Urteilskopf

122 IV 356

54. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. November 1996 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen T. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 357

BGE 122 IV 356 S. 357

A.- T. behinderte F. am 29. Januar 1992 durch seine Fahrweise mehrfach in dessen freien Fahrt. In der Folge überholte F. den Personenwagen des T., worauf beide Fahrer anhielten. F. stieg aus und begab sich zum anderen Fahrzeug. Nachdem entweder T. oder F. die Fahrertüre des Personenwagens T. geöffnet hatte, fasste F. an deren Griff. In diesem Augenblick gab T. aus Angst Gas und fuhr weg. Dadurch kam F. zu Fall und zog sich eine leichte Verletzung an einem Finger zu, die ärztlich nicht behandelt werden musste.

B.- Mit Urteil vom 7. Juni 1994 gab der Gerichtspräsident von Niedersimmental dem Verfahren gegen T. wegen Missachtung des Vortritts, mangelnder Rücksichtnahme auf nachfolgende Fahrzeuge sowie pflichtwidrigen Verhaltens nach Verkehrsunfall wegen Eintritts der absoluten Verjährung keine weitere Folge. Diesen Entscheid bestätigte das Obergericht des Kantons Bern (I. Strafkammer) am 9. Mai 1996 auf Appellation sowohl von T. als auch des Generalprokurators des Kantons Bern.
C.- Der Generalprokurator des Kantons Bern erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts (I. Strafkammer) des Kantons Bern vom 9. Mai 1996 aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung beziehungsweise zur Verurteilung von T. an die Vorinstanz zurückzuweisen, soweit es dem Verfahren gegen T. wegen pflichtwidrigen Verhaltens nach Unfall keine weitere Folge gegeben habe.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Ergreift ein Fahrzeugführer, der bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat, die Flucht, so wird er mit Gefängnis bestraft (Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG; SR 741.01). a) Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG setzt zunächst einen Verkehrsunfall und eine daran anschliessende Flucht des beteiligten Fahrzeugführers voraus. Nach der Rechtsprechung gilt als Strassenverkehrsunfall jedes schädigende Ereignis, das geeignet ist, einen Personen- oder Sachschaden hervorzurufen (BGE 83 IV 46 E. 1 mit Hinweis). Der Beschwerdegegner ergriff mit seinem Personenwagen die Flucht vor F., fuhr diesen dabei an und setzte die Fahrt im Wissen um das Vorgefallene fort. Angesichts des Zusammenstosses zwischen dem Personenwagen und dem Fussgänger ist vorliegend ein Verkehrsunfall im Sinne von Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG (i.V.m. Art. 51 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 51 - 1 Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
1    Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
2    Sind Personen verletzt, so haben alle Beteiligten für Hilfe zu sorgen, Unbeteiligte, soweit es ihnen zumutbar ist. Die Beteiligten, in erster Linie die Fahrzeugführer, haben die Polizei zu benachrichtigen. Alle Beteiligten, namentlich auch Mitfahrende, haben bei der Feststellung des Tatbestandes mitzuwirken. Ohne Zustimmung der Polizei dürfen sie die Unfallstelle nur verlassen, soweit sie selbst Hilfe benötigen, oder um Hilfe oder die Polizei herbeizurufen.
3    Ist nur Sachschaden entstanden, so hat der Schädiger sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und Namen und Adresse anzugeben. Wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen.
4    Bei Unfällen auf Bahnübergängen haben die Beteiligten die Bahnverwaltung unverzüglich zu benachrichtigen.
SVG) gegeben. Wohl zeigt der Unfallhergang unter anderem insofern einen atypischen Verlauf, als der Beginn der Flucht dem Unfall
BGE 122 IV 356 S. 358

