125 III 263
46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. April 1999 i.S. Lobos Informatik AG gegen Debita AG (Berufung)
Regeste (de):
- Software-Lizenzvertrag.
- Das in den allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehene Recht, die lizenzierte Software zu ändern, gilt nur insoweit, als die Abänderbarkeit der Software durch die individuellen Vertragsergänzungen nicht eingeschränkt wird. Tragweite der Aufklärungspflicht der Lizenzgeberin als Verfasserin des Lizenzvertrages über darin verwendete EDV-technische Begriffe (E. 4b).
- Wurde vertraglich vereinbart, dass die Installation der Software im Object Code erfolge, in der Folge aber auch der Source Code installiert, darf die Lizenznehmerin darin nach Treu und Glauben keine Offerte zur Vertragsänderung, mit der ihr ein unentgeltliches Nutzungsrecht am Source Code eingeräumt werden soll, erblicken (E. 4c).
Regeste (fr):
- Contrat de licence portant sur du software.
- Le droit prévu dans les conditions générales du contrat de modifier le software cédé sous licence ne vaut que dans la mesure où la modification du software n'est pas limitée par les dispositions complémentaires individuelles du contrat. Étendue du devoir de renseigner qui incombe au donneur de licence, en sa qualité d'auteur du contrat de licence, à propos des notions utilisées ayant trait à la technique du traitement électronique des données (consid. 4b).
- S'il était prévu contractuellement que l'installation du software ait lieu uniquement en «Object Code», mais que, par la suite, le «Source Code» a également été installé, le preneur de licence ne saurait y voir de bonne foi une offre de modifier le contrat en ce sens que lui est accordé un droit d'utiliser gratuitement le «Source Code» (consid. 4c).
Regesto (it):
- Contratto di licenza in materia di software.
- Il diritto previsto nelle condizioni generali del contratto di modificare il software concesso in licenza vale solamente nella misura in cui la modificabilità del software non è stata limitata da complementi contrattuali individuali. Portata dell'obbligo d'informazione a carico della concedente in merito ai concetti informatici utilizzati nel contratto, in quanto autrice dello stesso (consid. 4b).
- Qualora sia stata contrattualmente pattuita l'installazione del software solo in «Object Code», ma venga successivamente installato anche il «Source Code», il licenzatario non può in buona fede ravvedere in tale circostanza un'offerta tendente alla modifica del contratto, mediante la quale gli viene concessa la facoltà di utilizzare gratuitamente il «Source Code» (consid. 4c).
Sachverhalt ab Seite 264
BGE 125 III 263 S. 264
A.- Die Lobos Informatik AG und die Debita AG sind Parteien eines Lizenzvertrages vom 19. Dezember 1988 über Buchhaltungs-Software. Im Nachtrag zu diesem Vertrag wurde festgehalten, die Installation erfolge im Object Code; die Programme wurden dann aber sowohl im Object Code als auch im Source Code installiert. Am 25. Januar 1996 ersuchte die Debita AG die Lobos Informatik AG um Support per Modem. Letztere stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass das Programmmaterial seit dem 3. Mai 1993, d.h. seit der letzten von ihr selbst vorgenommenen Änderung, modifiziert worden war. Sie remonstrierte dagegen bei der Debita AG, doch kam es in der Folge zu keiner Einigung.
B.- Mit Klage vom 6. November 1996 beantragte die Lobos Informatik AG dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz unter anderem, die Debita AG zur Herausgabe der im Source Code abgespeicherten Programme und Programmteile sowie zur Rückgängigmachung der seit 4. Mai 1993 vorgenommenen Änderungen an diesen, eventuell zu deren ausschliesslicher Verwendung im Zustand vom 3. Mai 1993
BGE 125 III 263 S. 265
zu verpflichten. Das Kantonsgericht wies die Klage mit Urteil vom 4. August 1998 ab.
