121 III 60
17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Januar 1995 i.S. X. gegen Verein Y. (Berufung)
Regeste (de):
- Kündigungsrecht und Begründungspflicht (Art. 335
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden.
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. 2 Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. - Eine Kündigung entfaltet ihre Wirkung unabhängig davon, ob der Begründungspflicht nachgekommen wird. Sie bleibt von den Sanktionen unberührt, die an eine Verletzung der Begründungspflicht anknüpfen; insbesondere besteht für den Fall einer unwahren Begründung keine gesetzliche Vermutung, die Kündigung sei missbräuchlich (E. 3b und c).
- Für die Anwendung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots bleibt neben den gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen wenig Raum. Die unwahre Begründung als solche stellt keinen Rechtsmissbrauch dar (E. 3d).
Regeste (fr):
- Droit de résilier et obligation de motiver (art. 335 CO); abus de droit (art. 2 al. 2 CC).
- La résiliation produit ses effets indépendamment du respect de l'obligation de motiver. Elle n'est pas touchée par les sanctions qui sont attachées à la violation de l'obligation de motiver; en particulier, il n'existe pas de présomption légale selon laquelle la résiliation serait abusive lorsque la motivation est fausse (consid. 3b et c).
- Vu les limitations légales du droit de résilier, il n'y a que peu de place pour une application de l'interdiction générale de l'abus de droit. La motivation fausse ne constitue pas, comme telle, un abus de droit (consid. 3d).
Regesto (it):
- Diritto alla disdetta e obbligo di motivazione (art. 335 CO); abuso di diritto (art. 2 cpv. 2 CC).
- La disdetta espleta i propri effetti indipendentemente dal rispetto dell'obbligo di motivazione. Essa non è toccata dalle sanzioni concernenti la violazione dell'obbligo di motivazione; in particolare, non vi è una presunzione legale secondo cui la disdetta sarebbe abusiva allorquando la motivazione è falsa (consid. 3b e c).
- A fianco delle limitazioni legali del diritto di disdetta resta poco spazio per un'applicazione del divieto generale dell'abuso di diritto. La motivazione falsa non costituisce, come tale, un abuso di diritto (consid. 3d).
Sachverhalt ab Seite 60
BGE 121 III 60 S. 60
X. arbeitete seit dem 15. Juni 1979 als Mütterberatungsschwester für den Verein Y. bzw. dessen Vorgängerorganisation. Mit Schreiben vom 2. März 1993 kündigte die Vereinsleitung das Arbeitsverhältnis auf den 30. Juni 1993. Dem Schreiben lag die von der vorinformierten X. verlangte Begründung der Kündigung bei. Danach soll es ihr Mühe bereitet haben, den Richtlinien für die Tätigkeit der Mütterberatungsschwester im Verein Y. zu folgen und das Weisungsrecht des Arbeitgebers zu akzeptieren; sie habe in den letzten Jahren die Anforderungen an eine Mütterberatungsschwester nicht mehr erfüllt, die Situation sei untragbar geworden. X. erhob am 22. Juni 1993
BGE 121 III 60 S. 61
Einsprache gegen die Kündigung und erklärte insbesondere, mit der gelieferten Begründung könne sie nichts anfangen. Der nachfolgende Briefwechsel brachte keine Einigung zwischen den Parteien. Am 23. bzw. 26. November 1993 klagte X. beim zuständigen Arbeitsgericht auf Zahlung einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung, unter Vorbehalt des Nachklagerechts. Das Arbeitsgericht wies mit Urteil vom 26. Januar 1994 die Klage vollumfänglich ab. Gleich entschied das Kantonsgericht St. Gallen mit Urteil vom 3. August 1994. Die von der Klägerin erhobene Berufung weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. a) Die Vorinstanz verwarf im angefochtenen Entscheid die Auffassung der Klägerin, Rechtsmissbrauch sei bereits gegeben, wenn die vom Arbeitgeber angeführten Kündigungsgründe nicht richtig seien. Im Verfahren betreffend Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung sei einzig entscheidend, ob der ausschlaggebende Kündigungsgrund missbräuchlich sei. Die vom Beklagten genannten Gründe liessen indessen keine Missbräuchlichkeit erkennen. Die Klägerin halte diese Gründe zwar für falsch, behaupte aber selbst nicht, es liege ein vom Beklagten nicht genannter, missbräuchlicher Kündigungsgrund vor. Auch wenn im vorliegenden Verfahren der Untersuchungsgrundsatz gelte (Art. 343 Abs. 4

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 343 |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |
BGE 121 III 60 S. 62
werden darf. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend (BK-REHBINDER, N. 10 zu Art. 336

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336a - 1 Die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, hat der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten. |
Gemäss Art. 335 Abs. 2

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 337 - 1 Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen; er muss die fristlose Vertragsauflösung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt.207 |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336a - 1 Die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, hat der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |
BGE 121 III 60 S. 63
a.a.O., N. 17 zu Art. 336

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
|
1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
|
1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
BGE 121 III 60 S. 64
gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen, wie sie seit der Revision von 1988 auch in Art. 336

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |