Urteilskopf

125 I 46

5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. November 1998 i.S. X. gegen Amtsstatthalteramt Sursee, Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 47

BGE 125 I 46 S. 47

A. ist Geschäftsführer des Dancings B. im Kanton Luzern. Das Amtsstatthalteramt Sursee eröffnete gegen A. im Mai 1995 eine Strafuntersuchung wegen Verdachts der Förderung der Prostitution und weiterer Delikte. In diesem Strafverfahren wurden in der Zeit vom 16. Juni 1995 bis 27. Oktober 1995 vier Telefonanschlüsse im Dancing B. abgehört. Gestützt auf sog. Zufallsfunde aus diesen Überwachungen wurde im September 1995 gegen Rechtsanwalt X. ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei und im Oktober 1995 ein solches wegen mehrfacher Anstiftung zu falschem Zeugnis eröffnet. X. ist der Schwager von A. und war vom 30. Mai 1995 bis 21. Juni 1995 dessen Verteidiger in der hängigen Strafsache. Das Amtsstatthalteramt Sursee unterbreitete der Kriminal- und Anklagekommission (im folgenden abgekürzt: KAK) des Obergerichts des Kantons Luzern im August 1997 zwölf Protokolle über Gespräche aus den erwähnten Telefonüberwachungen und ersuchte sie, die Protokolle im Strafverfahren gegen X. zur Verwendung zuzulassen. Die KAK entsprach diesem Gesuch mit Entscheid vom 16. Juni 1998. X. reichte dagegen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und Art. 36 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
1    Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2    Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3    Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4    Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
BV sowie von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK ein. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die KAK zwölf Abhörprotokolle der im Strafverfahren gegen A. überwachten Telefonanschlüsse zur Verwendung im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer zugelassen. Dieser macht geltend, der Entscheid verletze das Telefongeheimnis gemäss Art. 36 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
1    Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2    Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3    Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4    Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
BV und Art. 8 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK sowie das Willkürverbot nach Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. a) Art. 36 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
1    Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2    Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3    Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4    Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
BV und Art. 8 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK garantieren das Telefongeheimnis. Sie schützen damit die persönliche Geheimsphäre der am Telefonverkehr beteiligten Personen. Die Verfassungsgarantie
BGE 125 I 46 S. 48

kann eingeschränkt werden, sofern die Einschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. In ähnlicher Weise kann nach Art. 8 Ziff. 2
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK in das durch die EMRK gewährleistete Telefongeheimnis eingegriffen werden, wenn dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (BGE 122 I 182 E. 3a; BGE 120 Ia 314 E. 2a). b) Die Überwachung des Telefonverkehrs ist im Kanton Luzern in den §§ 117 ff. des Gesetzes über die Strafprozessordnung (StPO) geregelt. § 117 StPO umschreibt die Voraussetzungen der Telefonabhörung wie folgt: "Der Amtsstatthalter und der Staatsanwalt können den Post-, Telefon- und Telegrafenverkehr des Angeschuldigten überwachen und Sendungen beschlagnahmen lassen sowie technische Überwachungsgeräte einsetzen, wenn 1. ein Verbrechen oder ein Vergehen, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt, oder eine mit Hilfe des Telefons begangene Straftat verfolgt wird und 2. der Angeschuldigte der Tat dringend verdächtigt ist und wenn 3. die Untersuchung ohne die Überwachung wesentlich erschwert würde oder andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind. Sind die Voraussetzungen beim Angeschuldigten erfüllt, so können Dritte überwacht werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass sie für ihn bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben. Ausgenommen sind Personen, die gemäss § 93 das Zeugnis verweigern dürfen. Der Telefonanschluss Dritter kann stets überwacht werden, wenn der Verdacht begründet ist, dass der Angeschuldigte ihn benutzt." Hinsichtlich der Verwendung der Ergebnisse der Überwachung legt § 117sexies Abs. 1 StPO Folgendes fest: "Soweit die Ergebnisse für die Untersuchung nicht notwendig sind oder aus dem Verkehr mit Personen herrühren, denen gemäss § 93 das Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, dürfen sie im Verfahren nicht verwendet werden. Briefe, Sendungen und Telegramme dieser Art sind, sobald es die Untersuchung erlaubt, den Adressaten zuzustellen. Allfällig erstellte Kopien sowie Aufzeichnungen über Telefongespräche und über andere Überwachungsmassnahmen sind unter Verschluss zu halten und nach Abschluss des Verfahrens zu vernichten, sofern im Einstellungsbeschluss oder im Urteil nichts anderes verfügt wird."