C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz vom 4. August 1998 insoweit auf, als es die genannten Begehren der Klägerin abweist, und weist die Streitsache insoweit zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Kantonsgericht zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4. Die Vorinstanz nahm an, da die Beklagte die Bedeutung der im Nachtrag zum Lizenzvertrag verwendeten Formulierung «Die Installation erfolgt im Object-Code» nicht habe kennen müssen, habe sie aufgrund des in Ziff. 5.4 des Lizenzvertrages statuierten umfassenden Rechts auf Abänderung des Lizenzmaterials davon ausgehen dürfen, ihr werde auch das Recht eingeräumt, über den Source Code zu verfügen. Diese Auffassung werde durch die Tatsache gestützt, dass die Klägerin den Source Code während Jahren bei der Beklagten beliess. Diese sei daher berechtigt, daran Änderungen vorzunehmen, und sei nicht zur Herausgabe verpflichtet. Die Klägerin macht geltend, der Source Code werde weder im Lizenzvertrag noch im Nachtrag je erwähnt und sei damit nicht Gegenstand der der Beklagten eingeräumten Rechte. Entgegen der Annahme der Vorinstanz hätte die Beklagte die Einschränkung ihres Änderungsrechts aufgrund der Formulierung «Die Installation erfolgt im Object-Code» auch ohne entsprechende Aufklärung seitens der Klägerin erkennen müssen. Zudem seien Lizenzverträge nach einer allgemeinen Regel in dem Sinne restriktiv auszulegen, als im Zweifel die Nichtübertragung einzelner Teilrechte anzunehmen sei; dies gelte vorliegend bezogen auf den Source Code umso mehr, als dieser allgemein nur ausnahmsweise an Dritte weitergegeben werde. Da gemäss Ziff. 5.1, 10.1 und 10.5 des Lizenzvertrages alle nachträglichen Vertragsänderungen der Schriftlichkeit bedürften, dürfe auch nicht von einer stillschweigenden Ausdehnung des Lizenzvertrages auf den Source Code ausgegangen werden. Dieser Auffassung stehe das im Lizenzvertrag statuierte Änderungsrecht nicht entgegen, weil Programmänderungen auch dann möglich seien, wenn das Programm allein in Form des Object Code zur Verfügung stehe. Es bestehe demnach kein Rechtsgrund für die Verweigerung
BGE 125 III 263 S. 266
der Herausgabe des Source Code an die Klägerin; allein die Tatsache, dass die Klägerin den Source Code bei der Beklagten beliess, vermöge keinen Rechtsübergang zu bewirken. a) Ein Nutzungsrecht an Software kann auf verschiedenen Rechtsgrundlagen erworben werden. In der Regel wird entweder ein - durch die vertraglichen Bestimmungen eingeschränktes - Eigentumsrecht an einer Programmkopie übertragen oder aber, im Falle eines echten Lizenzvertrages, die Software unter Einräumung eines Nutzungsrechts bloss leihweise überlassen (THOMANN, Grundriss des Softwareschutzes, Zürich 1992, S. 51 f.). Der Umfang des Nutzungsrechtes des Nehmers ergibt sich aus den Parteivereinbarungen, welche grundsätzlich nicht formpflichtig sind (Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht, 2. Auflage, Bern 1996, S. 132). Dies gilt auch für die Frage, ob dem Lizenznehmer der Source Code zur Verfügung gestellt wird oder nicht (BLICKENSTORFER, Der Sourcecode-Escrow, in: Thomann/Rauber (Hrsg.), Softwareschutz, Bern 1998, S. 213 f.). Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist bezüglich der Frage, ob die Beklagte aufgrund des Lizenzvertrages auch den Source Code nutzen, insbesondere diesen verändern dürfe, kein übereinstimmender tatsächlicher Parteiwille festzustellen. In diesem Fall sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzipes so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Das Bundesgericht prüft diese objektivierte Vertragsauslegung im Berufungsverfahren als Rechtsfrage (BGE 123 III 165 E. 3a S. 168; 121 III 118 E. 4b/aa S. 123 mit Hinweisen). b) aa) Die massgebliche Parteivereinbarung besteht aus einem «Lizenzvertrag für Programmprodukte» vom 19. Dezember 1988 und einem irrtümlich mit 13. Dezember 1988 datierten Nachtrag dazu. Der Lizenzvertrag sieht in Ziff. 1.3 und 6.1 vor, dass der Beklagten das Lizenzmaterial leihweise zur Verfügung gestellt wird, während das Eigentum daran bei der Klägerin verbleibt. Die Nutzungsdauer ist gemäss Ziff. 7 Abs. 1 des Nachtrages unbeschränkt, doch wurde die im Lizenzvertrag (Ziff. 2.6) vorgesehene Möglichkeit der Vertragskündigung beibehalten. Ein Anspruch der Beklagten auf Übertragung des Eigentums am Source Code, wie auch am Object Code, lässt sich demnach aus Lizenzvertrag und Nachtrag nicht ableiten. bb) Der Lizenzvertrag enthält allgemeine Vertragsbestimmungen, welche durch die Vereinbarungen im Nachtrag individuell konkretisiert werden. Ziff. 1.2 des Lizenzvertrages statuiert bei Widersprüchlichkeiten
BGE 125 III 263 S. 267
den Vorrang ausdrücklich anderslautender Bestimmungen des Nachtrages, was den allgemeinen Grundsätzen über das Verhältnis von individuellen zu allgemeinen Vertragsbedingungen entspricht (BGE 123 III 35 E. 2c/bb S. 44 mit Hinweis; KRAMER, Berner Kommentar, N. 210 f. zu Art. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
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1 | Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
2 | Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
