135 V 58
8. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle des Kantons St. Gallen gegen D. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_560/2008 vom 12. Dezember 2008
Regeste (de):
- Art. 16
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 16 Grad der Invalidität - Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre.
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 28 Grundsatz - 1 Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
1 Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die: a ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können; b während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG206) gewesen sind; und c nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (Art. 8 ATSG) sind. 1bis Eine Rente nach Absatz 1 wird nicht zugesprochen, solange die Möglichkeiten zur Eingliederung im Sinne von Artikel 8 Absätze 1bis und 1ter nicht ausgeschöpft sind.207 2 ...208 - Ist ein durchschnittliches Invalideneinkommen realistischerweise erzielbar bzw. zumutbar, so ist ein aus wirtschaftlichen Gründen unterdurchschnittliches Valideneinkommen nicht auf ein durchschnittliches aufzurechnen. Darin liegt keine Ungleichbehandlung der Schlechtverdienenden (E. 3.4.1- 3.4.6 [insbes. E. 3.4.4]).
Regeste (fr):
- Art. 16 LPGA; art. 28 al. 2 LAI; précision de la jurisprudence applicable en présence d'un revenu sans invalidité inférieur à la moyenne (eu égard en particulier à la référence faite à l' ATF 134 V 322 consid. 6.2 p. 329 au principe de l'égalité de traitement).
- Lorsque la réalisation d'un revenu d'invalide situé dans la moyenne apparaît raisonnablement possible et exigible, il n'y a pas lieu d'adapter en conséquence le revenu sans invalidité qui serait inférieur à la moyenne pour des motifs d'ordre économique. Cela n'est pas constitutif d'une inégalité de traitement à l'égard des personnes à faible revenu (consid. 3.4.1-3.4.6 [en particulier consid. 3.4.4]).
Regesto (it):
- Art. 16 LPGA; art. 28 cpv. 2 LAI; precisazione della giurisprudenza applicabile in presenza di un reddito da valido inferiore alla media (con particolare riferimento a quanto esposto nella DTF 134 V 322 consid. 6.2 pag. 329 in merito al diritto alla parità di trattamento).
- Laddove un reddito da invalido di fascia media è realisticamente conseguibile risp. ragionevolmente esigibile, un reddito da valido inferiore alla media per motivi economici non deve essere adattato al livello medio di tale reddito. In ciò non è ravvisabile alcuna disparità di trattamento delle persone a basso reddito (consid. 3.4.1-3.4.6 [segnatamente consid. 3.4.4]).
Erwägungen ab Seite 59
BGE 135 V 58 S. 59
Aus den Erwägungen:
3. Umstritten ist die Höhe des massgebenden Valideneinkommens.
3.1 Das Valideneinkommen ist dasjenige Einkommen, das die versicherte Person erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Art. 16
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 16 Grad der Invalidität - Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre. |
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 28a - 1 Die Bemessung des Invaliditätsgrades von erwerbstätigen Versicherten richtet sich nach Artikel 16 ATSG211. Der Bundesrat umschreibt die zur Bemessung des Invaliditätsgrades massgebenden Erwerbseinkommen sowie die anwendbaren Korrekturfaktoren.212 |
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1 | Die Bemessung des Invaliditätsgrades von erwerbstätigen Versicherten richtet sich nach Artikel 16 ATSG211. Der Bundesrat umschreibt die zur Bemessung des Invaliditätsgrades massgebenden Erwerbseinkommen sowie die anwendbaren Korrekturfaktoren.212 |
2 | Bei nicht erwerbstätigen Versicherten, die im Aufgabenbereich tätig sind und denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, wird für die Bemessung des Invaliditätsgrades in Abweichung von Artikel 16 ATSG darauf abgestellt, in welchem Masse sie unfähig sind, sich im Aufgabenbereich zu betätigen.213 |
