130 III 579
75. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft, Kanton Tessin und Gemeinde Muralto (Beschwerde) 7B.57/2004 vom 19. Juli 2004
Regeste (de):
- Arrestvollzug (Art. 275
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 275 - Die Artikel 91-109 über die Pfändung gelten sinngemäss für den Arrestvollzug.
- Fehlt im Arrestbefehl die Angabe des Namens von Dritten, denen Vermögenswerte des Arrestschuldners lediglich formell gehören sollen, ist der Arrestbefehl insoweit nicht durchführbar (E. 2.1-2.2.2). Das Betreibungsamt darf über entsprechende Dritte nicht selber Nachforschungen machen oder Auskünfte verlangen (E. 2.2.3). Die Steuerbehörde muss als Arrestbehörde selber im Arrestbefehl die Namen von Dritten angeben, die lediglich formell Vermögenswerte des Schuldners halten (E. 2.2.4).
Regeste (fr):
- Exécution du séquestre (art. 275 LP).
- Dans la mesure où elle n'indique pas les noms des tiers auxquels doivent appartenir à titre simplement formel des biens du débiteur, l'ordonnance de séquestre est inexécutable (consid. 2.1-2.2.2). L'office des poursuites n'a pas à faire lui-même des investigations ou exiger des renseignements sur les tiers concernés (consid. 2.2.3). L'autorité fiscale, en tant qu'autorité de séquestre, doit indiquer elle-même dans l'ordonnance de séquestre les noms des tiers qui détiennent à titre simplement formel des biens du débiteur (consid. 2.2.4).
Regesto (it):
- Esecuzione del sequestro (art. 275 LEF).
- Il decreto di sequestro è ineseguibile nella misura in cui non indica i nomi dei terzi ai quali i beni del debitore dovrebbero appartenere solo formalmente (consid. 2.1-2.2.2). L'Ufficio di esecuzione medesimo non può effettuare indagini o domandare informazioni su tali terzi (consid. 2.2.3). Quale autorità che ordina il sequestro, l'autorità fiscale deve indicare nel decreto di sequestro i nomi dei terzi che detengono solo formalmente i beni del debitore (consid. 2.2.4).
Sachverhalt ab Seite 579
BGE 130 III 579 S. 579
A. Die Schweizerische Eidgenossenschaft, der Kanton Tessin und die Gemeinde Muralto erliessen durch das Ufficio esazione e
BGE 130 III 579 S. 580
condoni des Kantons am 21. Januar 2004 gegenüber X., Monaco, gestützt auf Sicherstellungsverfügungen drei Arrestbefehle (Nrn. 1, 2, 3) für Steuerforderungen im Umfang von insgesamt über 33 Mio. Franken. In den Arrestbefehlen wurden die Arrestgegenstände wie folgt bezeichnet: "Bei der Bank Z., 7500 St. Moritz, alle Guthaben des Arrestschuldners; insbesondere Kontoguthaben, Wertschriften, Edelmetalle, Treuhanddepots, Safe-Inhalte, die auf den Namen des Schuldners oder auf den Namen von Frau Y., gestorben am 20.03.2003, lauten; wie auch jeden Wert, keinen ausgeschlossen, welcher entweder auf den Namen des Schuldners oder auf den Namen von Frau Y. eingetragen und/oder in dessen Eigentum ist oder bei dem der Schuldner oder Frau Y. als Wirtschaftsberechtigter sich erweist. Insbesondere das Konto A., das Konto n. 4 und das Konto n. 5. Alles soweit verarrestierbar, bis zur Deckung der Arrestforderung nebst Zinsen und Kosten." Das Betreibungsamt Oberengadin vollzog die Arreste am 22. Januar 2004 gemäss Arrestbefehlen und nannte als Arrestgegenstände - in wörtlicher Wiederholung der Angaben in den Arrestbefehlen - auch jeden Vermögenswert bei der Bank Z. in St. Moritz, bei dem sich "der Schuldner oder Frau Y. als [wirtschaftlich berechtigt] erweist". Hiergegen erhob die Bank Z. Beschwerde mit dem Begehren, die Arreste seien insoweit aufzuheben, als die Arrestlegung auf allfällige Vermögenswerte und Guthaben angeordnet worden sei, bei denen X. und/oder Y. als wirtschaftlich Berechtigte erscheinen.
B. Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 16. März 2004 gut und hob den Arrestvollzug des Betreibungamtes insoweit auf, als er sich auf Vermögenswerte bei der Bank Z. in St. Moritz bezieht, welche nicht auf den Namen von X. oder Y. lauten, sondern diese lediglich daran wirtschaftlich Berechtigte sein sollen.
