122 IV 285
43. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 30. September 1996 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 268
, Art. 273 Abs. 1 lit. b
und Art. 277bis
BStP, Art. 141 Abs. 2
VZV; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges, neue Vorbringen, Treu und Glauben.
- Durfte oder musste die letzte kantonale Instanz nach dem kantonalen Prozessrecht auch Rechtsfragen prüfen, die ihr nicht ausdrücklich unterbreitet worden waren, so können diese Rechtsfragen mit der Nichtigkeitsbeschwerde neu vorgetragen werden, auch wenn sie der Beschwerdeführer vor der letzten kantonalen Instanz nicht aufgeworfen hat (E. 1c und d; Bestätigung der Rechtsprechung). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn der Beschwerdeführer in der Nichtigkeitsbeschwerde erstmals die Verletzung einer bundesrechtlichen Bestimmung geltend macht, die sich auf die Art der Beweisführung bezieht, und er nach Treu und Glauben verpflichtet war, den Einwand bereits im kantonalen Verfahren zu erheben (E. 1f).
Regeste (fr):
- Art. 268, art. 273 al. 1 let. b et art. 277bis PPF, art. 141 al. 2 OAC, épuisement des instances cantonales, moyens nouveaux, bonne foi.
- Si l'autorité cantonale avait la possibilité ou le devoir, selon le droit cantonal de procédure, d'examiner aussi des questions de droit qui ne lui étaient pas expressément soumises, ces questions peuvent être soulevées pour la première fois dans le cadre du pourvoi en nullité, même si le recourant ne les a pas fait valoir devant l'autorité cantonale de dernière instance (consid. 1c et d; confirmation de la jurisprudence). Ce principe souffre une exception lorsque le recourant soulève pour la première fois la violation d'une disposition de droit fédéral portant sur la manière d'administrer une preuve et que la bonne foi lui imposait de le faire valoir en instance cantonale déjà (consid. 1f).
Regesto (it):
- Art. 268, art. 273 cpv. 1 lett. b e art. 277bis PP, art. 141 cpv. 2 OAC; esaurimento delle istanze cantonali, allegazioni nuove, buona fede.
- Qualora l'autorità cantonale poteva o doveva, secondo il diritto processuale cantonale, esaminare anche questioni di diritto che non le erano state sottoposte esplicitamente, tali questioni sono suscettibili di essere sollevate per la prima volta nell'ambito di un ricorso per cassazione, anche se il ricorrente non le ha fatte valere dinanzi all'autorità cantonale di ultima istanza (consid. 1c e 1d; conferma della giurisprudenza). Eccezionalmente, questo principio non vale allorché, nel ricorso per cassazione, il ricorrente censura per la prima volta la violazione di una norma di diritto federale concernente le modalità di amministrare una prova ed egli, secondo la buona fede, era tenuto a proporre simile censura già nel quadro della procedura cantonale (consid. 1f).
Sachverhalt ab Seite 286
BGE 122 IV 285 S. 286
A.- Mit Strafbefehl vom 11. Juni 1992 verurteilte die Strafkommission des Kantons Obwalden S. wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeuges, fahrlässigen pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Unfall, Fahrens in angetrunkenem Zustand sowie versuchter Vereitelung der Blutprobe zu 6 Wochen Gefängnis (unbedingt).
B.- Am 24. November 1993 sprach ihn das Kantonsgericht des Kantons Obwalden frei.
C.- Auf Appellation der Staatsanwaltschaft hin verurteilte das Obergericht des Kantons Obwalden S. am 23. März 1995 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand und versuchter Vereitelung der Blutprobe zu 10 Wochen Gefängnis (unbedingt). In bezug auf die Anklage wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs und pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Unfall stellte es das Verfahren zufolge Verjährung ein.
D.- S. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 141 Abs. 2
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BGE 122 IV 285 S. 287
b) Die Beschwerdegegnerin bemerkt, der Beschwerdeführer habe diesen Einwand im kantonalen Verfahren nicht erhoben, obwohl der Bericht mit dem Ergebnis der Analyse vorgelegen sei. Es stelle sich deshalb die Frage, ob auf die Beschwerde insoweit eingetreten werden könne. c) Gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 305 - 1 Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den Artikeln 59-61, 63 und 64 vorgesehenen Massnahmen entzieht,419 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den Artikeln 59-61, 63 und 64 vorgesehenen Massnahmen entzieht,419 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
1bis | Ebenso wird bestraft, wer jemanden, der im Ausland wegen eines Verbrechens nach Artikel 101 verfolgt wird oder verurteilt wurde, der dortigen Strafverfolgung oder dem dortigen Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer Massnahme im Sinne der Artikel 59-61, 63 oder 64 entzieht.420 |
2 | Begünstigt der Täter seine Angehörigen oder jemand anderen, zu dem er in so nahen persönlichen Beziehungen steht, dass sein Verhalten entschuldbar ist, so bleibt er straflos.421 |
BGE 122 IV 285 S. 288
e) Wenn die Staatsanwaltschaft, wie in BGE 120 IV 98, im kantonalen Verfahren ausschliesslich Bestrafung nach einem kantonalrechtlichen Tatbestand beantragt hat und erstmals im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde geltend macht, der Anklagesachverhalt erfülle überdies einen bundesrechtlichen Straftatbestand, kann man Bedenken haben unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben und dem des rechtlichen Gehörs. Wenn die Anklagebehörde davon ausgeht, der Anklagesachverhalt erfülle nebst einem kantonalrechtlichen auch einen eidgenössischen Straftatbestand, darf man von ihr erwarten, dass sie das bereits vor der ersten, spätestens aber vor der zweiten kantonalen Instanz ausdrücklich vorbringt, und zwar so, dass sich der Angeklagte gehörig dagegen verteidigen kann. Wie es sich damit verhält, kann auch hier offenbleiben. In Betracht zu ziehen ist immerhin, dass die Staatsanwaltschaft in einem solchen Fall überzeugende Gründe dafür haben muss, dass sie vor Bundesgericht eine neue rechtliche Argumentation vorbringt. Denkbar wäre etwa, dass erst aufgrund einer höchstrichterlichen Änderung der Rechtsprechung während des kantonalen Verfahrens deutlich wird, dass der Anklagesachverhalt auch einen bundesrechtlichen Straftatbestand erfüllt. f) Im hier zu beurteilenden Fall macht der Beschwerdeführer in der Nichtigkeitsbeschwerde erstmals die Verletzung einer bundesrechtlichen Bestimmung geltend, welche sich auf die Art der Beweisführung bezieht. Hätte der Beschwerdeführer den Einwand bereits im kantonalen Verfahren erhoben, hätte die Vorinstanz, soweit nötig, durch eine einfache Abklärung die Berechtigung des Vorbringens überprüfen können. Dem Kassationshof, der grundsätzlich kein Beweisergänzungsverfahren durchführen kann, ist dies verwehrt. Unter diesen Umständen war der Beschwerdeführer nach Treu und Glauben verpflichtet, den Einwand bereits im vorinstanzlichen Verfahren zu erheben. Der Grundsatz, wonach mit der Nichtigkeitsbeschwerde Rechtsfragen neu vorgetragen werden können, sofern sie bereits vorinstanzlich hätten geprüft werden können, ist also wie folgt einzuschränken: Betrifft die Frage des Bundesrechts der Sache nach das Beweisrecht und war der Beschwerdeführer nach Treu und Glauben verpflichtet, den Einwand bereits im kantonalen Verfahren zu erheben, ist sein Vorbringen im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verspätet. Auf die Beschwerde wird im vorliegenden Punkt deshalb nicht eingetreten.