BGE 125 I 46 S. 49

c) Da die Telefonüberwachung einen schweren Eingriff in das Telefongeheimnis darstellt, prüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei (BGE 122 I 182 E. 5). Soweit jedoch reine Sachverhaltsfeststellungen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht grundsätzlich nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz willkürlich sind (vgl. BGE 123 I 268 E. 2d).
5. Deckt eine Telefonüberwachung Beweise für allfällige Straftaten eines Dritten auf, so liegt ein sog. Zufallsfund vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dürfen Zufallsfunde aus rechtmässigen Telefonüberwachungen grundsätzlich verwertet und im Strafverfahren gegen den mit abgehörten Gesprächspartner als Beweismittel verwendet werden, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen zur Telefonüberwachung des Gesprächspartners aufgrund einer nachträglichen Prüfung ebenfalls erfüllt sind (BGE 122 I 182 E. 3b und 4c; BGE 120 Ia 314 E. 2c). Die hier in Frage stehenden Abhörprotokolle enthalten Aufzeichnungen über Gespräche aus den rechtmässigen Telefonüberwachungen im Strafverfahren gegen A. Der Beschwerdeführer war Gesprächspartner von C., der Benützerin der abgehörten Telefonanschlüsse. Durch die Überwachungsmassnahme geriet er - zufällig - in Verdacht, Straftaten begangen zu haben. Die KAK hatte im angefochtenen Entscheid darüber zu befinden, ob die Abhörprotokolle im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer als Beweismittel verwendet werden dürften. Sie hat entsprechend der erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichts geprüft, ob der durch die Zufallsfunde in Verdacht geratene Beschwerdeführer selber einer Telefonüberwachung hätte unterworfen werden können. Die KAK gelangte zum Schluss, die in § 117 Abs. 1 Ziff. 1-3 StPO genannten Voraussetzungen für eine Telefonüberwachung wären in Bezug auf den Beschwerdeführer erfüllt gewesen. Sie verwarf sodann den Einwand des Beschwerdeführers, sein Berufsgeheimnis als Anwalt schütze ihn gemäss § 117sexies StPO vor der Verwendung der Abhörprotokolle über Gespräche, an denen er in seiner Funktion als Anwalt beteiligt gewesen sei.
6. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die abgehörten Gespräche als Anwalt geführt, und nach der Luzerner StPO dürften Überwachungsergebnisse aus dem Verkehr mit Berufsgeheimnisträgern unter keinen Umständen in einem Strafverfahren als Beweismittel verwendet werden. Er ist der Meinung, die KAK hätte deshalb gar nicht prüfen müssen, ob er selber nach § 117 Abs. 1
BGE 125 I 46 S. 50

Ziff. 1-3 StPO einer Telefonüberwachung hätte unterworfen werden können. Es kann offen bleiben, ob die Gespräche, die der Beschwerdeführer führte und die abgehört wurden, überhaupt eine Verbindung mit seiner Anwaltstätigkeit hatten und unter das Anwaltsgeheimnis fallen. Nach § 117sexies Abs. 1 StPO dürfen Überwachungsergebnisse, die aus dem Verkehr mit Personen herrühren, denen gemäss § 93 StPO das Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund des Berufsgeheimnisses zusteht, "im Verfahren" nicht verwendet werden. Damit ist das Strafverfahren gemeint, in welchem die Überwachungsmassnahme vorgenommen wurde. Wo z.B. aus dem Verkehr des Überwachten mit seinem Anwalt, seinem Arzt oder einem Geistlichen Aufzeichnungen über Gespräche ergehen, sind - im Verfahren gegen den überwachten Angeschuldigten - die daraus gewonnenen Erkenntnisse unverwertbar. Das hier massgebende Vertrauensverhältnis verdient Vorrang und muss unangetastet bleiben (ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches Strafprozessrecht, 3. Auflage, 1997, S. 301, Rz. 29 zu § 71). Die Vorschrift von § 117sexies Abs. 1 StPO besagt hingegen nicht, dass eine Telefonüberwachung allgemein dann unzulässig wäre, wenn ein Strafverfahren gegen einen Anwalt selber durchgeführt wird. Er ist nicht in dem Sinn gegenüber anderen Beschuldigten privilegiert, dass er von jeder Telefonüberwachung ausgenommen wäre. Die auf dem Berufsgeheimnis beruhende Einschränkung der Verwendung von Abhörprotokollen entfällt, wenn die zur Zeugnisverweigerung berechtigte Person selbst einer überwachungswürdigen Straftat verdächtigt wird (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, Bern 1994, S. 394). Dort, wo der Berufsgeheimnisträger selbst Angeschuldigter ist, geht das Interesse an der Strafverfolgung der Wahrung des Berufsgeheimnisses vor. So kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Person, die ein Berufsgeheimnis zu wahren hat, in einem gegen sie hängigen Strafverfahren der Beschlagnahme von in ihrem Besitz befindlichen Akten nicht unter Berufung auf ihre Geheimhaltungspflicht widersetzen (BGE 106 IV 413 E. 7c; BGE 102 IV 210 E. 4a; BGE 101 Ia 10 E. 5a). Für seine eigenen Verfehlungen kann niemand ein Privileg aufgrund eines Berufsgeheimnisses beanspruchen (BGE 106 IV 413 E. 7c mit Hinweisen). Die KAK hat im angefochtenen Entscheid mit Recht auf diesen Grundsatz hingewiesen und betont, es sei nicht der Sinn des Berufsgeheimnisses, dessen Träger vor einer Strafverfolgung zu schützen. Ferner hat sie zutreffend erwogen, aus dem Urteil des
BGE 125 I 46 S. 51

Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 25. März 1998 i.S. Kopp gegen die Schweiz (Rec. 1998-II S. 524 ff.) lasse sich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht ableiten, dass ein Anwalt grundsätzlich nicht abgehört werden dürfe und somit auch Zufallsfunde aus der Telefonüberwachung anderer nicht verwendet werden dürften. Das genannte Urteil kann für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden. Es ging in der vom EGMR zu beurteilenden Angelegenheit nicht um die hier zur Diskussion stehende Frage, ob Zufallsfunde aus rechtmässigen Telefonüberwachungen im Strafverfahren gegen den mit abgehörten Gesprächspartner als Beweismittel verwendet werden dürfen. Rechtsanwalt Kopp war nicht Angeschuldigter in einem Strafverfahren. Er wurde im Rahmen eines gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens als Drittperson nach Art. 66 Abs. 1bis
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
BStP überwacht, und es stellte sich die Frage der hinreichenden gesetzlichen Grundlage und der richterlichen Kontrolle, wenn sämtliche Telefonanschlüsse eines Berufsgeheimnisträgers abgehört werden, welcher im Verfahren Drittperson ist, d.h. nicht selber einer Straftat verdächtigt wird. Nach dem Gesagten bezieht sich die Vorschrift von § 117sexies Abs. 1 StPO im vorliegenden Fall auf das gegen A. geführte Strafverfahren, in welchem die Telefonüberwachung vorgenommen wurde. Die KAK ging mit Recht davon aus, die aus dieser Überwachung stammenden Abhörprotokolle könnten im Verfahren gegen den von der Massnahme mit erfassten Beschwerdeführer verwendet werden, sofern die in § 117 Abs. 1 Ziff. 1-3 StPO genannten Voraussetzungen für eine Telefonüberwachung in Bezug auf den Beschwerdeführer ebenfalls erfüllt gewesen wären.

