Urteilskopf

124 III 196

35. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. März 1998 i.S. A. und B. gegen X.-Wasserversorgung (Berufung)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 197

BGE 124 III 196 S. 197

A.- Die Abgeordnetenversammlung des Gemeindeverbandes X.-Wasserversorgung beschloss am 27. November 1990: "Alle bestehenden Wasserbezugsrechte werden aufgehoben und entschädigungslos gekündigt. Alle entsprechenden Grundbucheinträge sind auf Kosten des Gemeindeverbands zu löschen. Die Wasserkäufer schulden dem Gemeindeverband für alle Wasserbezüge die volle Tarifgebühr ab 1. Juli 1991." Durch Schreiben vom 8. Februar 1991 teilte die X.-Wasserversorgung sämtlichen Inhabern eines Wasserbezugsrechts mit, gestützt auf diesen Beschluss werde "das bestehende Wasserbezugsrecht auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos gekündigt".
B.- Der Appellationshof des Kantons Bern erkannte am 5. November 1996 auf Klage der X.-Wasserversorgung, die auf Grundbuchblatt Nr. ... von Y. eingetragenen Wasserbezugsrechte zugunsten von A. auf 10 min/l (als Eigentümer der Liegenschaft Z. Grundbuchblatt Nr. xxx) und B. auf 4 min/l (als Eigentümer der Liegenschaft Z. Grundbuchblatt Nr. yyy) würden gelöscht; ferner wurden die Grundbuchverwalter von D. und E. angewiesen, die Löschung vorzunehmen. Sodann wurde festgestellt, dass die vertragliche Wasserlieferungspflicht auf den 31. März 1992 entschädigungslos aufgehoben sei.
C.- A. und B. haben Berufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil des Appellationshofes aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die X.-Wasserversorgung schliesst auf Abweisung der Berufung und begehrt mit Anschlussberufung, gerichtlich festzustellen, dass eine allfällig bestehende vertragliche Wasserlieferungspflicht auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos aufgehoben sei. In ihrer Antwort auf die Anschlussberufung halten A. und B. an den gestellten Berufungsbegehren fest.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. a) Der Appellationshof ging davon aus, die Beklagten hätten das im Grundbuch eingetragene "Wasserbezugsrecht" als Grundlast ersessen. Er erachtete diese Grundlasten durch das Schreiben der Klägerin vom 8. Februar 1991 als abgelöst, wegen der Jahresfrist
BGE 124 III 196 S. 198