zeitlich vorgelagert war. Doch flüchtete der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG, als er trotz des Unfalles seine Fahrt fortsetzte und sich vom Unfallort entfernte. b) Zu prüfen bleibt, ob das objektive Tatbestandsmerkmal der Verletzung gemäss Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG erfüllt ist. In einem älteren Entscheid hat das Bundesgericht erwogen, der Begriff der Körperverletzung gemäss Art. 36 Abs. 2 MFG umfasse namentlich innere Verletzungen, die äusserlich nicht sichtbar seien, sowie Quetschungen und Schürfwunden, sofern es sich hierbei nicht bloss um geringfügige, praktisch bedeutungslose Schäden handle. Eine Quetschung mit Bluterguss, zumal wenn sie eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens vier Tagen zur Folge habe, sei eine Verletzung im Sinne von Art. 36 Abs. 2 MFG (BGE 83 IV 42). Seit dem Inkrafttreten des geltenden Strassenverkehrsgesetzes hat sich das Bundesgericht in zwei publizierten Entscheiden zum Begriff der Verletzung gemäss Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG geäussert. Es führte aus, das Gesetz spreche ohne Einschränkung von einem "verletzten" Menschen, weshalb es auf die Schwere der Verletzung nicht ankomme und es somit unerheblich sei, dass sie ambulant behandelt werden könne. Eine Person sei schon dann "verletzt" im Sinne dieser Bestimmung, wenn sie kleine Schürfungen oder Prellungen erleide (BGE 95 IV 150 E. 1; BGE 97 IV 224). Diese Rechtsprechung wurde im Schrifttum überwiegend zustimmend aufgenommen (BADERTSCHER/SCHLEGEL, Strassenverkehrsgesetz, 2. Aufl., Zürich 1967, S. 257; BUSSY/RUSCONI, Commentaire du code suisse de la circulation routière, 3e éd., Lausanne 1996, N. 2.2 ad Art. 92 LCR; GIGER/SIMMEN, Kommentar zum SVG, 5. Aufl., Zürich 1996, S. 237; LEIPOLD, Verkehrsunfallflucht, Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Länder Österreich, Schweiz und Bundesrepublik Deutschland, Diss. Pfaffenweiler 1987, S. 151; SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. I, Bern 1984, N. 804; SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 19. Dezember 1958, Bern 1964, S. 218; ders., Die strafrechtliche Rechtsprechung zum Strassenverkehrsrecht in den Jahren 1968-1972, S. 179; ULLRICH, Strafrechtlich sanktionierte Hilfeleistungspflichten in der Schweiz, Diss. Diessenhofen 1980, S. 174 f.; vgl. auch FRANCIS MEYER, Les dispositions pénales de la loi fédérale sur la circulation routière, ZStrR 76/1960, S. 44 f.; WEIGEND/GEUENICH, Verkehrsunfallflucht im europäischen Ausland, Deutsches Autorecht 57/1988, S. 267 Fn. 104; anders THALMANN, Pflichtwidriges Verhalten,
BGE 122 IV 356 S. 359

