Urteilskopf

128 III 339

62. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer i.S. A. und Mitb. (Beschwerde) 7B.34/2002 vom 10. Juli 2002

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Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 340

BGE 128 III 339 S. 340

Aus den Erwägungen:

4. a) Die Steigerungsbedingungen bilden (zusammen mit dem Lastenverzeichnis) die Grundlage der bevorstehenden Steigerung; sie bestimmen die Art und Weise der Steigerung, namentlich auch die Modalitäten des Zuschlags (AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., § 28 Rz. 47; vgl. auch FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 3. Aufl., § 31 Rz. 6). Nachträgliche Abänderungen der Steigerungsbedingungen sind nach Art. 52
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 52 - Nachträgliche Abänderungen der Steigerungsbedingungen sind nur zulässig, wenn sie neu aufgelegt, publiziert und den Beteiligten nach Artikel 139 SchKG speziell zur Kenntnis gebracht werden.
der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG; SR 281.42) nur zulässig, wenn diese neu aufgelegt, publiziert und den Beteiligten nach Massgabe von Art. 139
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 139 - Das Betreibungsamt stellt dem Gläubiger, dem Schuldner, einem allfälligen dritten Eigentümer des Grundstücks und allen im Grundbuch eingetragenen Beteiligten ein Exemplar der Bekanntmachung durch uneingeschriebenen Brief zu, wenn sie einen bekannten Wohnsitz oder einen Vertreter haben.
SchKG zur Kenntnis gebracht werden. Das gilt jedenfalls für Änderungen in Punkten, die den erwähnten Zweck betreffen und deshalb zum notwendigen Inhalt der Steigerungsbedingungen gehören. b) Auf Grund einer Information der für das bäuerliche Bodenrecht zuständigen kantonalen Behörde ging das Betreibungsamt ursprünglich davon aus, das zu verwertende Grundstück falle nicht unter das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11), so dass in den aufgelegten
BGE 128 III 339 S. 341

