124 I 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Februar 1998 i.S. B.S. gegen Obergericht des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege darf nicht allein mit der Begründung abgewiesen werden, dass der Gesuchsteller nicht bedürftig sei, weil er sich den Betrieb und den Unterhalt eines Autos leisten könne. Vielmehr hat der Gesuchsteller - unabhängig von der Verwendung seiner Mittel - als bedürftig zu gelten, wenn er aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse das Existenzminimum nicht decken kann; bei dieser Berechnung sind die Aufwendungen für den nicht lebensnotwendigen Bedarf selbstverständlich nicht zu berücksichtigen.
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; assistance judiciaire.
- Une requête d'assistance judiciaire ne peut pas être rejetée, motif pris que le requérant n'est pas indigent, parce qu'il peut assumer les charges et l'entretien d'un véhicule. En revanche, le requérant doit passer pour indigent - indépendamment de l'utilisation de ses ressources financières -, si ces dernières ne lui permettent pas de couvrir le minimum vital; lors de ce calcul, les dépenses relatives aux besoins non élémentaires ne doivent évidemment pas être prises en considération.
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; assistenza giudiziaria.
- Una richiesta di assistenza giudiziaria non può essere respinta unicamente per il motivo che l'istante non è indigente, perché può permettersi i costi e la manutenzione di un'automobile. Il richiedente deve piuttosto - indipendentemente dal modo in cui utilizza le sue risorse finanziarie - essere considerato indigente, se egli in base alla sua situazione finanziaria non è in grado di sopperire al suo minimo esistenziale; in questo calcolo non devono naturalmente essere computate le spese non inerenti al fabbisogno esistenziale.
Sachverhalt ab Seite 2
BGE 124 I 1 S. 2
Im Scheidungsverfahren der Eheleute A.S. und B.S. beantragte B.S. die unentgeltliche Rechtspflege. Mit Entscheid vom 27. August 1997 wies die Instruktionsrichterin des Amtsgerichtes das Gesuch ab. Ein dagegen erhobener Rekurs wurde von der Justizkommission des Obergerichtes des Kantons Luzern mit Entscheid vom 14. Oktober 1997 abgewiesen. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der Anspruch einer Prozesspartei auf unentgeltliche Rechtspflege beurteilt sich in erster Linie nach den Vorschriften des kantonalen Prozessrechtes. Im Sinn von Mindestanforderungen leitet das Bundesgericht jedoch einen solchen Anspruch auch unmittelbar aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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a) Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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liegt, der für den Lebensunterhalt absolut notwendig ist, kann Bedürftigkeit angenommen werden (ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 164 f.). Auch im Kanton Luzern wird nicht auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern von einem erweiterten zivilprozessualen Notbedarf ausgegangen, bei dem ein Zuschlag von 25% beim Grundbetrag gewährt und ausgewiesene privat- und öffentlichrechtliche Verpflichtungen berücksichtigt werden (STUDER/RÜEGG/EIHOLZER, Der Luzerner Zivilprozess, Kriens 1994, N. 3 zu § 130). b) Im vorliegenden Fall hat die Instruktionsrichterin des Amtsgerichtes in ihrem Entscheid vom 27. August 1997 weder Angaben zum Notbedarf noch solche zu den Einkommensverhältnissen der Beschwerdeführerin und der in ihrer Obhut stehenden Kinder getroffen; nur im parallelen Verfahren betreffend vorsorglicher Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses wurde das Existenzminimum auf Fr. 3'528.60 festgesetzt und der Ehemann zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen von Fr. 3'500.-- verpflichtet. Die Verweigerung des Armenrechtes wurde von der Instruktionsrichterin einzig mit dem Hinweis darauf begründet, dass der Beschwerdeführerin ein Fahrzeug zur Verfügung stehe, dem Kompetenzcharakter abzusprechen sei. Ebensowenig sind dem Entscheid des Obergerichtes des Kantons Luzern erschöpfende Angaben zum Notbedarf und zum Einkommen der Beschwerdeführerin zu entnehmen: Auch das Obergericht begründet die Verweigerung des Armenrechtes in erster Linie damit, dass der Beschwerdeführerin ein Auto zur Verfügung stehe und entsprechende Auslagen entstünden, wobei die Gesuchstellerin selbst die Betriebs- und Unterhaltskosten auf Fr. 350.-/Monat und die Garagenmiete auf Fr. 140.-/Monat beziffere; zusätzlich verneint das Obergericht den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege auch mit der Begründung, die Beschwerdeführerin bewohne eine teure Wohnung, deren Mietzins sich auf Fr. 2'035.- inkl. Nebenkosten-Akontozahlungen belaufe. Beide kantonalen Instanzen haben das Armenrechtsgesuch somit im wesentlichen mit dem Argument abgewiesen, dass die Beschwerdeführerin nicht als bedürftig gelte, da sie für die Kosten der Benützung eines Autos aufkommen könne; auf das Zusatzargument des Obergerichtes, dass die Beschwerdeführerin eine zu teure Wohnung gemietet habe, muss im vorliegenden Verfahren nicht eingegangen werden, weil die Frage des angemessenen Mietzinses Gegenstand eines kantonalen Rekursverfahrens gegen den Massnahmeentscheid vom 27. August 1997 ist, in welchem Verfahren, soweit bekannt,
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noch nicht entschieden wurde. Damit reduziert sich das Problem - namentlich unabhängig von der umstrittenen Höhe des anrechenbaren Mietzinses - auf die Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführerin, auch wenn sie am Rand des betreibungsrechtlichen Notbedarfs lebt, die unentgeltliche Rechtspflege verweigert werden darf, solange sie aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für die Kosten eines Autos aufzukommen vermag. c) Die Praxis des Kantons Luzern geht dahin, dass der Gesuchsteller nicht als bedürftig gelten könne, wenn er ein Auto ohne Kompetenzcharakter besitze, und zwar ungeachtet davon, was der Vergleich von Einkommen und anrechenbarem Notbedarf ergebe; die Mittel, die er für den Betrieb und den Unterhalt des Autos aufbringe, seien zur Bevorschussung der Prozesskosten einzusetzen, da sie nicht zum notwendigen Lebensunterhalt gehörten. Diese Betrachtungsweise ist mit der durch Art. 4
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Betrieb und Unterhalt eines Autos herauszugreifen und sie zum alleinigen, die unentgeltliche Rechtspflege ausschliessenden Kriterium zu machen, wäre ohnehin willkürlich. d) Eine ganz andere Frage ist, ob unter Berücksichtigung des Vermögenswertes eines Fahrzeugs die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise verweigert werden darf, weil die Kosten des Prozessierens aus dem Verkaufserlös bestritten werden könnten. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall allerdings nicht: Einerseits kann nach den Feststellungen des Obergerichtes nicht davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug im Eigentum der Beschwerdeführerin steht, weil deren Ehemann Halter ist und das Auto zu dessen Geschäftsvermögen zählt; andrerseits handelt es sich beim betreffenden Fahrzeug um einen 11jährigen Ford Sierra mit einem Kilometerstand von 197'000 km, der weitgehend wertlos sein dürfte.