137 III 289
44. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Vormundschaftsrat des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_335/2011 vom 7. Juni 2011
Regeste (de):
- Fürsorgerische Freiheitsentziehung; Gutachten eines Sachverständigen.
- Suchtkranke gelten als psychisch Kranke im Sinne von Art. 397e Ziff. 5
ZGB. Es kann somit nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens über ein Gesuch der betroffenen Person um Entlassung aus der Anstalt entschieden werden (E. 4.1-4.3). Anforderungen an die begutachtende Person und an das Gutachten (E. 4.4 und 4.5).
Regeste (fr):
- Privation de liberté à des fins d'assistance; expertise.
- Les personnes souffrant de dépendance sont des malades psychiques au sens de l'art. 397e ch. 5 CC. Il ne peut ainsi être statué qu'avec le concours d'experts sur une demande de libération de la personne placée dans un établissement (consid. 4.1-4.3). Exigences requises quant à la personne de l'expert et au rapport d'expertise (consid. 4.4 et 4.5).
Regesto (it):
- Privazione della libertà a scopo d'assistenza; perizia.
- Le persone affette da dipendenza sono dei malati psichici ai sensi dell'art. 397e n. 5 CC. Non si può pertanto decidere su una domanda della persona interessata di rilascio dallo stabilimento senza l'allestimento di una perizia (consid. 4.1-4.3). Requisiti circa il perito e la perizia (consid. 4.4 e 4.5).
Sachverhalt ab Seite 289
BGE 137 III 289 S. 289
A.
A.a Der Vormundschaftsrat des Kantons Basel-Stadt ordnete mit Entscheid vom 15. November 2006 über X. (geb. 6. Dezember 1948) eine fürsorgerische Freiheitsentziehung an. Diese Massnahme wurde mit Entscheid vom 6. Dezember 2007 unter Auferlegung bestimmter Auflagen "sistiert". Insbesondere wurde X. dazu verhalten,
BGE 137 III 289 S. 290
auf den Gebrauch von Kerzen in der Wohnung zu verzichten, beim Rauchen Vorsicht walten zu lassen und keinen Alkohol zu konsumieren.
A.b Im Juni 2010 erstattete die Liegenschaftsverwaltung Meldung, dass die Wohnung von X. verwahrlost sei. Am Sylvester 2010 kam es zu dem nach Angaben der Polizei dritten Wohnungsbrand, wobei sich X. eine Rauchvergiftung zuzog und deswegen hospitalisiert werden musste. Anschliessend wurde sie in die UPK verlegt. Am 3. Januar 2011 meldete die Beiständin, dass X. von einem Ausgang nicht in die UPK zurückgekehrt sei. Sie wurde in der Folge von der Polizei in stark verwirrtem Zustand vorgefunden, wobei sie Schürfwunden im Gesicht aufwies und ihr Atem stark nach Alkohol roch.
B. Mit Entscheid des Vormundschaftsrates des Kantons Basel-Stadt vom 9. Februar 2011 wurde die am 6. Dezember 2007 erfolgte "Sistierung" der fürsorgerischen Freiheitsentziehung aufgehoben und angeordnet, X. verbleibe in den UPK, bis eine geeignete Institution gefunden werde. X. gelangte gegen diesen Entscheid an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, das ihren Rekurs mit Urteil vom 21. März 2011 ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens abwies.
C. Die anwaltlich verbeiständete X. (Beschwerdeführerin) gelangt mit Beschwerde vom 12. Mai 2011 an das Bundesgericht und beantragt, es sei das Urteil des Appellationsgerichts vom 21. März 2011 aufzuheben und sie sei sofort aus den UPK zu entlassen. Der Vormundschaftsrat und das Appellationsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf eintritt; es hebt das angefochtene Urteil auf und weist das Appellationsgericht an, die Beschwerdeführerin spätestens nach 30 Tagen seit Zustellung des begründeten bundesgerichtlichen Urteils aus den UPK zu entlassen, wobei innert dieser Frist ein neuer Entscheid im Sinne der Erwägungen vorbehalten bleibt. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
4.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, aus der behaupteten Verwahrlosung, dem Wohnungsbrand und dem Vorfall vom 2. Februar 2011 ziehe das Appellationsgericht den Schluss, sie leide
BGE 137 III 289 S. 291
unter einer Geisteskrankheit im Sinn von Art. 397a Abs. 1
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4.2 Nach Art. 397e Ziff. 5
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BGE 137 III 289 S. 292
2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7001,7043 Ziff. 2.2.2). Im vorliegenden Fall lässt sich dem angefochtenen Urteil entnehmen, dass die Beschwerdeführerin an einem bedeutenden Alkoholproblem leidet, das sich zunehmend negativ auf ihren Lebensverlauf auswirkt.
4.3 Entgegen der Ansicht des Appellationsgerichts kann somit die Einholung eines Gutachtens nicht mit dem Hinweis umgangen werden, die Anordnung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung sei nicht wegen Geisteskrankheit erfolgt. Das Appellationsgericht hat als Gericht im Sinn von Art. 397d
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4.4 Der Gutachter gemäss Art. 397e Ziff. 5
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4.5 Das gestützt auf Art. 397e Ziff. 5
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BGE 137 III 289 S. 293
Drittgefährdung, aber auch der Verwahrlosung auswirken können und ob sich daraus ein Handlungsbedarf ergibt. Ferner ist durch den Gutachter zu prüfen, ob aufgrund des festgestellten Handlungsbedarfs eine stationäre Behandlung unerlässlich ist, schliesslich, ob eine Anstalt zur Verfügung steht und wenn ja, (nötigenfalls) warum die vorgeschlagene Anstalt für die Behandlung der Beschwerdeführerin infrage kommt (zum Inhalt des Gutachtens vgl. Urteil 5A_137/2008 vom 28. März 2008 E. 3). Aufgrund des Gutachtens muss das Appellationsgericht in der Lage sein, die sich aus Art. 397a Abs. 1
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