111 II 242
50. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Oktober 1985 i.S. X. gegen Y. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 2 ZGB; Art. 336 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht:
1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: a wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb; b weil die andere Partei ein verfassungsmässiges Recht ausübt, es sei denn, die Rechtsausübung verletze eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb; c ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln; d weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht; e weil die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet oder eine nicht freiwillig übernommene gesetzliche Pflicht erfüllt. 2 Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist im Weiteren missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird: a weil der Arbeitnehmer einem Arbeitnehmerverband angehört oder nicht angehört oder weil er eine gewerkschaftliche Tätigkeit rechtmässig ausübt; b während der Arbeitnehmer gewählter Arbeitnehmervertreter in einer betrieblichen oder in einer dem Unternehmen angeschlossenen Einrichtung ist, und der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte; c im Rahmen einer Massenentlassung, ohne dass die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer, konsultiert worden sind (Art. 335f). 3 Der Schutz eines Arbeitnehmervertreters nach Absatz 2 Buchstabe b, dessen Mandat infolge Übergangs des Arbeitsverhältnisses endet (Art. 333), besteht so lange weiter, als das Mandat gedauert hätte, falls das Arbeitsverhältnis nicht übertragen worden wäre.195 - 1. Die Kündigungsfreiheit untersteht grundsätzlich dem Verbot des Rechtsmissbrauchs (E. 2a). Kein Rechtsmissbrauch, wenn von einem Schlafwagenbegleiter nach fünf Jahren klagloser Tätigkeit ein Leumundszeugnis verlangt und ihm wegen einer 12 Jahre zurückliegenden Verurteilung gekündigt wird (E. 2b und c).
- 2. Art. 37 Ziff. 1 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht:
1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: a wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb; b weil die andere Partei ein verfassungsmässiges Recht ausübt, es sei denn, die Rechtsausübung verletze eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb; c ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln; d weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht; e weil die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet oder eine nicht freiwillig übernommene gesetzliche Pflicht erfüllt. 2 Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist im Weiteren missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird: a weil der Arbeitnehmer einem Arbeitnehmerverband angehört oder nicht angehört oder weil er eine gewerkschaftliche Tätigkeit rechtmässig ausübt; b während der Arbeitnehmer gewählter Arbeitnehmervertreter in einer betrieblichen oder in einer dem Unternehmen angeschlossenen Einrichtung ist, und der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte; c im Rahmen einer Massenentlassung, ohne dass die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer, konsultiert worden sind (Art. 335f). 3 Der Schutz eines Arbeitnehmervertreters nach Absatz 2 Buchstabe b, dessen Mandat infolge Übergangs des Arbeitsverhältnisses endet (Art. 333), besteht so lange weiter, als das Mandat gedauert hätte, falls das Arbeitsverhältnis nicht übertragen worden wäre.195
Regeste (fr):
- Art. 2 CC; art. 336 al. 1 CO. Congé donné à un travailleur qui a subi une condamnation; abus de droit?
- 1. Le libre exercice du droit de résiliation trouve ses limites dans l'interdiction de l'abus de droit (consid. 2a). Ne commet pas d'abus de droit l'employeur qui donne congé à un contrôleur des wagons-lits, après cinq ans d'activité irréprochable, sur le vu d'un certificat de bonnes moeurs dont il a exigé la production et qui révèle une condamnation subie 12 ans plus tôt par le travailleur (consid. 2b et c).
- 2. Art. 37 ch. 1 al. 1 CP. La nécessité de favoriser la réinsertion sociale du détenu demeure sans effet sur les devoirs contractuels des particuliers (consid. 2d).
Regesto (it):
- Art. 2 CC; art. 336 cpv. 1 CO; disdetta nei confronti di un lavoratore pregiudicato; abuso di diritto?
- 1. Il libero esercizio del diritto di disdetta soggiace in linea di principio al divieto dell'abuso di diritto (consid. 2a). Non commette abuso di diritto il datore di lavoro che, dopo cinque anni d'attività irreprensibile di un controllore di vagoni letto, esige da costui un certificato di buona condotta e disdice il rapporto di lavoro a causa di una condanna ivi risultante e risalente a 12 anni prima (consid. 2b, c).
- 2. Art. 37 n. 1 cpv. 1 CP. Il principio per cui va favorito il reinserimento sociale del condannato non si riflette sulle obbligazioni contrattuali dei privati (consid. 2d).
Sachverhalt ab Seite 242
BGE 111 II 242 S. 242
A.- 1976 stellte die Y. den X. als Schlafwagenbegleiter an. Am 22. Juli 1981 kündigte die Y. den Arbeitsvertrag auf den
BGE 111 II 242 S. 243
30. September 1981. Sie begründete ihren Schritt damit, sie beschäftige einzig Personal ohne Vorstrafen; bei X. habe sich jedoch nachträglich ergeben, dass er vorbestraft sei.
B.- X. klagte am 12. April 1983 gegen die Y. Er beantragte, die Nichtigkeit der Kündigung festzustellen, ihn wieder als Schlafwagenbegleiter einzusetzen und ihm Ersatz des von der Arbeitslosenversicherung nicht gedeckten Lohnausfalls seit dem 15. Juni 1981 zuzusprechen. Beide kantonalen Instanzen haben die Klage abgewiesen. Das Bundesgericht weist eine gegen das Urteil des Appellationsgerichts vom 11. Januar 1985 eingereichte Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Zu prüfen bleibt, ob die Vorinstanz Bundesrecht dadurch verletzt hat, dass sie Rechtsmissbrauch verneint und die Gültigkeit der Kündigung bejaht hat. Das geltende Arbeitsvertragsrecht beruht auf dem Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Jeder Vertragspartner kann ein auf unbestimmte Zeit vereinbartes Arbeitsverhältnis kündigen, ohne dafür einen Grund angeben zu müssen. Er muss jedoch die in Art. 336a