7. Der Beschwerdeführer rügt, die KAK habe zu Unrecht angenommen, er selber hätte gemäss § 117 Abs. 1 Ziff. 1-3 StPO einer Telefonüberwachung unterworfen werden können. a) § 117 Abs. l Ziff. 1 StPO erlaubt eine Überwachung nur, wenn ein Verbrechen oder Vergehen verfolgt wird, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt. Dem Beschwerdeführer wird mehrfache Anstiftung zu falschem Zeugnis vorgeworfen. Er soll D. und E. (beide Kellner im Dancing B.) angestiftet haben, als Zeugen im Strafverfahren gegen A. falsche Aussagen zu machen. Ausserdem wird dem Beschwerdeführer Geldwäscherei im Sinne von Art. 305bis Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 305bis - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.421
1    Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.421
2    In schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.425
a  als Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Organisation (Art. 260ter) handelt;
b  als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung der Geldwäscherei zusammengefunden hat;
c  durch gewerbsmässige Geldwäscherei einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt.
3    Der Täter wird auch bestraft, wenn die Haupttat im Ausland begangen wurde und diese auch am Begehungsort strafbar ist.427
StGB zur Last gelegt. Er soll vereitelt haben, dass Bargeld im Umfang von Fr. 650'000.--, das aus den A. zur Last gelegten Delikten herrühren soll, von der Untersuchungsbehörde eingezogen werden konnte. Anstiftung zu falschem Zeugnis stellt
BGE 125 I 46 S. 52

ein Verbrechen dar (Art. 24 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
in Verbindung mit Art. 307 Abs.1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...434
3    Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.435
StGB). Bei der Geldwäscherei nach Art. 305bis Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 305bis - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.421
1    Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.421
2    In schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.425
a  als Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Organisation (Art. 260ter) handelt;
b  als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung der Geldwäscherei zusammengefunden hat;
c  durch gewerbsmässige Geldwäscherei einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt.
3    Der Täter wird auch bestraft, wenn die Haupttat im Ausland begangen wurde und diese auch am Begehungsort strafbar ist.427
StGB handelt es sich um ein Vergehen. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, diese Delikte würden für sich allein betrachtet nicht die vom Gesetz verlangte Schwere aufweisen, um den Eingriff in das verfassungsmässige Recht gemäss Art. 36 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
1    Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2    Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3    Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4    Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
BV zu rechtfertigen. Er wirft der KAK vor, sie habe in willkürlicher Weise die Schwere der ihm zur Last gelegten Straftaten deshalb bejaht, weil sie diese in einen unmittelbaren Zusammenhang mit den A. vorgeworfenen Verbrechen und Vergehen gebracht habe. Das Bundesgericht hat im Urteil BGE 117 Ia 10 E. 4d S. 13 beiläufig bemerkt, am Merkmal der Schwere der Tat dürfte es bei einer Falschaussage (eines Zeugen) fehlen; es hat indes die Frage offen gelassen. In der Lehre wird mit Grund erklärt, bei falschem Zeugnis könnten Überwachungsmassnahmen nicht von vornherein ausgeschlossen werden, denn das Delikt könne z.B. in einem Mordprozess so schwer wiegen, dass eine Überwachung gerechtfertigt erscheine (HAUSER/SCHWERI, a.a.O., S. 296, Rz. 7 zu § 71; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 2. Auflage, Zürich 1993, S. 228, N. 763). Allgemein hängt es bei Verfehlungen, die für sich allein weniger schwer erscheinen, von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab, ob Überwachungsmassnahmen angeordnet werden dürfen (HAUSER/SCHWERI, a.a.O.). Die KAK führte im angefochtenen Entscheid aus, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Delikte stünden im Zusammenhang mit den inkriminierten Vorgängen um das Dancing B. Es gehe im Wesentlichen um den Vorwurf, das Ergebnis der Strafuntersuchung gegen A., den Wirt des Dancings, beeinflusst und der Untersuchungsbehörde Bargeld im Umfang von Fr. 650'000.-- aus möglicherweise deliktischer Herkunft entzogen zu haben. A. würden zahlreiche Verbrechen und Vergehen vorgeworfen, wie gewerbsmässiger Betrug, Gehilfenschaft zu Menschenhandel (-sistiert bis zum rechtskräftigen Entscheid der Zürcher Behörden gegen Inhaber und Mitarbeiter der Agentur G.), mehrfache Förderung der Prostitution, mehrfache Urkundenfälschung und mehrfache Geldwäscherei. Die Staatsanwaltschaft habe gegen A. beim Kriminalgericht eine Zuchthausstrafe von vier Jahren und eine Busse von Fr. 100'000.-- beantragt. Die KAK hielt fest, der Beschwerdeführer habe mit der verdachtsweisen Beeinflussung der Zeugen zu verhindern versucht, dass die "schweren Delikte der Betreiber des Dancings B. aufgedeckt würden".
BGE 125 I 46 S. 53