des Art. 788 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 788 - 1 Der Schuldner kann die Ablösung verlangen nach Abrede und ferner:
1    Der Schuldner kann die Ablösung verlangen nach Abrede und ferner:
1  wenn der Vertrag, auf dem die Grundlast beruht, vom Berechtigten nicht innegehalten wird;
2  nach dreissigjährigem Bestande der Grundlast, und zwar auch dann, wenn eine längere Dauer oder die Unablösbarkeit verabredet worden ist.
2    Erfolgt die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande, so hat ihr in allen Fällen eine Kündigung auf Jahresfrist voranzugehen.
3    Ausgeschlossen ist diese Ablösung, wenn die Grundlast mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist.
ZGB allerdings erst auf den 31. März 1992. Die Beklagten erblicken darin eine Verletzung von Art. 18
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
und 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1    Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
2    Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.
OR sowie Art. 788
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 788 - 1 Der Schuldner kann die Ablösung verlangen nach Abrede und ferner:
1    Der Schuldner kann die Ablösung verlangen nach Abrede und ferner:
1  wenn der Vertrag, auf dem die Grundlast beruht, vom Berechtigten nicht innegehalten wird;
2  nach dreissigjährigem Bestande der Grundlast, und zwar auch dann, wenn eine längere Dauer oder die Unablösbarkeit verabredet worden ist.
2    Erfolgt die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande, so hat ihr in allen Fällen eine Kündigung auf Jahresfrist voranzugehen.
3    Ausgeschlossen ist diese Ablösung, wenn die Grundlast mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist.
ZGB. b) Die Klägerin hat den Beklagten am 8. Februar 1991 mitgeteilt, gestützt auf den Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 27. November 1990 werde "das bestehende Wasserbezugsrecht auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos gekündigt". In der Begründung ist darauf verwiesen worden, dass solche Wasserrechte nach zwei bundesgerichtlichen Urteilen keine Dienstbarkeiten sein könnten, und sie daher zu Unrecht im Grundbuch eingetragen seien; es handle sich um obligationenrechtliche Verhältnisse, sogenannte Sukzessivlieferungsverträge, welche nach 30jährigem Bestand entschädigungslos gekündigt werden könnten.
Der Appellationshof stellt keinen für die Beklagten aus jenem Schreiben erkennbaren wirklichen Willen der Klägerin fest. Für dessen Auslegung ist daher das Vertrauensprinzip massgeblich (BGE 123 III 16 E. 4b mit Hinweisen). Nach den gesamten Umständen durften und mussten die Beklagten die Erklärung, "das bestehende Wasserbezugsrecht" werde "auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos gekündigt", in guten Treuen dahin verstehen (BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123 mit Hinweisen), es werde ein obligatorisches Rechtsverhältnis, eine schuldrechtliche Verpflichtung aufgekündigt. Nebst den bereits angeführten Gründen wurde weiter ausgeführt, damit klare Rechtsverhältnisse bestünden, müssten die Dienstbarkeiten gelöscht werden; zu gegebener Zeit würden die Inhaber eines Wasserbezugsrechts das Löschungsbegehren mit Löschungsbewilligung erhalten. Sodann wurde in der Mitteilung erwähnt, der Beschluss der Abgeordnetenversammlung, alle bestehenden Wasserbezugsrechte würden aufgehoben und entschädigungslos gekündigt, sei nach gründlicher wirtschaftlicher und rechtlicher Prüfung gefasst worden. Nichts liess erkennen, dass damit eine Grundlast abgelöst werden sollte, zudem noch ohne jegliche Entschädigung und ausserhalb der dafür vorgesehenen gesetzlichen Frist (Art. 788
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 788 - 1 Der Schuldner kann die Ablösung verlangen nach Abrede und ferner:
1    Der Schuldner kann die Ablösung verlangen nach Abrede und ferner:
1  wenn der Vertrag, auf dem die Grundlast beruht, vom Berechtigten nicht innegehalten wird;
2  nach dreissigjährigem Bestande der Grundlast, und zwar auch dann, wenn eine längere Dauer oder die Unablösbarkeit verabredet worden ist.
2    Erfolgt die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande, so hat ihr in allen Fällen eine Kündigung auf Jahresfrist voranzugehen.
3    Ausgeschlossen ist diese Ablösung, wenn die Grundlast mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist.
und 789
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 789 - Die Ablösung erfolgt um den Betrag, der im Grundbuch als Gesamtwert der Grundlast eingetragen ist, unter Vorbehalt des Nachweises, dass die Grundlast in Wirklichkeit einen geringeren Wert hat.
ZGB). Die Klägerin selber hat denn auch auf jener Grundlage geklagt und die Löschung der als Dienstbarkeit eingetragenen Wasserbezugsrechte im Grundbuch sowie die Feststellung verlangt, dass allfällig bestehende vertragliche Wasserlieferungspflichten auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos aufgehoben seien.
2. a) Die Klägerin wendet in der Berufungsantwort allerdings ein, die Wasserbezugsrechte der Beklagten könnten nur eine Grundlast
BGE 124 III 196 S. 199