C. Die Schweizerische Eidgenossenschaft, der Kanton Tessin und die Gemeinde Muralto haben den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde mit Beschwerdeschrift vom 1. April 2004 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Bestätigung des Arrestvollzuges des Betreibungsamtes. Die Aufsichtsbehörde schliesst ohne Gegenbemerkungen (Art. 80
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 275 - Die Artikel 91-109 über die Pfändung gelten sinngemäss für den Arrestvollzug. |
BGE 130 III 579 S. 581
Die Bank Z. als Beschwerdegegnerin beantragt ebenfalls die Abweisung. Weitere Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Die Aufsichtsbehörde hat erwogen, dass die Formulierung in den Arrestbefehlen, wonach alle Werte des Schuldners bei der Beschwerdegegnerin in St. Moritz zu verarrestieren seien, bei denen sich erweise, dass X. oder Y. daran wirtschaftlich berechtigt seien, die Arrestgegenstände ungenügend spezifiziere und faktisch auf einen verpönten Sucharrest hinauslaufe. Weiter werde nirgends glaubhaft gemacht, dass die genannten Personen an Vermögenswerten, welche bei der Beschwerdegegnerin in St. Moritz lägen und auf den Namen Dritter lauteten, wirtschaftlich berechtigt seien. Der Arrestbefehl sei insoweit nichtig.
2.2 Strittig ist, ob die Aufsichtsbehörde den Arrestvollzug in Bezug auf die in den Arrestbefehlen verwendete Formulierung " [jeder Wert] ... bei dem [sich] der Schuldner oder Frau Y. als [wirtschaftlich berechtigt] erweist" aufheben durfte.
2.2.1 Die Aufsichtsbehörde bezieht sich mit ihrer Erwägung, dass die strittige Formulierung in den Arrestbefehlen die Arrestgegenstände ungenügend spezifiziere, auf den im Beschwerdeverfahren gerügten Umstand, dass im Arrestbefehl der Name derjenigen Person(en), die Vermögenswerte des Arrestschuldners ohne eigene wirtschaftliche Berechtigung hält (halten), nicht bezeichnet wird. Die Rechtsprechung leitet aus dem mit der SchKG-Revision eingeführten Art. 272 Abs. 1 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 272 - 1 Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476 |
|
1 | Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476 |
1 | seine Forderung besteht; |
2 | ein Arrestgrund vorliegt; |
3 | Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören. |
2 | Wohnt der Gläubiger im Ausland und bezeichnet er keinen Zustellungsort in der Schweiz, so ist das Betreibungsamt Zustellungsort. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 274 - 1 Das Gericht beauftragt den Betreibungsbeamten oder einen anderen Beamten oder Angestellten mit dem Vollzug des Arrestes und stellt ihm den Arrestbefehl zu.478 |
|
1 | Das Gericht beauftragt den Betreibungsbeamten oder einen anderen Beamten oder Angestellten mit dem Vollzug des Arrestes und stellt ihm den Arrestbefehl zu.478 |
2 | Der Arrestbefehl enthält: |
1 | den Namen und den Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten und des Schuldners; |
2 | die Angabe der Forderung, für welche der Arrest gelegt wird; |
3 | die Angabe des Arrestgrundes; |
4 | die Angabe der mit Arrest zu belegenden Gegenstände; |
5 | den Hinweis auf die Schadenersatzpflicht des Gläubigers und, gegebenen Falles, auf die ihm auferlegte Sicherheitsleistung. |
BGE 130 III 579 S. 582
d deren Vollzug aufzuheben (BGE 129 III 203 E. 2.3 S. 207), soweit Vermögenswerte, an denen X. und/oder Y. wirtschaftlich berechtigt seien, bei der Beschwerdegegnerin in St. Moritz zu verarrestieren seien.