Im Stiche lassen eines Verletzten und Führerflucht nach Unfällen im Strassenverkehr, Diss. Basel 1968, S. 107). Wie dargelegt wurde, trifft Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG keine Unterscheidung zwischen schweren und leichten Verletzungen (BGE 83 IV 42; BGE 95 IV 150 E. 1). Die Rechtsprechung hat aber anerkannt, dass eine Person nicht als verletzt im Sinne von Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG zu betrachten sei, wenn sie nur absolut geringfügige, praktisch bedeutungslose Schäden erlitten habe, denen kaum Beachtung geschenkt werden müsse (BGE 83 IV 42). Kleine Schürfungen oder geringfügige Prellungen genügten jedoch, damit jemand als verletzt im Sinne der fraglichen Bestimmung gelte (BGE 95 IV 150 E. 1). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Umstand, dass Art. 55 Abs. 2
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 55 Unfälle mit Personenschaden - (Art. 51 Abs. 1 und 2 SVG)
1    Bei Unfällen mit Personenschaden ist die Polizei sofort zu benachrichtigen, wenn jemand äussere Verletzungen aufweist oder wenn mit inneren Verletzungen zu rechnen ist.
2    Die Meldung an die Polizei ist nicht erforderlich bei kleinen Schürfungen oder Prellungen; der Schädiger muss aber dem Verletzten Namen und Adresse angeben. Die Polizei muss ebenfalls nicht beigezogen werden, wenn nur der Fahrzeugführer, seine Angehörigen oder Familiengenossen geringfügig verletzt wurden und keine Drittpersonen am Unfall beteiligt sind.
3    ...193
der Verkehrsregelverordnung (VRV; SR 741.11) vom 13. November 1962 "bei kleinen Schürfungen und Prellungen" eine Benachrichtigung der Polizei nicht vorschreibt, steht dem nicht entgegen, zumal der Verursacher auch bei solch geringfügigen Verletzungen seinen Namen und seine Adresse anzugeben hat (Art. 55 Abs. 2
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 55 Unfälle mit Personenschaden - (Art. 51 Abs. 1 und 2 SVG)
1    Bei Unfällen mit Personenschaden ist die Polizei sofort zu benachrichtigen, wenn jemand äussere Verletzungen aufweist oder wenn mit inneren Verletzungen zu rechnen ist.
2    Die Meldung an die Polizei ist nicht erforderlich bei kleinen Schürfungen oder Prellungen; der Schädiger muss aber dem Verletzten Namen und Adresse angeben. Die Polizei muss ebenfalls nicht beigezogen werden, wenn nur der Fahrzeugführer, seine Angehörigen oder Familiengenossen geringfügig verletzt wurden und keine Drittpersonen am Unfall beteiligt sind.
3    ...193
VRV). Damit wird vorausgesetzt, dass er den Unfallort nicht einfach verlassen darf. Nur weil das in Art. 51
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 51 - 1 Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
1    Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
2    Sind Personen verletzt, so haben alle Beteiligten für Hilfe zu sorgen, Unbeteiligte, soweit es ihnen zumutbar ist. Die Beteiligten, in erster Linie die Fahrzeugführer, haben die Polizei zu benachrichtigen. Alle Beteiligten, namentlich auch Mitfahrende, haben bei der Feststellung des Tatbestandes mitzuwirken. Ohne Zustimmung der Polizei dürfen sie die Unfallstelle nur verlassen, soweit sie selbst Hilfe benötigen, oder um Hilfe oder die Polizei herbeizurufen.
3    Ist nur Sachschaden entstanden, so hat der Schädiger sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und Namen und Adresse anzugeben. Wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen.
4    Bei Unfällen auf Bahnübergängen haben die Beteiligten die Bahnverwaltung unverzüglich zu benachrichtigen.
SVG festgelegte allgemeine Erfordernis der Polizeibenachrichtigung bei Unfällen mit Personenschaden entfällt, darf nicht angenommen werden, solche kleinen Verletzungen machten keinerlei Hilfe erforderlich und eine Führerflucht sei nicht möglich. Da Kollisionen zwischen einem Fahrzeug und einem Fussgänger oft schwere, nicht immer sichtbare Folgen nach sich ziehen, soll der Verletzer in jedem Fall nach dem Verunfallten sehen und auch bei harmlos scheinenden Verletzungen genau abklären, ob der Verletzte nicht noch grössere Schäden erlitten hat (LEIPOLD, a.a.O., S. 151; ULLRICH, a.a.O., S. 175 mit Hinweisen). Vorliegend hat die Vorinstanz verbindlich festgestellt (Art. 277bis
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 51 - 1 Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
