119 IV 230
43. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Oktober 1993 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 189
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. 3 Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. - Eine Frau kann zum Widerstand unfähig sein, wenn sie nach einer Feier alkoholisiert zu Bett geht, vom Täter, den sie irrtümlich für ihren Mann hält, zärtlich und allmählich aus dem Schlaf geweckt und überraschend geschlechtlich missbraucht wird.
Regeste (fr):
- Art. 189 CP ancien; attentat à la pudeur d'une personne inconsciente ou incapable de résistance.
- Une femme peut être considérée comme incapable de résistance lorsque, s'étant couchée après une fête sous l'emprise de l'alcool, elle est sortie tout doucement et tendrement du sommeil par l'auteur, qu'elle prend par erreur pour son conjoint, et pénétrée par surprise, contre son gré.
Regesto (it):
- Art. 189 previgente CP; atti di libidine su donna inetta a resistere.
- Una donna può essere considerata come inetta a resistere quando, essendosi coricata dopo una festa, sotto l'influenza dell'alcool, venga destata teneramente poco a poco dal sonno dall'agente, da lei scambiato per il marito, e debba subire inopinatamente la congiunzione carnale.
Sachverhalt ab Seite 230
BGE 119 IV 230 S. 230
X. feierte gemeinsam mit den Ehepaaren B. und M. den Silvester 1989. Im Anschluss an die Feier, bei welcher auch Alkohol getrunken wurde, legte man sich in der Wohnung der Eheleute B. in Zürich schlafen. Den Eheleuten M. wurde das Kinderzimmer zugeteilt, wobei Frau M. mit ihrem viermonatigen Sohn auf der unteren und
BGE 119 IV 230 S. 231
ihr Ehemann auf der oberen Liegefläche eines Kajütenbettes schliefen. X. nächtigte in einem Schlafsack im Wohnzimmer. In den frühen Morgenstunden des 1. Januar 1990 näherte sich X. der mit dem Rücken zum Raum schlafenden Frau M., legte sich zu ihr und umarmte sie zärtlich von hinten. Als er sie sanft auf den Fussboden hob, nahm sie an, es handle sich um ihren Ehemann, der von einem mit X. noch spät unternommenen Lokalbesuch heimgekommen sei und sie nun liebkose. Auch spürte sie, dass der sie umarmende Mann - wie ihr Ehegatte - einen Lockenkopf und einen Schnauz hatte. Darauf vollzog X. mit ihr sehr rasch den Geschlechtsverkehr. Die Bezirksanwaltschaft Zürich erhob gegen X. Anklage wegen Schändung im Sinne von Art. 189
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Gemäss der bis zum 30. September 1992 geltenden Fassung von Art. 189 Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
BGE 119 IV 230 S. 232
haben, auch auf die Literatur zum neuen Recht zurückgegriffen werden. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer mit der Geschädigten den ausserehelichen Beischlaf vollzogen hat. Die Vorinstanz geht nicht davon aus, dass die Geschädigte bewusstlos war. Zu prüfen ist deshalb, ob sie im Sinne von Art. 189
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
3. a) Die Strafnorm von Art. 189
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
BGE 119 IV 230 S. 233
Hause gekommen sei und sie umarme, wie er dies auch sonst gelegentlich bei der Heimkehr zu tun pflege. Sie habe daher die Umarmung genossen und weitergeschlafen. In der Folge sei sie durch die Liebkosungen des Beschwerdeführers und das "Aus-dem-Bett-Heben" langsam aufgeweckt worden. Sie habe an den Kopf des Mannes gegriffen und festgestellt, dass dieser - ebenso wie ihr Mann - einen Wuschelkopf und einen Schnauz hatte. Nach wie vor habe sie sich aber noch im Halbschlaf befunden und sei unter Wirkung des genossenen Alkohols gestanden. Als ein Finger heftig in ihre Scheide eingeführt worden sei, habe sie gefragt, "wer das sei". Unmittelbar darauf habe der Mann sein Glied eingeführt und "bitte, bitte" gesagt. Zusammenfassend stellte die Vorinstanz fest: "Die Widerstandsunfähigkeit der Geschädigten setzte sich also aus folgenden einzelnen Komponenten zusammen: Schlaf - Halbschlaf - Schläfrigkeit, Angetrunkenheit/Betrunkenheit und Irrtum in bezug auf die Person des Täters." Unter den gegebenen Umständen hat die Vorinstanz die Widerstandsunfähigkeit zu Recht bejaht. Die Geschädigte befand sich - insofern vergleichbar mit der Konstellation in BGE 103 IV 165 - in einer Situation, in der sie nicht damit rechnen musste, von einem Fremden sexuell angegangen zu werden. Soweit sie in die Handlungen des Beschwerdeführers einwilligte, geschah dies nur in der Annahme, der Beschwerdeführer sei ihr Ehemann. Schon deshalb konnte ihre Einwilligung den Tatbestand nicht ausschliessen (vgl. LAUFHÜTTE, Leipziger Kommentar, 10. A., § 179 N 12 f.; HORN, Systematischer Kommentar, § 179 N 13). Die von der Vorinstanz genannten Faktoren der Schläfrigkeit, der Alkoholisierung und des Irrtums haben deshalb in ihrer Summierung die Widerstandsfähigkeit der Geschädigten vollständig aufgehoben. b) Weiter stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer Kenntnis vom Zustand der Geschädigten hatte. Die Vorinstanz stellte diesbezüglich fest, aus den Aussagen der Geschädigten sei klar ersichtlich, dass der Beschwerdeführer den Geschlechtsverkehr in Kenntnis ihres widerstandsunfähigen Zustandes vollzogen habe. Er habe "bitte, bitte" gesagt, woraus sich sein Wissen darum ergebe, dass die Geschädigte in normalem Zustand nicht zum Geschlechtsverkehr mit ihm bereit gewesen wäre. Es sei nicht ersichtlich, wie die Geschädigte in ihrem Zustand die in ihr auftauchende Frage nach der Identität des Mannes anders als mit der Frage, wer er sei, hätte ausdrücken können. Diese Frage aber habe sie gestellt. Zudem habe der Beschwerdeführer nie mit ihrer Einwilligung rechnen können; denn
BGE 119 IV 230 S. 234
einerseits habe zwischen den beiden keine Anziehung in sexueller Hinsicht bestanden und andererseits habe der Ehemann der Geschädigten im selben Zimmer geschlafen. Zusammengefasst führte die Vorinstanz aus, der Beschwerdeführer habe damit gerechnet, "dass die nach Alkoholkonsum schlafende Geschädigte als Ehefrau und Mutter, welche mit ihrem vier Monate alten Säugling im Bett lag und welche das Zimmer für ihre Familie zur ausschliesslichen Benutzung zugewiesen erhalten hatte, ihm keinen Widerstand würde leisten können". Es ist nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus der Beschwerde, inwieweit die Vorinstanz mit diesen Erwägungen den Vorsatz des Beschwerdeführers in Verletzung von Bundesrecht bejaht haben sollte.