darstellen, da nach der Rechtsprechung die Verpflichtung zur Wasserlieferung an einem bestimmten Punkt einer Fassungsleitung nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit bilden könne. Der Eintrag der Wasserbezugsrechte im Grundbuch als Dienstbarkeit sei daher nichtig und nicht bloss ungerechtfertigt im Sinne von 974 Abs. 2 ZGB; die ordentliche Ersitzung sei deshalb wegen Fehlens dieser Grundvoraussetzung unmöglich. Ferner wendet die Klägerin ein, die für die Errichtung einer Grundlast erforderliche Form der öffentlichen Beurkundung sei nicht erfüllt, so dass eine Verpflichtung rein obligatorischer und persönlicher Natur vorliege, die nicht ersessen werden könne; auch eine Konversion in eine Grundlast sei nicht möglich und die Frage der Ersitzung einer solchen zudem kontrovers. b) Der Appellationshof stellt in tatsächlicher Hinsicht einzig fest, auf den Grundbuchblättern der Beklagten sei unter der Rubrik Dienstbarkeiten und Grundlasten "R, Wasserbezugsrecht ..." eingetragen, nicht jedoch, diese Wasserbezugsrechte seien als Dienstbarkeiten eingetragen; daran ändert nichts, dass die Berechtigten auf Anfrage des Grundbuchverwalters sich 1919 bzw. 1920 damit einverstanden erklärt haben, dass ihre Wasserbezugsrechte als "Grunddienstbarkeit zugunsten und zulasten" der betreffenden Grundstücke eingetragen werden. Soweit die Argumentation der Klägerin auf der unzutreffenden Annahme gründet, die Bezugsrechte seien als Dienstbarkeit eingetragen, erweist sie sich daher als von vornherein haltlos. Als belanglos erscheint sodann, ob für die Begründung der Wasserbezugsrechte als Grundlast die dafür erforderliche Form der öffentlichen Beurkundung erfüllt worden ist (vgl. dazu BGE 93 II 290 E. 6a S. 299), nachdem sie nach Feststellung des Appellationshofes unter der Rubrik "Dienstbarkeiten und Grundlasten" im Grundbuch eingetragen sind. Schliesslich anerkennt selbst die Klägerin, dass die Wasserbezugsrechte Gegenstand einer Grundlast bilden können; und das Vorhandensein der dafür nötigen Voraussetzungen ist nicht umstritten. Es bleibt letztlich nur zu prüfen, ob die Wasserbezugsrechte, die wegen Formmangels zu Unrecht im Grundbuch eingetragen sind, gemäss Art. 661
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
ZGB ersessen werden konnten, wie der Appellationshof dafürhält. Ob die ordentliche Ersitzung einer Grundlast möglich ist, war vom Bundesgericht bis jetzt nicht zu beurteilen (offengelassen hinsichtlich der ausserordentlichen Ersitzung in BGE 99 II 28 E. 4 S. 34 am Ende). Gemäss Art. 783 Abs. 3
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ZGB Art. 783 - 1 Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
1    Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
2    Bei der Eintragung ist ein bestimmter Betrag als ihr Gesamtwert in Landesmünze anzugeben, und zwar bei zeitlich wiederkehrenden Leistungen mangels anderer Abrede der zwanzigfache Betrag der Jahresleistung.
3    Für Erwerb und Eintragung gelten, wo es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
ZGB gelten für Erwerb und Eintragung der Grundlast wie auch der Grunddienstbarkeit (Art. 731 Abs. 2
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ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
1    Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
2    Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
3    Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann.
ZGB), wo es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das
BGE 124 III 196 S. 200