3 | Bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind oder die unentgeltlich im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin mitarbeiten, wird der Invaliditätsgrad für diesen Teil nach Artikel 16 ATSG festgelegt. Waren sie daneben auch im Aufgabenbereich tätig, so wird der Invaliditätsgrad für diese Tätigkeit nach Absatz 2 festgelegt.214 In diesem Fall sind der Anteil der Erwerbstätigkeit oder der unentgeltlichen Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin und der Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich festzulegen und der Invaliditätsgrad in beiden Bereichen zu bemessen. |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 16 Grad der Invalidität - Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre. |
3.4 In einer alternativen Begründung hat die Vorinstanz erwogen, das bescheidene Einkommen der Versicherten als Wirtin sei nicht darauf zurückzuführen, dass sie ihr Arbeitspensum aus freien Stücken reduziert habe, sondern darauf, dass die Erwerbstätigkeit
BGE 135 V 58 S. 60
wirtschaftlich nicht einträglich gewesen sei. Dies sei ein invaliditätsfremder Grund, dem aufgrund der dargelegten Rechtsprechung (E. 3.1) durch eine Einkommensparallelisierung Rechnung zu tragen sei. Dies rechtfertige sich, weil nur die gesundheitsbedingte Einschränkung in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Invalidität ausmache. Invalidität sei die Einschränkung des einem Gesunden zuzuordnenden mutmasslichen Potenzials als Wirtschaftssubjekt auf dem Arbeitsmarkt. Die Entwicklungen im sozialen und wirtschaftlichen Umfeld dürften die Grösse der Invalidität nicht beeinflussen. Werde der Versicherten als invalider Person ein Berufswechsel in eine unselbstständige Erwerbstätigkeit mit Einkommensbemessung anhand der Tabellenlöhne zugemutet, so dürfe ihr die Möglichkeit eines solchen Wechsels auch im hypothetischen Verlauf ohne Gesundheitsschaden nicht vorenthalten werden. Auch ein freiwilliges Nichtausnützen der vollen Arbeitskraft bilde einen invaliditätsfremden Umstand und dürfe nicht invaliditätswirksam sein, da die Invalidität nur von der Einbusse des funktionellen Leistungsvermögens in den Verweisungsberufen abhänge. Würde sich das nicht existenzsichernde oder branchenunterdurchschnittliche Valideneinkommen invaliditätssenkend auswirken, so sei dies mit dem verfassungsmässigen Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar und diskriminierend. Für das Valideneinkommen seien grundsätzlich diejenigen Einnahmen heranzuziehen, die dem gesunden Versicherten zumutbar seien. Vor dem Eintritt des Gesundheitsschadens erzielte unüblich tiefe Löhne seien deshalb grundsätzlich auf ein durchschnittliches Lohnniveau in der entsprechenden beruflichen Situation aufzuwerten. Es sei daher vorliegend auch für das Valideneinkommen auf die Tabellenlöhne abzustellen (...).
3.4.1 Die Rente der Invalidenversicherung ist grundsätzlich eine Erwerbsausfall-Versicherungsleistung. Versichert ist nicht der Gesundheitsschaden an sich, sondern der durch den Gesundheitsschaden verursachte Verlust der Erwerbsmöglichkeit (Art. 1a lit. b
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 1a - Die Leistungen dieses Gesetzes sollen: |
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a | die Invalidität mit geeigneten, einfachen und zweckmässigen Eingliederungsmassnahmen verhindern, vermindern oder beheben; |
b | die verbleibenden ökonomischen Folgen der Invalidität im Rahmen einer angemessenen Deckung des Existenzbedarfs ausgleichen; |
c | zu einer eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Lebensführung der betroffenen Versicherten beitragen. |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 7 Erwerbsunfähigkeit - 1 Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt. |
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1 | Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt. |
2 | Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist.11 |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 8 Invalidität - 1 Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. |
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1 | Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. |
2 | Nicht erwerbstätige Minderjährige gelten als invalid, wenn die Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit voraussichtlich eine ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird.12 |
