozent der Betriebe mit mindestens 30 Prozent der Arbeitnehmenden und der Lernenden dieser Branche bereits finanziell am Bildungsfonds beteiligen;
b  die Organisation über eine eigene Bildungsinstitution verfügt;
c  die Beiträge ausschliesslich für die branchentypischen Berufe erhoben werden;
d  die Beiträge für Massnahmen in der Berufsbildung eingesetzt werden, die allen Betrieben zugute kommen.
5    Die Bildungsbeiträge richten sich in Art und Höhe nach dem für die Kosten der Berufsbildung bestimmten Beitrag der Mitglieder der entsprechenden Organisation. Der Bundesrat legt die maximale Höhe fest; dabei kann er die Höchstbeträge nach Branchen differenzieren.
6    Betriebe, die sich bereits mittels Verbandsbeitrag an der Berufsbildung beteiligen, in einen Berufsbildungsfonds einbezahlen oder sonst nachweisbar angemessene Bildungs- oder Weiterbildungsleistungen erbringen, dürfen nicht zu weiteren Zahlungen in allgemein verbindlich erklärte Bildungsfonds verpflichtet werden.
7    Das SBFI führt die Aufsicht über die allgemein verbindlich erklärten Fonds. Die Details über Rechnungslegung und Revision werden in der Verordnung geregelt.
BGG: 72 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 72 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Zivilsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Zivilsachen.
2    Der Beschwerde in Zivilsachen unterliegen auch:
a  Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen;
b  öffentlich-rechtliche Entscheide, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Zivilrecht stehen, insbesondere Entscheide:
b1  über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheiden und über die Rechtshilfe in Zivilsachen,
b2  über die Führung des Grundbuchs, des Zivilstands- und des Handelsregisters sowie der Register für Marken, Muster und Modelle, Erfindungspatente, Pflanzensorten und Topografien,
b3  über die Bewilligung zur Namensänderung,
b4  auf dem Gebiet der Aufsicht über die Stiftungen mit Ausnahme der Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen,
b5  auf dem Gebiet der Aufsicht über die Willensvollstrecker und -vollstreckerinnen und andere erbrechtliche Vertreter und Vertreterinnen,
b6  auf dem Gebiet des Kindes- und Erwachsenenschutzes,
b7  ...
82
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a  gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b  gegen kantonale Erlasse;
c  betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
OR: 357b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 357b - 1 In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
1    In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt:
a  Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei der Anspruch nur auf Feststellung geht;
b  Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen, Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Wahrung des Arbeitsfriedens;
c  Kontrolle, Kautionen und Konventionalstrafen in Bezug auf Bestimmungen gemäss Buchstaben a und b.
2    Vereinbarungen im Sinne des vorstehenden Absatzes können getroffen werden, wenn die Vertragsparteien durch die Statuten oder einen Beschluss des obersten Verbandsorgans ausdrücklich hiezu ermächtigt sind.
3    Auf das Verhältnis der Vertragsparteien unter sich sind die Vorschriften über die einfache Gesellschaft sinngemäss anwendbar, wenn der Gesamtarbeitsvertrag nichts anderes bestimmt.
BGE Register
118-II-528 • 134-III-399 • 134-III-541 • 137-III-556
Weitere Urteile ab 2000
2C_561/2010 • 4A_109/2009 • 4A_300/2007 • 4A_301/2011
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vertragspartei • konventionalstrafe • bundesgericht • frage • verfahrenskosten • sanktion • gesamtarbeitsvertrag • zivilsache • vorinstanz • kantonsgericht • beschwerde in zivilsachen • arbeitsvertrag • bundesgesetz über die berufsbildung • verhalten • funktion • paritätische kommission • bg über die allgemeinverbindlicherklärung von gesamtarbeitsverträgen • entscheid • verfahren • vertrag
... Alle anzeigen