Grundeigentum. Dem Gesetz ist keinerlei Einschränkung zu entnehmen, wonach die Ersitzung der Grundlast ausgeschlossen oder anders als bei der Grunddienstbarkeit, wo die Zulässigkeit der Ersitzung jedoch ausdrücklich erwähnt wird (Art. 731 Abs. 3
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ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
1    Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
2    Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
3    Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann.
ZGB), beschränkt wäre; sie ist nach dem klaren Wortlaut jener Bestimmung demnach möglich (LEEMANN, Berner Kommentar, N. 2 zu Art. 783
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ZGB Art. 783 - 1 Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
1    Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
2    Bei der Eintragung ist ein bestimmter Betrag als ihr Gesamtwert in Landesmünze anzugeben, und zwar bei zeitlich wiederkehrenden Leistungen mangels anderer Abrede der zwanzigfache Betrag der Jahresleistung.
3    Für Erwerb und Eintragung gelten, wo es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
ZGB). Logischerweise sollte sie zwar wie beim Grundpfand ausgeschlossen sein; denn das dingliche Recht kann nicht in Besitz genommen und als Nebenrecht der Forderung ohne diese nicht erworben werden. In Wirklichkeit besteht nur der Besitz einer Dienstbarkeit in der Ausübung eines dinglichen Rechts, während es sich für die Grundlast als Verpflichtung zu einer positiven Leistung lediglich um deren Erbringung durch den Schuldner handeln kann; diese "Ausübung des Rechts" besteht genauso, wenn durch Grundpfandverschreibung oder Schuldbrief sichergestellte Annuitäten oder Zinsen bezahlt werden (PIOTET, SPR V/1, S. 658/II und 649; WIELAND, Zürcher Kommentar, N. 2 zu Art. 783
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ZGB Art. 783 - 1 Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
1    Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
2    Bei der Eintragung ist ein bestimmter Betrag als ihr Gesamtwert in Landesmünze anzugeben, und zwar bei zeitlich wiederkehrenden Leistungen mangels anderer Abrede der zwanzigfache Betrag der Jahresleistung.
3    Für Erwerb und Eintragung gelten, wo es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
ZGB; LIVER, ZBJV 111 S. 75). Art. 919 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 919 - 1 Wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache hat, ist ihr Besitzer.
1    Wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache hat, ist ihr Besitzer.
2    Dem Sachbesitz wird bei Grunddienstbarkeiten und Grundlasten die tatsächliche Ausübung des Rechtes gleichgestellt.
ZGB stellt indessen die tatsächliche Ausübung des Rechts nicht bloss bei der Grunddienstbarkeit, sondern ausdrücklich ebenso bei der Grundlast dem Sachbesitz gleich. Dadurch ist, was sich als logischer Schluss aufdrängte, vom Gesetz selber entkräftet und unmissverständlich bekräftigt, dass entgegen Wieland (l.c.) die Möglichkeit der Ersitzung einer Grundlast, wie sie sich aus Art. 783 Abs. 3
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ZGB Art. 783 - 1 Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
1    Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
2    Bei der Eintragung ist ein bestimmter Betrag als ihr Gesamtwert in Landesmünze anzugeben, und zwar bei zeitlich wiederkehrenden Leistungen mangels anderer Abrede der zwanzigfache Betrag der Jahresleistung.
3    Für Erwerb und Eintragung gelten, wo es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
ZGB ergibt, der Absicht des Gesetzgebers entspricht; dessen Wortlaut gibt den Sinn der Bestimmung demnach zutreffend wieder. Die Mehrzahl der Autoren bejaht denn auch die Ersitzungsmöglichkeit (LEEMANN, a.a.O.; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 4 zu Art. 661
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
ZGB; HAAB/SIMONIUS, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 661
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
, 662
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 662 - 1 Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde.
1    Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde.
2    Unter den gleichen Voraussetzungen steht dieses Recht dem Besitzer eines Grundstückes zu, dessen Eigentümer aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist oder bei Beginn der Ersitzungsfrist von 30 Jahren tot oder für verschollen erklärt war.
3    Die Eintragung darf jedoch nur auf Verfügung des Gerichts erfolgen, nachdem binnen einer durch amtliche Auskündung angesetzten Frist kein Einspruch erhoben oder der erfolgte Einspruch abgewiesen worden ist.
, 663
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 663 - Für die Berechnung der Fristen, die Unterbrechung und den Stillstand der Ersitzung finden die Vorschriften über die Verjährung von Forderungen entsprechende Anwendung.
ZGB; REY, Berner Kommentar, N. 153 zu Art. 731
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
1    Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
2    Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
3    Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann.
ZGB; PIOTET, SPR V/1, S. 649; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl. Zürich 1995, S. 806/IV; SIMONIUS/SUTTER, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, Bd. II, § 11 Rz. 27, S. 299; STEINAUER, Les droits réels, Bd. III, Rz. 2594a, S. 83; LAIM, Grundstrukturen der ausserordentlichen Ersitzung nach Schweizerischem Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1993, S. 83 ff.; PFISTER, Die Ersitzung nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1931, S. 43 und 95; LIVER, Zürcher Kommentar, N. 25 zu Art. 730
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 730 - 1 Ein Grundstück kann zum Vorteil eines andern Grundstückes in der Weise belastet werden, dass sein Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des Eigentümers dieses andern Grundstückes gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf.
1    Ein Grundstück kann zum Vorteil eines andern Grundstückes in der Weise belastet werden, dass sein Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des Eigentümers dieses andern Grundstückes gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf.
2    Eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen kann mit der Grunddienstbarkeit nur nebensächlich verbunden sein. Für den Erwerber des berechtigten oder belasteten Grundstücks ist eine solche Verpflichtung nur verbindlich, wenn sie sich aus dem Eintrag im Grundbuch ergibt.619
ZGB und N. 94 zu Art. 731
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
1    Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
2    Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
3    Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann.
ZGB für die ordentliche Ersitzung; gegenteiliger Auffassung: WIELAND, l.c. sowie CURTI-FORRER, Zürcher Kommentar, 1911, N. 7 zu Art. 783
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 783 - 1 Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
1    Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
2    Bei der Eintragung ist ein bestimmter Betrag als ihr Gesamtwert in Landesmünze anzugeben, und zwar bei zeitlich wiederkehrenden Leistungen mangels anderer Abrede der zwanzigfache Betrag der Jahresleistung.
3    Für Erwerb und Eintragung gelten, wo es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
ZGB).
BGE 124 III 196 S. 201