3 | Volljährige, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, gelten als invalid, wenn eine Unmöglichkeit vorliegt, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen. Artikel 7 Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar.13 14 |
BGE 135 V 58 S. 61
Gesundheitsschadens erzielt bzw. bei zumutbarer Tätigkeit erzielen könnte (Art. 16
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 16 Grad der Invalidität - Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre. |
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 28a - 1 Die Bemessung des Invaliditätsgrades von erwerbstätigen Versicherten richtet sich nach Artikel 16 ATSG211. Der Bundesrat umschreibt die zur Bemessung des Invaliditätsgrades massgebenden Erwerbseinkommen sowie die anwendbaren Korrekturfaktoren.212 |
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1 | Die Bemessung des Invaliditätsgrades von erwerbstätigen Versicherten richtet sich nach Artikel 16 ATSG211. Der Bundesrat umschreibt die zur Bemessung des Invaliditätsgrades massgebenden Erwerbseinkommen sowie die anwendbaren Korrekturfaktoren.212 |
2 | Bei nicht erwerbstätigen Versicherten, die im Aufgabenbereich tätig sind und denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, wird für die Bemessung des Invaliditätsgrades in Abweichung von Artikel 16 ATSG darauf abgestellt, in welchem Masse sie unfähig sind, sich im Aufgabenbereich zu betätigen.213 |
3 | Bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind oder die unentgeltlich im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin mitarbeiten, wird der Invaliditätsgrad für diesen Teil nach Artikel 16 ATSG festgelegt. Waren sie daneben auch im Aufgabenbereich tätig, so wird der Invaliditätsgrad für diese Tätigkeit nach Absatz 2 festgelegt.214 In diesem Fall sind der Anteil der Erwerbstätigkeit oder der unentgeltlichen Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin und der Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich festzulegen und der Invaliditätsgrad in beiden Bereichen zu bemessen. |
3.4.2 Indem das kantonale Gericht das zumutbare Invalideneinkommen einem Einkommen gegenübergestellt hat, das die versicherte Person auch im Gesundheitsfall gar nicht erzielt hätte, hat es für die Invaliditätsbemessung einen invaliditätsfremden Faktor berücksichtigt. Dieses Vorgehen kann dazu führen, dass eine Person als invalid gilt, obwohl sie nach Eintritt der Gesundheitsbeeinträchtigung mehr verdient als sie vorher verdient hat und im Gesundheitsfall weiterhin verdienen würde. Damit wird das im Gesundheitsfall von der versicherten Person zu tragende Risiko einer wirtschaftlich nicht einträglichen Tätigkeit im Falle einer Gesundheitsbeeinträchtigung auf die Invalidenversicherung überwälzt. Dies verstösst gegen die dargelegte gesetzliche Regelung, wonach für die Bestimmung des Invaliditätsgrades nur die durch einen Gesundheitsschaden erlittene Erwerbseinbusse massgeblich ist.
3.4.3 Zu Unrecht hat sich die Vorinstanz auf die Rechtsprechung berufen, wonach invaliditätsfremde Umstände, welche zu einem erheblich unterdurchschnittlichen Valideneinkommen geführt haben, zu einer Einkommensparallelisierung führen (vorne E. 3.1). Denn diese Rechtsprechung will nur sicherstellen, dass die beiden Vergleichseinkommen auf gleichen Grundlagen ermittelt werden; sie
BGE 135 V 58 S. 62
ist aber nicht so zu verstehen, dass allen invaliditätsfremden (namentlich auch wirtschaftlichen) Aspekten, die zu einem unterdurchschnittlichen Valideneinkommen geführt haben, ohne weiteres durch Aufrechnung auf ein durchschnittliches Einkommen Rechnung zu tragen wäre. Solches stünde in klarem Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung, wonach nur Erwerbseinbussen berücksichtigt werden können, die auf eine Gesundheitsbeeinträchtigung zurückzuführen sind. Die Grundüberlegung, auf welcher die genannte Rechtsprechung beruht, ist die folgende: Wenn eine versicherte Person in derjenigen Tätigkeit, die sie als Gesunde ausgeführt hat, einen deutlich unterdurchschnittlichen Lohn erzielt, weil ihre persönlichen Eigenschaften (namentlich fehlende Ausbildung oder Sprachkenntnisse, ausländerrechtlicher Status) die Erzielung eines Durchschnittslohnes verunmöglichen, dann