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336a - 1 Die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, hat der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten. |
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1 | Die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, hat der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten. |
2 | Die Entschädigung wird vom Richter unter Würdigung aller Umstände festgesetzt, darf aber den Betrag nicht übersteigen, der dem Lohn des Arbeitnehmers für sechs Monate entspricht. Schadenersatzansprüche aus einem anderen Rechtstitel sind vorbehalten. |
3 | Ist die Kündigung nach Artikel 336 Absatz 2 Buchstabe c missbräuchlich, so darf die Entschädigung nicht mehr als den Lohn des Arbeitnehmers für zwei Monate betragen.197 |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
BGE 111 II 242 S. 244
wenig Raum bleibt. Die Rechtsprechung ist denn auch nicht der Gefahr erlegen, den Grundsatz der Vertragsfreiheit reinen Billigkeitsüberlegungen im Sinn des gerade Angemessenen oder sozial-ethisch Wünschbaren zu opfern, wovor MERZ gewarnt hat (N. 32 und 60 zu Art. 2

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
BGE 111 II 242 S. 245
dem Kläger nicht, weil die Vorstrafe dem wahren Kündigungsgrund entsprach und nicht nur einen Vorwand gegenüber einem missliebigen Gewerkschafter abgab. Die Praxis der Beklagten, nur Personen ohne Vorstrafe zu beschäftigen, lässt sich gegenüber Schlafwagenbegleitern mit einer ausgeprägten Vertrauensstellung rechtfertigen. Dazu kommt, dass es sich nicht um eine Vorstrafe für geringfügige Delikte handelte, sondern - wie das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt feststellte - um eine für Vermögensdelikte auffallend hohe Freiheitsstrafe. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Verurteilung des Klägers schon zwölf Jahre zurücklag und dass er fünf Jahre klaglos bei der Beklagten gearbeitet hat. d) Der Einwand des Klägers, die Kündigung verunmögliche ihm die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und verstosse deshalb gegen einen Grundsatz des Strafvollzugs (Art. 37 Ziff. 1 Abs. 1

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 336 - 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |
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1 | Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: |
a | wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb; |
b | weil die andere Partei ein verfassungsmässiges Recht ausübt, es sei denn, die Rechtsausübung verletze eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb; |
c | ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln; |
d | weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht; |
e | weil die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet oder eine nicht freiwillig übernommene gesetzliche Pflicht erfüllt. |
2 | Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist im Weiteren missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird: |
a | weil der Arbeitnehmer einem Arbeitnehmerverband angehört oder nicht angehört oder weil er eine gewerkschaftliche Tätigkeit rechtmässig ausübt; |
b | während der Arbeitnehmer gewählter Arbeitnehmervertreter in einer betrieblichen oder in einer dem Unternehmen angeschlossenen Einrichtung ist, und der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte; |
c | im Rahmen einer Massenentlassung, ohne dass die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer, konsultiert worden sind (Art. 335f). |
3 | Der Schutz eines Arbeitnehmervertreters nach Absatz 2 Buchstabe b, dessen Mandat infolge Übergangs des Arbeitsverhältnisses endet (Art. 333), besteht so lange weiter, als das Mandat gedauert hätte, falls das Arbeitsverhältnis nicht übertragen worden wäre.195 |