133 IV 49
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) 6S.171/2006 vom 15. Februar 2007
Regeste (de):
- Ausnützung der Notlage bzw. Abhängigkeit (Art. 193
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. 3 Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Angriffe auf die sexuelle Freiheit und Ehre; Systematik des Gesetzes (E. 4).
- Eine physiotherapeutische Behandlung begründet in der Regel keine Abhängigkeit im Sinne von Art. 193
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Der Therapeut, der seine Patientin über den Behandlungsinhalt täuscht und unvermittelt eine sexuelle Handlung an ihr vornimmt, begeht keine sexuelle Nötigung nach Art. 189
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. 3 Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. - Die Patientin ist zum Widerstand unfähig im Sinne von Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Regeste (fr):
- Abus de la détresse, respectivement lien de dépendance (art. 193 CP); contrainte sexuelle (art. 189 CP); actes d'ordre sexuel commis sur une personne incapable de discernement ou de résistance (art. 191 CP).
- Atteinte à la liberté et à l'honneur sexuels; systématique de la loi (consid. 4).
- En règle générale, un traitement physiothérapeutique ne crée pas un lien de dépendance au sens de l'art. 193 CP (consid. 5).
- Le thérapeute qui trompe sa patiente sur le contenu du traitement et commet soudainement sur elle un acte d'ordre sexuel, ne se rend pas coupable de contrainte sexuelle selon l'art. 189 CP (consid. 6).
- La patiente est incapable de résistance au sens de l'art. 191 CP, lorsqu'en raison de la position particulière de son corps elle se trouve dans l'incapacité de discerner l'atteinte du thérapeute à son intégrité sexuelle et que, par surprise, il abuse sexuellement d'elle (confirmation de la jurisprudence; consid. 7).
Regesto (it):
- Sfruttamento dello stato di bisogno rispettivamente di rapporti di dipendenza (art. 193 CP); coazione sessuale (art. 189 CP); atti sessuali con persone incapaci di discernimento o inette a resistere (art. 191 CP).
- Offese alla libertà ed all'onore sessuali; sistematica della legge (consid. 4).
- Di regola, un trattamento fisioterapico non crea un rapporto di dipendenza ai sensi dell'art. 193 CP (consid. 5).
- Il terapeuta che inganna la sua paziente sul contenuto del trattamento e improvvisamente compie un atto sessuale su di lei non si rende colpevole del reato di coazione sessuale previsto dall'art. 189 CP (consid. 6).
- La paziente è inetta a resistere giusta l'art. 191 CP, qualora, a causa della particolare posizione del suo corpo, non è in grado di discernere l'aggressione del terapeuta alla sua integrità sessuale e subisce inaspettatamente l'abuso sessuale da parte di quest'ultimo (conferma della giurisprudenza; consid. 7).
Sachverhalt ab Seite 50
BGE 133 IV 49 S. 50
A. Mit Anklageschrift vom 18. März 2005 erhob die Staatsanwaltschaft Zürich/Limmat Anklage gegen X. wegen Schändung im Sinne von Art. 191
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
B. Das Bezirksgericht Zürich sprach X. mit Urteil vom 21. Juni 2005 der Ausnützung einer Notlage gemäss Art. 193 Abs. 1
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C. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 6. Februar 2006 im Berufungsverfahren das Urteil des Bezirksgerichts im Schuldpunkt, reduzierte jedoch die erstinstanzlich ausgefällte Strafe auf 8 Monate Gefängnis und setzte die Genugtuung auf 4000 Franken fest.
D. X. führt gegen das obergerichtliche Urteil vom 6. Februar 2006 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. A. beantragt Abweisung der Beschwerde im Zivilpunkt.