Konnte der Appellationshof ohne Bundesrecht zu verletzen davon ausgehen, die Wasserbezugsrechte der Beklagten seien als Grundlast ersessen, hält anderseits aber der Schluss, sie seien als Grundlast abgelöst worden (E. 1 vorne), vor Bundesrecht nicht stand, so ist die Berufung gutzuheissen und die Anschlussberufung abzuweisen, mit welcher geltend gemacht worden ist, als Verpflichtung bloss obligatorischer Natur seien die Wasserbezugsrechte auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos gekündigt worden. Bestehen diese als Grundlast fort, so ist die Klage abzuweisen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 124 III 196
Datum : 02. März 1998
Publiziert : 31. Dezember 1998
Quelle : Bundesgericht
Status : 124 III 196
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Ordentliche Ersitzung einer Grundlast (Art. 661 ZGB , Art. 731 Abs. 2 und Abs. 3 ZGB, Art. 783 Abs. 3 ZGB, Art. 788 Abs.


Gesetzesregister
OR: 1 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1    Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
2    Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.
18
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
ZGB: 661 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
662 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 662 - 1 Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde.
1    Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde.
2    Unter den gleichen Voraussetzungen steht dieses Recht dem Besitzer eines Grundstückes zu, dessen Eigentümer aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist oder bei Beginn der Ersitzungsfrist von 30 Jahren tot oder für verschollen erklärt war.
3    Die Eintragung darf jedoch nur auf Verfügung des Gerichts erfolgen, nachdem binnen einer durch amtliche Auskündung angesetzten Frist kein Einspruch erhoben oder der erfolgte Einspruch abgewiesen worden ist.
663 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 663 - Für die Berechnung der Fristen, die Unterbrechung und den Stillstand der Ersitzung finden die Vorschriften über die Verjährung von Forderungen entsprechende Anwendung.
730 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 730 - 1 Ein Grundstück kann zum Vorteil eines andern Grundstückes in der Weise belastet werden, dass sein Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des Eigentümers dieses andern Grundstückes gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf.
1    Ein Grundstück kann zum Vorteil eines andern Grundstückes in der Weise belastet werden, dass sein Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des Eigentümers dieses andern Grundstückes gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf.
2    Eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen kann mit der Grunddienstbarkeit nur nebensächlich verbunden sein. Für den Erwerber des berechtigten oder belasteten Grundstücks ist eine solche Verpflichtung nur verbindlich, wenn sie sich aus dem Eintrag im Grundbuch ergibt.619
731 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
1    Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
2    Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
3    Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann.
783 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 783 - 1 Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
1    Die Grundlast bedarf zu ihrer Errichtung der Eintragung in das Grundbuch.
2    Bei der Eintragung ist ein bestimmter Betrag als ihr Gesamtwert in Landesmünze anzugeben, und zwar bei zeitlich wiederkehrenden Leistungen mangels anderer Abrede der zwanzigfache Betrag der Jahresleistung.
3    Für Erwerb und Eintragung gelten, wo es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
788 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 788 - 1 Der Schuldner kann die Ablösung verlangen nach Abrede und ferner:
1    Der Schuldner kann die Ablösung verlangen nach Abrede und ferner:
1  wenn der Vertrag, auf dem die Grundlast beruht, vom Berechtigten nicht innegehalten wird;
2  nach dreissigjährigem Bestande der Grundlast, und zwar auch dann, wenn eine längere Dauer oder die Unablösbarkeit verabredet worden ist.
2    Erfolgt die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande, so hat ihr in allen Fällen eine Kündigung auf Jahresfrist voranzugehen.
3    Ausgeschlossen ist diese Ablösung, wenn die Grundlast mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist.
789 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 789 - Die Ablösung erfolgt um den Betrag, der im Grundbuch als Gesamtwert der Grundlast eingetragen ist, unter Vorbehalt des Nachweises, dass die Grundlast in Wirklichkeit einen geringeren Wert hat.
919
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 919 - 1 Wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache hat, ist ihr Besitzer.
1    Wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache hat, ist ihr Besitzer.
2    Dem Sachbesitz wird bei Grunddienstbarkeiten und Grundlasten die tatsächliche Ausübung des Rechtes gleichgestellt.
BGE Register
121-III-118 • 123-III-16 • 124-III-196 • 93-II-290 • 99-II-28
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
grundlast • dienstbarkeit • beklagter • grundbuch • ersitzung • ordentliche ersitzung • grunddienstbarkeit • gemeindeverband • formmangel • bundesgericht • ausserordentliche ersitzung • zivilgesetzbuch • begründung des entscheids • beschwerdeantwort • entscheid • anschlussbeschwerde • beurteilung • 1995 • schweizerisches recht • 1919
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