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BGE-129-III-713


Urteilskopf

129 III 713

109. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Z. gegen Freizügigkeitsstiftung der Y. AG (Berufung) 5C.284/2002 vom 3. April 2003

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Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 713

BGE 129 III 713 S. 713

Aus den Erwägungen:

2. In ihrer Berufungsbegründung anerkennt die Klägerin ausdrücklich eine Anzeigepflichtverletzung im Sinne von Art. 6
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 6 - 1 Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam.
VVG (SR 221.229.1) ihres verstorbenen Ehemannes. Sie beschränkt ihre Berufungsbegründung auf die Geltendmachung von drei Mängeln der Rücktrittserklärung: Notwendigkeit einer Rücktrittserklärung der Beklagten gegenüber der Klägerin, verspätete Abgabe der Rücktrittserklärung der V. und mangelhafter Inhalt der Rücktrittserklärung.
BGE 129 III 713 S. 714

2.1 Unter Hinweis auf ein nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 18. März 1994 (5C.229/1993) macht die Klägerin geltend, die vorsorgliche Rücktrittserklärung der V. vom 15. Juli 1994 habe nicht den bundesrechtlichen Anforderungen an den Inhalt einer solchen Erklärung entsprochen und sei daher unwirksam. Gemäss diesem Urteil (erwähnt bei URS CH. NEF, Basler Kommentar zum VVG, N. 16 und 18 zu Art. 6
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 6 - 1 Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam.
VVG) muss eine derartige Rücktrittserklärung, um beachtlich zu sein, ausführlich ("de façon circonstanciée") auf die verschwiegene oder ungenau mitgeteilte Gefahrstatsache hinweisen. Eine Rücktrittserklärung, welche die ungenau beantwortete Frage nicht erwähnt, ist zu wenig ausführlich (E. 5b des erwähnten Urteils des Bundesgerichts vom 18. März 1994, unter Hinweis auf BGE 110 II 499, seit welchem Urteil die entscheidende Erwägung in publizierter Form vorliegt; abweichend - aber ausschliesslich unter Hinweis auf ältere Praxis - E. 3a des Urteils 5C.149/2000 vom 30. Oktober 2000). Den genannten Anforderungen genügt die Rücktrittserklärung vom 15. Juli 1994 nicht, wird doch daselbst lediglich von "Einsichtnahme in den ärztlichen Bericht über die Todesursache" und von "in casu eine Anzeigepflichtverletzung" gesprochen. Nähere Angaben werden erst in der - bestätigenden - Rücktrittserklärung der V. vom 6. September 1994 gemacht. Dem steht auch der Inhalt des erwähnten ärztlichen Berichts über die Todesursache vom 16. Juni 1994, auf welchen sich die Beklagte in ihrer Berufungsantwort beruft, nicht entgegen. Gemäss den einlässlichen - und verbindlichen (Art. 63 Abs. 2
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 6 - 1 Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam.
OG) - Feststellungen der Vorinstanz weist dieser Arztbericht nur einen ganz rudimentären Inhalt auf, wobei insbesondere "jegliche Details, die für die Beurteilung einer Anzeigepflichtverletzung wesentlich wären, ... fehlen". Es kann somit offen bleiben, ob die Auffassung der Beklagten zutreffend ist, die Behauptung der Klägerin, weder ihr noch der Beklagten sei der Arztbericht bekannt gegeben worden, sei vor Bundesgericht neu vorgetragen worden. Der Vollständigkeit halber ist noch festzuhalten, dass die - bestätigende - Rücktrittserklärung vom 6. September 1994 verspätet war. Angesichts des Umstandes, dass der Arztbericht vom 3. August 1994 spätestens am 8. August 1994 bei der V. eingegangen ist, erfolgte die Rücktrittserklärung vom 6. September 1994 nicht binnen der vierwöchigen Frist gemäss Art. 6
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 6 - 1 Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam.
VVG (vgl. Art. 77 Abs. 1 Ziff. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 77 - 1 Soll die Erfüllung einer Verbindlichkeit oder eine andere Rechtshandlung mit dem Ablaufe einer bestimmten Frist nach Abschluss des Vertrages erfolgen, so fällt ihr Zeitpunkt:
OR).
2.2 Ist mithin die vorliegend allein in Betracht fallende Rücktrittserklärung vom 15. Juli 1994 inhaltlich ungenügend, so liegt
BGE 129 III 713 S. 715

keine gültige Rücktrittserklärung im Sinne von Art. 6
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 6 - 1 Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam.
VVG vor. Entgegen der von der Beklagten in ihrer Berufungsantwort vertretenen Auffassung erweist es sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
ZGB, dass sich die Klägerin auf diesen Mangel berufen hat.
129 III 713 03. April 2003 31. Dezember 2004 Bundesgericht 129 III 713 BGE - Zivilrecht

Gegenstand Art. 6 VVG; Versicherungsvertrag; Anforderungen an eine Rücktrittserklärung. Um gültig zu sein, muss eine Rücktrittserklärung

Gesetzesregister
OG 63 OR 77
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 77 - 1 Soll die Erfüllung einer Verbindlichkeit oder eine andere Rechtshandlung mit dem Ablaufe einer bestimmten Frist nach Abschluss des Vertrages erfolgen, so fällt ihr Zeitpunkt:
VVG 6
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 6 - 1 Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam.
ZGB 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
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