BGE 133 IV 49 S. 51
Das Bundesgericht hat den Parteien mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 Gelegenheit gegeben, sich zur Anwendung von Art. 191
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Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Die Vorinstanz erachtet den massgebenden Anklagesachverhalt als vollumfänglich erstellt und stützt sich dabei insbesondere auf die glaubhaften Aussagen der Beschwerdegegnerin. Sie stellt in tatsächlicher Hinsicht für den Kassationshof verbindlich fest (Art. 277bis
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3.2 Die Vorinstanz nimmt die rechtliche Würdigung des Sachverhalts in Übereinstimmung mit der ersten kantonalen Instanz vor und schliesst unter Verweis auf deren Urteil zunächst die Tatbestände der sexuellen Nötigung (Art. 189
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
|
1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 133 IV 49 S. 52
des Beschwerdeführers sei als Ausnützung der Notlage im Sinne von Art. 193 Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
4. Das Gesetz regelt in seiner Systematik der strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität unter der Überschrift "Angriff auf die sexuelle Freiheit und Ehre" vorab die sexuellen Nötigungstatbestände (Art. 189
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 190 - 1 Wer gegen den Willen einer Person den Beischlaf oder eine beischlafsähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person den Beischlaf oder eine beischlafsähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer beischlafsähnlichen Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 192 |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 133 IV 49 S. 53
blosse Ausnützen vorbestehender gesellschaftlicher oder privater Machtverhältnisse ist noch keine zurechenbare Nötigungshandlung. Erforderlich ist eine "tatsituative Zwangssituation". Es genügt allerdings, wenn das Opfer zunächst in dem ihm möglichen Rahmen Widerstand leistet und der Täter in der Folge den Zwang aktualisiert (BGE 131 IV 107 E. 2.4 S. 111 f.). Der Tatbestand der Schändung nach Art. 191
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
5.
5.1 Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird nach Art. 193 Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
5.2 Das Opfer ist abhängig im Sinne des Tatbestandes, wenn es auf Grund eines im Gesetz genannten Umstandes nicht ungebunden bzw. frei ist und damit objektiv oder auch nur subjektiv auf den Täter angewiesen ist. Soweit es um ein Abhängigkeitsverhältnis geht, muss dieses die Entscheidungsfreiheit wesentlich einschränken. Für die Bestimmung des Ausmasses der Abhängigkeit sind die konkreten Umstände des Einzelfalles massgebend. Dem Abhängigkeitsverhältnis liegt in der Regel eine besondere Vertrauensbeziehung und immer ein ausgeprägtes Machtgefälle zu Grunde. Die Vorinstanz referiert ausführlich die in BGE 131 IV 114 E. 1 dargelegte Rechtsprechung. Darauf kann verwiesen werden.
5.3 Nach einhelliger Auffassung steht bei der "in anderer Weise" (als durch ein Arbeitsverhältnis oder eine Notlage) begründeten Abhängigkeit der sexuelle Missbrauch durch Psychotherapeuten im Vordergrund (BGE 128 IV 106 E. 3b S. 112). In der Psychotherapie vertraut sich der psychisch leidende Patient einseitig mit all seinen Problemen, Sorgen und Schwächen dem Behandelnden an und legt dabei ganz persönliche Gefühle, Phantasien, Ängste und Wünsche offen. Daraus kann sich im Verlaufe der Therapie eine
BGE 133 IV 49 S. 54
ausserordentlich intime Situation entwickeln, die zu einer hohen Verletzlichkeit des Patienten führt (BGE 124 IV 13 E. 2c/cc mit zahlreichen Hinweisen; BGE 128 IV 106 E. 3b S. 112). In der Regel ist die therapeutische Beziehung zwischen einem Psychotherapeuten und seinem Patienten von einem intensiven Vertrauensverhältnis geprägt. Auch führen die Therapien häufig, jedoch nicht zwingend, zu einem Machtgefälle und zu therapietypischen inneren Vorgängen, die einen für die Tat nach Art. 193
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
5.4 Ausgehend vom verbindlich festgestellten Sachverhalt ist nicht zu erkennen, dass die physiotherapeutische Behandlung die Patientin in ihrer Entscheidungsfreiheit (wesentlich) eingeschränkt haben soll. Dass sie seit Jahren unter einer angeschlagenen Gesundheit litt, die Physiotherapie gut verlief und ein persönlicher Austausch mit dem Therapeuten stattgefunden hat, lässt entgegen der Auffassung der Vorinstanz einen solchen Schluss nicht zu. Wohl ist nicht zu übersehen, dass sie dem Beschwerdeführer als Physiotherapeuten vertraute, doch ist ein Vertrauensverhältnis weder notwendig noch hinreichend für die Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne von Art. 193
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 133 IV 49 S. 55
nicht vor, was die Beschwerde zu Recht geltend macht. Der Missbrauch kann somit nicht auf eine in der Person der Beschwerdegegnerin begründete Abhängigkeit und eine dadurch gegebene Gefügigkeit zurückgeführt werden. Der Beschwerdeführer hat sich vielmehr ihre konkrete Situation während der Massage zunutze gemacht.