Steigerungsbedingungen ein Hinweis auf dieses Gesetz unterblieb. Nachdem das Amt sich wenige Tage vor dem Steigerungstermin vom Gegenteil überzeugt hatte, benachrichtigte es (telefonisch) die Beschwerdeführer. Am Steigerungstag gab es dem Gantpublikum bekannt, dass für den Erwerb des Grundstücks im Sinne von Art. 67
SR 211.412.11 Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB)
BGBB Art. 67 Zwangsversteigerung - 1 Bei einer Zwangsversteigerung muss der Ersteigerer die Bewilligung vorlegen oder die Kosten für eine neue Versteigerung hinterlegen und innert zehn Tagen nach erfolgtem Zuschlag ein Bewilligungsgesuch einreichen.
1    Bei einer Zwangsversteigerung muss der Ersteigerer die Bewilligung vorlegen oder die Kosten für eine neue Versteigerung hinterlegen und innert zehn Tagen nach erfolgtem Zuschlag ein Bewilligungsgesuch einreichen.
2    Reicht der Ersteigerer kein Gesuch ein oder wird die Bewilligung verweigert, so hebt die Steigerungsbehörde den Zuschlag auf und ordnet eine neue Versteigerung an.
3    Der erste Ersteigerer haftet für die Kosten einer erneuten Versteigerung.
BGBB eine Bewilligung der zuständigen Behörde notwendig sei. c) Fest steht somit, dass die Steigerungsbedingungen ohne neue Auflage um den Hinweis auf das BGBB erweitert worden sind. Es ist zu prüfen, ob das Betreibungsamt damit gegen Bundesrecht verstossen hat: aa) Art. 134 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 134 - 1 Die Steigerungsbedingungen sind vom Betreibungsamte in ortsüblicher Weise aufzustellen und so einzurichten, dass sich ein möglichst günstiges Ergebnis erwarten lässt.
1    Die Steigerungsbedingungen sind vom Betreibungsamte in ortsüblicher Weise aufzustellen und so einzurichten, dass sich ein möglichst günstiges Ergebnis erwarten lässt.
2    Dieselben werden mindestens zehn Tage vor der Steigerung im Lokal des Betreibungsamtes zu jedermanns Einsicht aufgelegt.
SchKG bestimmt, dass die Steigerungsbedingungen in ortsüblicher Weise aufzustellen und so einzurichten seien, dass sich ein möglichst günstiges Ergebnis erwarten lasse. Mit den Steigerungsbedingungen gilt es, vor allem auch diejenigen Personen anzusprechen, die an der spezifischen Nutzung, die das zu verwertende Grundstück allenfalls zulässt, interessiert sind. Im Hinblick auf das anzustrebende bestmögliche Verwertungsergebnis ist es bei einem landwirtschaftlichen Grundstück unerlässlich, mit einem Hinweis auf das BGBB (auch) in den Steigerungsbedingungen die besonderen Eigenschaften des Grundstücks hervorzuheben. In den in Art. 86
SR 211.412.11 Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB)
BGBB Art. 86 Anmerkung im Grundbuch - 1 Im Grundbuch sind anzumerken:
1    Im Grundbuch sind anzumerken:
a  landwirtschaftliche Grundstücke in der Bauzone, die diesem Gesetz unterstellt sind (Art. 2);
b  nichtlandwirtschaftliche Grundstücke ausserhalb der Bauzone, die diesem Gesetz nicht unterstellt sind (Art. 2).
2    Der Bundesrat bestimmt die Ausnahmen von der Anmerkungspflicht und regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Anmerkung von Amtes wegen gelöscht wird.
BGBB festgelegten Fällen ergibt sich aus der im Grundbuch erfolgten Anmerkung, ob das Grundstück vom genannten Gesetz erfasst wird. bb) Stellt sich heraus, dass in den aufgelegten Steigerungsbedingungen, aus welchem Grund auch immer, zu Unrecht nicht auf die Anwendbarkeit des BGBB bzw. auf die sich daraus ergebende Bewilligungspflicht hingewiesen worden ist, sind die Steigerungsbedingungen nach dem Gesagten unter Beachtung des in Art. 52
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 52 - Nachträgliche Abänderungen der Steigerungsbedingungen sind nur zulässig, wenn sie neu aufgelegt, publiziert und den Beteiligten nach Artikel 139 SchKG speziell zur Kenntnis gebracht werden.
VZG festgelegten Verfahrens abzuändern bzw. zu ergänzen, neu aufzulegen und bekannt zu machen. Das Vorgehen des Betreibungsamtes im vorliegenden Fall war mithin unzulässig: Das Amt hätte die Steigerung absetzen und nach der genannten Bestimmung verfahren müssen (dazu MAGDALENA RUTZ, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel 1998, N. 14 zu Art. 125
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 125 - 1 Die Verwertung geschieht auf dem Wege der öffentlichen Steigerung. Ort, Tag und Stunde derselben werden vorher öffentlich bekanntgemacht.
1    Die Verwertung geschieht auf dem Wege der öffentlichen Steigerung. Ort, Tag und Stunde derselben werden vorher öffentlich bekanntgemacht.
2    Die Art der Bekanntmachung sowie die Art und Weise, der Ort und der Tag der Steigerung werden vom Betreibungsbeamten so bestimmt, dass dadurch die Interessen der Beteiligten bestmögliche Berücksichtigung finden. Die Bekanntmachung durch das Amtsblatt ist in diesem Falle nicht geboten.
3    Haben der Schuldner, der Gläubiger und die beteiligten Dritten in der Schweiz einen bekannten Wohnort oder einen Vertreter, so teilt ihnen das Betreibungsamt wenigstens drei Tage vor der Versteigerung deren Zeit und Ort durch uneingeschriebenen Brief mit.250
SchKG).
5. a) Der dargelegte Mangel in der Vorbereitung der Steigerung ist so schwerwiegend, dass er an sich die Aufhebung des mit der Beschwerde angefochtenen Steigerungszuschlags zu rechtfertigen vermag. Der Zuschlag ist jedoch nicht etwa nichtig. Es liegt kein Verstoss gegen eine Bestimmung vor, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren nicht Beteiligten erlassen
BGE 128 III 339 S. 342