ist nicht anzunehmen, dass sie mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung behaftet einen (anteilmässig) durchschnittlichen Lohn erzielen könnte. Stellt man auf ein Valideneinkommen ab, das aus den genannten Gründen deutlich unter den branchenüblichen Ansätzen lag, dann dürfen deshalb diese invaliditätsfremden Faktoren auch bei der Festlegung des zumutbaren Invalidenlohnes nicht ausser Acht gelassen werden (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 362/88 vom 4. April 1989 E. 3b, in: ZAK 1989 S. 456). Die Parallelisierung der Einkommen trägt somit dem Umstand Rechnung, dass die versicherte Person als Invalide realistischerweise nicht den Tabellenlohn erzielen kann, weshalb ein entsprechend tieferes Invalideneinkommen anzunehmen ist (Urteil 9C_488/2008 vom 5. September 2008 E. 6.4, zusammengefasst in: SZS 2008 S. 570; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 428/04 vom 7. Juni 2006 E. 7.2.2; I 630/02 vom 5. Dezember 2003 E. 2.2.2). Nun führt es mathematisch zum gleichen Ergebnis, wenn das Invalideneinkommen reduziert, wie wenn das Valideneinkommen entsprechend erhöht wird. Deshalb ist es methodisch auch zulässig, das Valideneinkommen aufzurechnen, anstatt das Invalideneinkommen zu reduzieren (Urteil 9C_488/2008 vom 5. September 2008 E. 6.1). Das ändert aber nichts daran, dass es in Wirklichkeit darum geht, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass realistischerweise im Invaliditätsfall nur ein unterdurchschnittliches Invalideneinkommen erzielt werden kann. Die Abwertung des Invalideneinkommens ist entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (HARDY LANDOLT, Invaliditätsbemessung bei Schlechtverdienenden - Ein
BGE 135 V 58 S. 63
Methoden- oder auch ein Gerechtigkeitsproblem?, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2006, S. 31 ff., 70 f.) nicht ein Umweg, sondern im Gegenteil der Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung. Kann tatsächlich oder zumutbarerweise ein durchschnittliches Invalideneinkommen erzielt werden, dann besteht kein Grund, ein aus wirtschaftlichen Gründen unterdurchschnittliches Valideneinkommen auf ein durchschnittliches hochzurechnen. Denn mit einer solchen Vorgehensweise würden in gesetzwidriger Weise Einkommenseinbussen berücksichtigt, die nicht gesundheitlich bedingt sind. Entsprechend der gesetzlichen Regelung und entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist somit das (zumutbare) Invalideneinkommen nicht demjenigen Einkommen gegenüberzustellen, das ohne Gesundheitsbeeinträchtigung bei vollständiger Ausschöpfung des wirtschaftlichen Potenzials zumutbarerweise hätte erzielt werden können, sondern demjenigen, das konkret erzielt worden wäre.
3.4.4 Was an diesem Vorgehen verfassungswidrig oder diskriminierend sein soll, wie die Vorinstanz unter Berufung auf eine Lehrauffassung (LANDOLT, a.a.O., S. 56, 74 ff.) meint, ist nicht ersichtlich. Sachlich ungerechtfertigt wäre nur, ein deutlich unterdurchschnittliches Valideneinkommen einem durchschnittlichen Invalideneinkommen gegenüberzustellen, von dem realistischerweise nicht angenommen werden kann, dass es erzielt werden könnte (vorne E. 3.4.3; vgl. BGE 134 V 322 E. 6.2 S. 329, wo es um eine Versicherte ging, die infolge geringer Kenntnisse und Ausbildung ein sehr tiefes Valideneinkommen erzielt hatte, weshalb das zumutbare Invalideneinkommen entsprechend zu kürzen war, vgl. ebenda E. 4.3). Ist hingegen ein durchschnittliches Invalideneinkommen realistischerweise erzielbar bzw. zumutbar und wird dieses einem tiefen Valideneinkommen gegenübergestellt, das ohne Gesundheitsbeeinträchtigung erzielt worden wäre, so liegt darin keine methodische Ungleichbehandlung der Schlechtverdienenden. Eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung läge im Gegenteil vor, wenn bei Schlechterverdienenden anders als bei allen anderen Personen nicht das konkret im Gesundheitsfall erzielte, sondern ein höheres Valideneinkommen zugrunde gelegt würde; denn dadurch würde - wie dargelegt - ein nicht aus gesundheitlichen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen tiefes Einkommen ausgeglichen, was nicht Aufgabe der Invalidenversicherung ist.