1    Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
2    Sind Personen verletzt, so haben alle Beteiligten für Hilfe zu sorgen, Unbeteiligte, soweit es ihnen zumutbar ist. Die Beteiligten, in erster Linie die Fahrzeugführer, haben die Polizei zu benachrichtigen. Alle Beteiligten, namentlich auch Mitfahrende, haben bei der Feststellung des Tatbestandes mitzuwirken. Ohne Zustimmung der Polizei dürfen sie die Unfallstelle nur verlassen, soweit sie selbst Hilfe benötigen, oder um Hilfe oder die Polizei herbeizurufen.
3    Ist nur Sachschaden entstanden, so hat der Schädiger sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und Namen und Adresse anzugeben. Wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen.
4    Bei Unfällen auf Bahnübergängen haben die Beteiligten die Bahnverwaltung unverzüglich zu benachrichtigen.
BStP), dass F. durch den Unfall eine "leichte Verstauchung/Prellung/Schürfung" eines Fingers der rechten Hand erlitt. Dennoch verneinte sie die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Führerflucht aufgrund fehlender Verletzung im Sinne von Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG, weshalb sie sich zum subjektiven Tatbestand und zu allfälligen Rechtfertigungsgründen nicht äusserte. Nach dem Gesagten war hier das Tatbestandsmerkmal der Verletzung im Sinne von Art. 92 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG jedoch erfüllt. Indem die Vorinstanz dies verkannte, hat sie Bundesrecht verletzt. Folglich ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei dieser Sachlage ist unerheblich, ob der Beschwerdegegner den Vorsatz hatte, F. zu verletzen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 122 IV 356
Datum : 15. November 1996
Publiziert : 31. Dezember 1997
Quelle : Bundesgericht
Status : 122 IV 356
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 92 Abs. 2 SVG; pflichtwidriges Verhalten nach Unfall; Unfall, Verletzung. Atypischer Unfall. Wer mit seinem Personenwagen
Einordnung : Bestätigung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
BStP: 277bis
SVG: 51 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 51 - 1 Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
1    Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
2    Sind Personen verletzt, so haben alle Beteiligten für Hilfe zu sorgen, Unbeteiligte, soweit es ihnen zumutbar ist. Die Beteiligten, in erster Linie die Fahrzeugführer, haben die Polizei zu benachrichtigen. Alle Beteiligten, namentlich auch Mitfahrende, haben bei der Feststellung des Tatbestandes mitzuwirken. Ohne Zustimmung der Polizei dürfen sie die Unfallstelle nur verlassen, soweit sie selbst Hilfe benötigen, oder um Hilfe oder die Polizei herbeizurufen.
3    Ist nur Sachschaden entstanden, so hat der Schädiger sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und Namen und Adresse anzugeben. Wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen.
4    Bei Unfällen auf Bahnübergängen haben die Beteiligten die Bahnverwaltung unverzüglich zu benachrichtigen.
92
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
VRV: 55
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 55 Unfälle mit Personenschaden - (Art. 51 Abs. 1 und 2 SVG)
1    Bei Unfällen mit Personenschaden ist die Polizei sofort zu benachrichtigen, wenn jemand äussere Verletzungen aufweist oder wenn mit inneren Verletzungen zu rechnen ist.
2    Die Meldung an die Polizei ist nicht erforderlich bei kleinen Schürfungen oder Prellungen; der Schädiger muss aber dem Verletzten Namen und Adresse angeben. Die Polizei muss ebenfalls nicht beigezogen werden, wenn nur der Fahrzeugführer, seine Angehörigen oder Familiengenossen geringfügig verletzt wurden und keine Drittpersonen am Unfall beteiligt sind.
3    ...193
BGE Register
122-IV-356 • 83-IV-42 • 83-IV-46 • 95-IV-150 • 97-IV-224
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
flucht • strassenverkehrsgesetz • vorinstanz • verhalten • verkehrsunfall • wissen • bundesgericht • beschwerdegegner • sachverhalt • entscheid • verkehrsregelnverordnung • strassenverkehrswesen • kantonales rechtsmittel • bewilligung oder genehmigung • inkrafttreten • beginn • lausanne • verurteilung • personenschaden • kassationshof
... Alle anzeigen