worden ist (vgl. Art. 22 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 22 - 1 Verstossen Verfügungen gegen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassen worden sind, so sind sie nichtig. Unabhängig davon, ob Beschwerde geführt worden ist, stellen die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen die Nichtigkeit einer Verfügung fest.
1    Verstossen Verfügungen gegen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassen worden sind, so sind sie nichtig. Unabhängig davon, ob Beschwerde geführt worden ist, stellen die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen die Nichtigkeit einer Verfügung fest.
2    Das Amt kann eine nichtige Verfügung durch Erlass einer neuen Verfügung ersetzen. Ist bei der Aufsichtsbehörde ein Verfahren im Sinne von Absatz 1 hängig, so steht dem Amt diese Befugnis bis zur Vernehmlassung zu.
SchKG). Die Durchsetzung des BGBB ist ohnehin dadurch gewährleistet, dass der Steigerungszuschlag aufgehoben wird, falls der Ersteigerer nicht in der Lage ist, fristgerecht eine Bewilligung beizubringen (Art. 67 Abs. 2
SR 211.412.11 Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB)
BGBB Art. 67 Zwangsversteigerung - 1 Bei einer Zwangsversteigerung muss der Ersteigerer die Bewilligung vorlegen oder die Kosten für eine neue Versteigerung hinterlegen und innert zehn Tagen nach erfolgtem Zuschlag ein Bewilligungsgesuch einreichen.
1    Bei einer Zwangsversteigerung muss der Ersteigerer die Bewilligung vorlegen oder die Kosten für eine neue Versteigerung hinterlegen und innert zehn Tagen nach erfolgtem Zuschlag ein Bewilligungsgesuch einreichen.
2    Reicht der Ersteigerer kein Gesuch ein oder wird die Bewilligung verweigert, so hebt die Steigerungsbehörde den Zuschlag auf und ordnet eine neue Versteigerung an.
3    Der erste Ersteigerer haftet für die Kosten einer erneuten Versteigerung.
BGBB). In Frage steht hier einzig die Pflicht des Betreibungsamtes, das bestmögliche Steigerungsergebnis anzustreben. Es geht mit andern Worten ausschliesslich um die Interessen des Schuldners und von am Verwertungsobjekt berechtigten Personen (vgl. JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., N. 14 zu Art. 125
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 125 - 1 Die Verwertung geschieht auf dem Wege der öffentlichen Steigerung. Ort, Tag und Stunde derselben werden vorher öffentlich bekanntgemacht.
1    Die Verwertung geschieht auf dem Wege der öffentlichen Steigerung. Ort, Tag und Stunde derselben werden vorher öffentlich bekanntgemacht.
2    Die Art der Bekanntmachung sowie die Art und Weise, der Ort und der Tag der Steigerung werden vom Betreibungsbeamten so bestimmt, dass dadurch die Interessen der Beteiligten bestmögliche Berücksichtigung finden. Die Bekanntmachung durch das Amtsblatt ist in diesem Falle nicht geboten.
3    Haben der Schuldner, der Gläubiger und die beteiligten Dritten in der Schweiz einen bekannten Wohnort oder einen Vertreter, so teilt ihnen das Betreibungsamt wenigstens drei Tage vor der Versteigerung deren Zeit und Ort durch uneingeschriebenen Brief mit.250
SchKG). b) Unter den hier gegebenen tatsächlichen Verhältnissen stellt sich auf Grund des Gesagten die Frage, ob die verfahrenswidrige Änderung bzw. Ergänzung der Steigerungsbedingungen mit der gegen den Zuschlag gerichteten Beschwerde rechtzeitig angefochten worden ist. Wie die Beschwerdeführer vorbringen, hat das Betreibungsamt ihnen vier Tage vor dem Steigerungstermin telefonisch mitgeteilt, dass das zu verwertende Grundstück entgegen seiner früheren Annahme vom BGBB erfasst werde. Ausführungen zum Inhalt des Telefongesprächs sind dem angefochtenen Entscheid nicht zu entnehmen. Insbesondere steht nicht fest, ob das Betreibungsamt klar zu erkennen gab, dass es die Steigerung am vorgesehenen Tag durchführen werde. Falls das Amt sich in diesem Sinne geäussert haben sollte, hätten die Beschwerdeführer mit Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde - unter Hinweis auf die vorzunehmende Ergänzung der Steigerungsbedingungen - die Verschiebung verlangen müssen. Auch im Falle, dass das weitere Vorgehen des Betreibungsamtes unklar geblieben sein sollte, durften die Beschwerdeführer nach der Information über die Unterstellung des Grundstücks unter das BGBB nicht untätig die Erteilung des Zuschlags abwarten. Falls ihnen nicht mitgeteilt worden sein sollte, die Steigerung werde verschoben, hätten sie zumindest erscheinen und vor Durchführung der Steigerung den Mangel im Vorbereitungsverfahren (verfahrenswidrige Ergänzung der Steigerungsbedingungen) rügen müssen. Sollten sie dies unterlassen haben, hätten sie - ähnlich einem Ersteigerer, der sich den Steigerungsbedingungen stillschweigend unterzieht (dazu vgl. BGE 123 III 406 E. 3 S. 409; BGE 121 III 24 E. 2b S. 26 f., mit Hinweisen) - ihr Beschwerderecht bezüglich dieses Punktes verwirkt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 128 III 339
Date : 10. Juli 2002
Published : 31. Dezember 2003
Source : Bundesgericht
Status : 128 III 339
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Steigerungsbedingungen (notwendiger Inhalt und nachträgliche Abänderung); Art. 134 Abs. 1 SchKG und Art. 52 VZG. Ist das


Legislation register
BGBB: 67  86
SchKG: 22  125  134  139
VZG: 52
BGE-register
121-III-24 • 123-III-406 • 128-III-339
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7B.34/2002
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