6.
6.1 Eine sexuelle Nötigung nach Art. 189 Abs. 1
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
6.2 Nach den insoweit zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid hat der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin nicht genötigt. Die Vorinstanz stellt verbindlich fest, die Patientin habe sich nach ihrer Unmutsreaktion nicht weiter zur Wehr gesetzt, weil sie sich davon überzeugen liess, die Massage am Steissbein sei durch die Behandlung geboten und das Ausziehen der Unterhosen wegen des Massageöls notwendig. Diese irrtümliche Annahme beruhte offenkundig auf der täuschenden Ankündigung des Beschwerdeführers, die Handlungen würden zur Massage gehören und sie solle sich entspannen, sowie auf ihrem Vertrauen in seine Fachkraft und Seriosität als Physiotherapeuten. Die (täuschende) Einflussnahme weist jedoch nicht die Erheblichkeit auf, die für die Annahme einer Nötigungshandlung erforderlich ist und eine mit Gewaltanwendung oder Bedrohung vergleichbare Intensität erreichen muss (BGE 131 IV 107 E. 2.4, BGE 131 IV 167 E. 3.1; BGE 128 IV 97 E. 2b mit ausführlicher Begründung und Hinweisen). Ebenso wenig lässt sich eine Nötigung im gewaltsamen Einführen der Finger in die Vagina erblicken. Die begriffliche Fassung des Tatbestandes spricht dafür, dass von einer logischen Differenz auszugehen ist zwischen der Nötigung und dem Vollzug der sexuellen Handlung, die in der Folge auf Grund der Nötigung geduldet werden muss. Im vorliegenden Fall fällt das Eindringen in die Vagina aber mit der Vornahme der sexuellen Handlung zeitlich zusammen. Da feststeht, dass die Beschwerdegegnerin keine Gegenwehr leistete und auch nicht leisten konnte, hat der Beschwerdeführer überhaupt keinen Widerstand überwunden. Damit scheidet eine sexuelle Nötigung nach Art. 189 Abs. 1
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
7.
7.1 Gemäss Art. 191
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 133 IV 49 S. 56
urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht.
7.2 Widerstandsunfähig ist, wer nicht im Stande ist, sich gegen ungewollte sexuelle Kontakte zu wehren. Die Bestimmung schützt somit Personen, die einen zur Abwehr ausreichenden Willen zum Widerstand gegen sexuelle Übergriffe nicht oder nicht sinnvoll bilden, äussern oder betätigen können. Dabei genügt, dass das Opfer nur vorübergehend zum Widerstand unfähig ist. Die Gründe für die Widerstandsunfähigkeit können dauernder oder vorübergehender, chronischer oder situationsbedingter Natur sein, also ebenso in schweren psychischen Defekten wie in einer hochgradigen Intoxikation durch Alkohol oder Drogen, in körperlicher Invalidität wie in einer Fesselung, in der besonderen Lage der Frau in einem gynäkologischen Stuhl (BGE 103 IV 165; BGE 119 IV 230 E. 3a S. 232 mit Hinweis) oder auch in einer Summierung von Schläfrigkeit, Alkoholisierung und einem Irrtum über die Identität des für den Ehemann gehaltenen Sexualpartners liegen (BGE 119 IV 230 E. 3a). Erforderlich ist nur, dass die Widerstandsfähigkeit gänzlich aufgehoben und nicht nur in irgendeinem Grad beeinträchtigt oder eingeschränkt ist. Bei blosser - z.B. alkoholbedingter - Herabsetzung der Hemmschwelle ist keine Widerstandsunfähigkeit gegeben (BGE 119 IV 230 E. 3a). Missbrauch liegt vor, wenn der Täter die Schutzlosigkeit des Opfers ausnützt (BGE 119 IV 230 E. 3a).