In der staatsrechtlichen Beschwerde wird eingewendet, diese Feststellung enthalte gravierende Vorverurteilungen und verletze die Unschuldsvermutung gemäss Art. 6 Ziff. 2
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK. Die Rügen sind unbegründet. Die KAK hat in Bezug auf die den Beschwerdeführer betreffenden Handlungen ausdrücklich das Wort "verdachtsweise" verwendet. Was die dem Betreiber des Dancings zur Last gelegten Delikte angeht, so hat sie mit der gewählten Formulierung keinen strafrechtlichen Schuldvorwurf erhoben, sondern lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass es in der Strafuntersuchung gegen A. um die Abklärung schwerer Delikte gegangen sei. Gegen A. wurde, wie sich aus dem Gesuch des Amtsstatthalters vom 16. Juni 1995 betreffend Genehmigung der Telefonüberwachung ergibt, eine Strafuntersuchung geführt wegen Menschenhandels, Förderung der Prostitution und Ausnützung einer Notlage; ausserdem bestand der Verdacht, dass diese schwerwiegenden Delikte gegen die sexuelle Integrität im Rahmen einer kriminellen Organisation begangen worden seien. A. ist übrigens im Juni 1998 erstinstanzlich zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Die Annahme der KAK, der Beschwerdeführer habe mit der ihm vorgeworfenen Anstiftung zu falschem Zeugnis gewisse Vorgänge im Dancing B. vertuschen wollen, ist nicht unhaltbar. Die beiden Kellner, die er zu falschen Zeugenaussagen angestiftet haben soll, wurden zu Vorgängen befragt, die sich in diesem Lokal abgespielt haben sollen, und konnten mit ihren Aussagen den Angeschuldigten A. erheblich belasten. Wenn aber mit einer Anstiftung zu falschem Zeugnis in einer Strafuntersuchung wegen schwerer Delikte die Beweislage zugunsten des Angeschuldigten beeinflusst werden soll, kann angenommen werden, die in Frage stehende Anstiftung wiege genügend schwer, um eine Überwachungsmassnahme anzuordnen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer noch Geldwäscherei in einem nicht geringen Umfang betrieben haben soll. Wird einerseits berücksichtigt, dass die Delikte, welche Gegenstand des gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Strafverfahrens bilden - mehrfache Anstiftung zu falschem Zeugnis und Geldwäscherei - an sich gravierende Straftaten sind, und wird anderseits in Rechnung gestellt, dass die angebliche Anstiftung zu falschem Zeugnis im Rahmen eines anderen Strafverfahrens erfolgte, das klarerweise schwere Straftaten zum Gegenstand hat, so konnte die KAK ohne Verfassungs- oder Konventionsverletzung annehmen, im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wäre im Hinblick auf die Schwere der Taten eine Telefonüberwachung zulässig gewesen.
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Document : 125 I 46
Date : 30. November 1998
Published : 31. Dezember 1999
Source : Bundesgericht
Status : 125 I 46
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwendung von Zufallsfunden als Beweismittel im Strafverfahren gegen den


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