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1 | Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
2 | Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. |
BGE 125 III 263 S. 268
EDV-technischen Begriffe vertraut waren, und dass sie demnach die Einschränkung ihres Abänderungsrechts erkannte und dieser zustimmte. Damit ist der Vertrag in diesem Sinne für beide Parteien bindend; ob sich die Beklagte allenfalls in einem Erklärungsirrtum befand, ist vorliegend nicht zu prüfen. Aus dem Lizenzvertrag und Nachtrag vom 19. Dezember 1988 kann demnach die Beklagte kein Recht auf Nutzung und Abänderung des Source Code ableiten. c) Nach dem Gesagten erbrachte die Klägerin mit der Installation des Source Code eine Leistung, zu der sie nicht verpflichtet war. Ob die Beklagte dies als Offerte zu einer Vertragsänderung verstehen durfte, mit welcher ihr ein Nutzungsrecht auch am Source Code eingeräumt werden sollte, ist, da die Vorinstanz keine tatsächliche Willensübereinstimmung feststellen konnte, wiederum nach Treu und Glauben zu beurteilen. Der im Lizenzvertrag vorgesehene Schriftlichkeitsvorbehalt steht der Annahme einer entsprechenden Vertragsänderung nicht von vornherein entgegen, kann doch namentlich auch durch konkludentes Handeln nachträglich auf die vorbehaltene Form verzichtet werden (BGE 105 II 75 E. 1 S. 78; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 45 zu Art. 16
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 16 - 1 Ist für einen Vertrag, der vom Gesetze an keine Form gebunden ist, die Anwendung einer solchen vorbehalten worden, so wird vermutet, dass die Parteien vor Erfüllung der Form nicht verpflichtet sein wollen. |
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1 | Ist für einen Vertrag, der vom Gesetze an keine Form gebunden ist, die Anwendung einer solchen vorbehalten worden, so wird vermutet, dass die Parteien vor Erfüllung der Form nicht verpflichtet sein wollen. |
2 | Geht eine solche Abrede auf schriftliche Form ohne nähere Bezeichnung, so gelten für deren Erfüllung die Erfordernisse der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftlichkeit. |
BGE 125 III 263 S. 269
Code durch die Beklagte für die Klägerin bedeutet, selbst die aus einem der Beklagten nicht verständlichen Grund erfolgte Installation deren Annahme, sie sei hierzu berechtigt, nicht zu rechtfertigen. d) Nach dem Gesagten ist die Beklagte nicht berechtigt, über den Source Code zu verfügen. Die Klägerin kann demnach die Herausgabe der im Source Code gespeicherten Programme sowie die Beseitigung bestehender bzw. das Verbot künftiger Schutzrechtsverletzungen verlangen, sofern sie für die Programme urheberrechtlichen Schutz beanspruchen kann. Computerprogramme gelten als Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes (Art. 2 Abs. 3
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 2 Werkbegriff - 1 Werke sind, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben. |
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1 | Werke sind, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben. |
2 | Dazu gehören insbesondere: |
a | literarische, wissenschaftliche und andere Sprachwerke; |
b | Werke der Musik und andere akustische Werke; |
c | Werke der bildenden Kunst, insbesondere der Malerei, der Bildhauerei und der Graphik; |
d | Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt wie Zeichnungen, Pläne, Karten oder plastische Darstellungen; |
e | Werke der Baukunst; |
f | Werke der angewandten Kunst; |
g | fotografische, filmische und andere visuelle oder audiovisuelle Werke; |
h | choreographische Werke und Pantomimen. |
3 | Als Werke gelten auch Computerprogramme. |
3bis | Fotografische Wiedergaben und mit einem der Fotografie ähnlichen Verfahren hergestellte Wiedergaben dreidimensionaler Objekte gelten als Werke, auch wenn sie keinen individuellen Charakter haben.4 |
4 | Ebenfalls geschützt sind Entwürfe, Titel und Teile von Werken, sofern es sich um geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter handelt. |
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 2 Werkbegriff - 1 Werke sind, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben. |
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1 | Werke sind, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben. |
2 | Dazu gehören insbesondere: |
a | literarische, wissenschaftliche und andere Sprachwerke; |
b | Werke der Musik und andere akustische Werke; |
c | Werke der bildenden Kunst, insbesondere der Malerei, der Bildhauerei und der Graphik; |
d | Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt wie Zeichnungen, Pläne, Karten oder plastische Darstellungen; |
e | Werke der Baukunst; |
f | Werke der angewandten Kunst; |
g | fotografische, filmische und andere visuelle oder audiovisuelle Werke; |
h | choreographische Werke und Pantomimen. |
3 | Als Werke gelten auch Computerprogramme. |
3bis | Fotografische Wiedergaben und mit einem der Fotografie ähnlichen Verfahren hergestellte Wiedergaben dreidimensionaler Objekte gelten als Werke, auch wenn sie keinen individuellen Charakter haben.4 |
4 | Ebenfalls geschützt sind Entwürfe, Titel und Teile von Werken, sofern es sich um geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter handelt. |