2.2.2 An diesem Ergebnis vermag der Hinweis der Beschwerdeführer auf das Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 1999 (BlSchK 2000 S. 142) nichts zu ändern. Gegenstand des zitierten Urteils war ein anhand einzelner Bankkonten konkretisierter und zulässiger Gattungsarrest (vgl. dazu STOFFEL, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 29 zu Art. 272
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 272 - 1 Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476 |
|
1 | Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476 |
1 | seine Forderung besteht; |
2 | ein Arrestgrund vorliegt; |
3 | Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören. |
2 | Wohnt der Gläubiger im Ausland und bezeichnet er keinen Zustellungsort in der Schweiz, so ist das Betreibungsamt Zustellungsort. |
2.2.3 Die Beschwerdeführer versuchen ebenso vergeblich, aus BGE 129 III 239 etwas für sich abzuleiten. Wohl wird in diesem - ein Pfändungsverfahren betreffenden - Entscheid festgehalten, dass die Betreibungsbehörden gestützt auf Art. 91 Abs. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 91 - 1 Der Schuldner ist bei Straffolge verpflichtet: |
|
1 | Der Schuldner ist bei Straffolge verpflichtet: |
1 | der Pfändung beizuwohnen oder sich dabei vertreten zu lassen (Art. 323 Ziff. 1 StGB179); |
2 | seine Vermögensgegenstände, einschliesslich derjenigen, welche sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten anzugeben, soweit dies zu einer genügenden Pfändung nötig ist (Art. 163 Ziff. 1 und 323 Ziff. 2 StGB)180. |
2 | Bleibt der Schuldner ohne genügende Entschuldigung der Pfändung fern und lässt er sich auch nicht vertreten, so kann ihn das Betreibungsamt durch die Polizei vorführen lassen. |
3 | Der Schuldner muss dem Beamten auf Verlangen Räumlichkeiten und Behältnisse öffnen. Der Beamte kann nötigenfalls die Polizeigewalt in Anspruch nehmen. |
4 | Dritte, die Vermögensgegenstände des Schuldners verwahren oder bei denen dieser Guthaben hat, sind bei Straffolge (Art. 324 Ziff. 5 StGB) im gleichen Umfang auskunftspflichtig wie der Schuldner. |
5 | Behörden sind im gleichen Umfang auskunftspflichtig wie der Schuldner. |
6 | Das Betreibungsamt macht die Betroffenen auf ihre Pflichten und auf die Straffolgen ausdrücklich aufmerksam. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 275 - Die Artikel 91-109 über die Pfändung gelten sinngemäss für den Arrestvollzug. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 275 - Die Artikel 91-109 über die Pfändung gelten sinngemäss für den Arrestvollzug. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 275 - Die Artikel 91-109 über die Pfändung gelten sinngemäss für den Arrestvollzug. |
BGE 130 III 579 S. 583
den Arrestbefehlen ausdrücklich aufgeführten Konten - unabhängig davon, wer daran formell berechtigt ist - Auskunft verlangen. Wenn aber in den Arrestbefehlen die Namensangabe von Dritten, denen - nicht genannte - Vermögenswerte des Arrestschuldners lediglich formell gehören, fehlt, und die Arrestbefehle insoweit nicht durchführbar sind (E. 2.2.1), darf der Betreibungsbeamte zum Arrestvollzug nicht selber Nachforschungen über entsprechende Dritte machen oder von der Beschwerdegegnerin weitere Auskünfte verlangen. Auch vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis der Aufsichtsbehörde nicht zu beanstanden.
2.2.4 Die Aufsichtsbehörde hat - im Sinne einer Eventualerwägung - schliesslich festgehalten, es werde auch nirgends glaub haft gemacht, dass X. oder Y. an (weiteren) Vermögenswerten, welche bei der Beschwerdegegnerin in St. Moritz lägen und auf den Namen Dritter lauteten, wirtschaftlich berechtigt seien. Die Beschwerdeführer kritisieren die Auffassung der Vorinstanz mit Hinweis auf deren Überprüfungsbefugnis. Darüber zu entscheiden, ob dem Gläubiger die Glaubhaftmachung gelungen sei, dass gewisse Vermögenswerte entgegen dem formellen Anschein dem Arrestschuldner zustehen, ist in der Tat Sache des Arrestrichters (BGE 126 III 95 E. 4a a.E. S. 97), bzw. - falls nicht wie in Steuergesetzen ausgeschlossen - des Einspracherichters (BGE 129 III 203 E. 2.2 und 2.3 S. 206). Demnach hätte die Aufsichtsbehörde über entsprechende Vorbringen gar nicht entscheiden können, vielmehr bleibt in der alleinigen Befugnis der Beschwerdeführer als Arrestbehörde (Art. 170
SR 642.11 Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG) DBG Art. 170 Arrest - 1 Die Sicherstellungsverfügung gilt als Arrestbefehl nach Artikel 274 SchKG264. Der Arrest wird durch das zuständige Betreibungsamt vollzogen. |
|
1 | Die Sicherstellungsverfügung gilt als Arrestbefehl nach Artikel 274 SchKG264. Der Arrest wird durch das zuständige Betreibungsamt vollzogen. |
2 | Die Einsprache gegen den Arrestbefehl nach Artikel 278 SchKG ist nicht zulässig. |
SR 642.14 Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG) - Steuerharmonisierungsgesetz StHG Art. 78 Arrest - Die Kantone können Sicherstellungsverfügungen der zuständigen kantonalen Steuerbehörden den Arrestbefehlen nach Artikel 274 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889260 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) gleichstellen. Der Arrest wird vom zuständigen Betreibungsamt vollzogen. Die Einsprache gegen den Arrestbefehl nach Artikel 278 SchKG ist nicht zulässig. |
2.3 Nach dem Dargelegten ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid der Aufsichtsbehörde, mit welchem der Vollzug der Arrestbefehle insoweit aufgehoben worden ist, als er sich auf Vermögenswerte bei der Beschwerdegegnerin in St. Moritz bezieht, welche nicht auf den Namen von X. oder Y. lauten, sondern diese lediglich daran wirtschaftlich Berechtigte sein sollen, insgesamt vor Bundesrecht standhält.