3.4.5 An der dargelegten Regelung ändert auch der Umstand nichts, dass bei Versicherten, die im Aufgabenbereich tätig sind, für die
BGE 135 V 58 S. 64
Bemessung der Invalidität ein Betätigungsvergleich vorgenommen wird (Art. 28a Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 28a - 1 Die Bemessung des Invaliditätsgrades von erwerbstätigen Versicherten richtet sich nach Artikel 16 ATSG211. Der Bundesrat umschreibt die zur Bemessung des Invaliditätsgrades massgebenden Erwerbseinkommen sowie die anwendbaren Korrekturfaktoren.212 |
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1 | Die Bemessung des Invaliditätsgrades von erwerbstätigen Versicherten richtet sich nach Artikel 16 ATSG211. Der Bundesrat umschreibt die zur Bemessung des Invaliditätsgrades massgebenden Erwerbseinkommen sowie die anwendbaren Korrekturfaktoren.212 |
2 | Bei nicht erwerbstätigen Versicherten, die im Aufgabenbereich tätig sind und denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, wird für die Bemessung des Invaliditätsgrades in Abweichung von Artikel 16 ATSG darauf abgestellt, in welchem Masse sie unfähig sind, sich im Aufgabenbereich zu betätigen.213 |
3 | Bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind oder die unentgeltlich im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin mitarbeiten, wird der Invaliditätsgrad für diesen Teil nach Artikel 16 ATSG festgelegt. Waren sie daneben auch im Aufgabenbereich tätig, so wird der Invaliditätsgrad für diese Tätigkeit nach Absatz 2 festgelegt.214 In diesem Fall sind der Anteil der Erwerbstätigkeit oder der unentgeltlichen Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin und der Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich festzulegen und der Invaliditätsgrad in beiden Bereichen zu bemessen. |
3.4.6 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung schliesst nicht aus, dass auch bei Erwerbstätigen unter Umständen nicht auf das zuletzt erzielte Einkommen abgestellt wird. Das trifft bei selbstständig Erwerbenden dann zu, wenn aufgrund der Umstände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der Versicherte im Gesundheitsfall seine nicht einträgliche selbstständige Tätigkeit aufgegeben und eine besser entlöhnte andere Tätigkeit angenommen hätte (vgl. etwa Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 696/01 vom 4. April 2002 E. 4b/bb, in: Plädoyer 2002 3 S. 73 und AJP 2002 S. 1487; I 608/02 vom 23. April 2003 E. 3.2), oder dann, wenn die vor der Gesundheitsbeeinträchtigung ausgeübte selbstständige Tätigkeit wegen ihrer kurzen Dauer keine genügende Grundlage für die Bestimmung des Valideneinkommens darstellt, zumal in den ersten Jahren nach Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit üblicherweise aus verschiedenen Gründen (hohe Abschreibungsquote auf Neuinvestitionen etc.) die Betriebsgewinne gering sind (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 761/02 vom 5. März 2003 E. 3.2; so auch in dem von der Vorinstanz zitierten Urteil I 42/01 vom 16. Mai 2001). Wenn sich hingegen der Versicherte, auch als seine Arbeitsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war, über mehrere Jahre hinweg mit einem bescheidenen Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit begnügt hat, ist dieses für die Festlegung des Valideneinkommens massgebend, selbst wenn besser entlöhnte Erwerbsmöglichkeiten bestanden hätten (BGE 125 V 146 E. 5c/bb
BGE 135 V 58 S. 65
S. 157; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 428/04 vom 7. Juni 2006 E. 6.2; I 1/01 vom 31. Juli 2001 E. 4; I 335/04 vom 23. Dezember 2004 E. 3; I 232/02 vom 17. Dezember 2002 E. 2.3; I 696/01 vom 4. April 2002 E. 4a; MEYER-BLASER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 1997, S. 208). Das gilt auch dann, wenn beim Invalideneinkommen dem Versicherten aufgrund der Schadenminderungspflicht zugemutet wird, in eine einträglichere unselbstständige Tätigkeit zu wechseln (vgl. etwa Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 38/06 vom 7. Juni 2006 und I 116/03 vom 10. November 2003).
3.4.7 Vorliegend hat die Beschwerdegegnerin rund zehn Jahre lang eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt. Darin liegt keine kurze Dauer im Sinne der genannten Rechtsprechung. Es bestehen auch sonst keinerlei Anzeichen oder Anhaltspunkte, dass sie ohne die gesundheitliche Beeinträchtigung ihre Tätigkeit als Wirtin zugunsten einer besser entlöhnten Tätigkeit aufgegeben hätte. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wäre sie im Gesundheitsfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der bisherigen Tätigkeit verblieben. Es besteht deshalb kein Grund, das aus wirtschaftlichen Gründen unterdurchschnittliche Valideneinkommen auf einen durchschnittlichen Tabellenlohn aufzurechnen.