7.3 In BGE
103 IV 165 hat das Bundesgericht die Widerstandsunfähigkeit von Patientinnen bejaht, die auf einem gynäkologischen Untersuchungsstuhl lagen. Es führte aus, die Willensbetätigung der Frauen sei beeinträchtigt gewesen, weil sie wegen ihrer Lage auf dem Untersuchungsstuhl nicht sehen konnten, was mit ihnen geschah. In der Tat hänge eine willensmässige Reaktion von einer vorgängig durch die Sinne vermittelten äusseren Wahrnehmung ab. Falle aber das Sehen weg, so verbleibe den Frauen als anderweitige Wahrnehmung nur das körperliche Empfinden im Bereich des Geschlechtsteils. Das aber bedeute nichts anderes, als dass sie erst reagieren konnten, als der Täter bereits im Begriff war, sie zu missbrauchen (S. 166).
7.4 Der vorliegende Fall ist gleich zu entscheiden. Die nackt und auf dem Bauch liegende Patientin konnte wegen ihrer Lage auf dem Behandlungstisch ebenfalls nicht sehen, was mit ihr geschah. Den
BGE 133 IV 49 S. 57
sexuellen Übergriff nahm sie erst wahr, als sie seine Finger an ihrem Geschlechtsteil spürte und sich verkrampfte, also zu einem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer bereits begonnen hatte, sie zu missbrauchen. Die Vorinstanz nimmt insoweit zu Recht an, dass es der Patientin unmöglich war, den Angriff auf ihre geschlechtliche Integrität von vornherein abzuwehren. Soweit sie indessen das Vorliegen der Widerstandsunfähigkeit unter Hinweis auf die am Anfang erfolgte verbale Abwehr verneint, ist ihr nicht beizupflichten. Der Umstand, dass die Patientin anfänglich ihren Unmut kundtat und die Fortsetzung der Massage alsdann gewähren liess, vermag den Beschwerdeführer nicht zu entlasten. Wie oben bereits dargelegt (E. 6.2), nahm die Beschwerdegegnerin in Bezug auf die dem Übergriff vorangehenden Handlungen des Therapeuten irrtümlich an, diese gehörten zur Behandlung, und vertraute ihm, weshalb sie mit einem Eingriff in ihre Intimsphäre nicht rechnete. Dies mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass sie ihren Abwehrwillen erst verspätet bilden konnte, doch ist dies hier für die Frage der Widerstandsunfähigkeit im Tatzeitpunkt nicht von Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter sich zum Missbrauch anschickte im Wissen darum, dass sie den Angriff überhaupt nicht erkennen konnte, und damit ihre vorbestehende Wehrlosigkeit ausgenützt hat. Als sich die Beschwerdegegnerin Rechenschaft geben konnte, dass er in ihre Vagina eingedrungen war, war die Tat bereits vollendet. Ohne Belang bleibt daher, dass sie sich gegen die ungewollte sexuelle Handlung für ein paar Sekunden nicht zur Wehr setzte, weil sie vom Übergriff völlig überrumpelt wurde, ganz perplex und vor Überraschung wie weggetreten war. Denn eine vorübergehende Widerstandsunfähigkeit - wie hier - genügt für die Erfüllung des Tatbestandes.