120 Ia 43
5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Januar 1994 i.S. X gegen Anklagekammer des Kantonsgerichtes des Staates Freiburg (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; b ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; c sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; d Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; e unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. - Bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Offizialverteidigung ist nicht die abstrakte gesetzliche Strafdrohung massgeblich. Vielmehr ist grundsätzlich auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen. Falls eine Freiheitsstrafe von einigen Wochen bis Monaten in Frage kommt, ist für die Annahme eines direkt aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; art. 6 par. 3 let. c CEDH (droit au défenseur d'office).
- Dans l'appréciation du besoin de l'accusé d'être assisté d'un défenseur d'office, il ne suffit pas de prendre en compte, de manière abstraite, la peine dont l'accusé est menacé en vertu de la loi, mais toutes les circonstances concrètes du cas. Si l'accusé encourt une peine privative de liberté de quelques semaines à quelques mois, le droit au défenseur d'office, déduit directement de l'art. 4 Cst., doit en principe être reconnu lorsque le cas soulève des difficultés particulières, sous l'angle des faits ou du droit (confirmation de la jurisprudence, consid. 2). De telles difficultés existent en l'espèce (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; art. 6 n. 3 lett. c CEDU (diritto ad un difensore d'ufficio).
- Nella valutazione della necessità dell'accusato di essere assistito da un difensore d'ufficio, non è sufficiente prendere in considerazione, in maniera astratta, la pena di cui l'accusato è minacciato in virtù della legge, ma di tutte le circostanze concrete del caso. Se l'accusato incorre in una pena privativa della libertà che va da qualche settimana sino a qualche mese, il diritto ad un difensore d'ufficio, dedotto direttamente dall'art. 4 Cost., deve, in linea di principio, essere riconosciuto se il caso presenta difficoltà particolari dal profilo dei fatti o del diritto (conferma della giurisprudenza, consid. 2). Nella fattispecie sussistono tali difficoltà (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 44
BGE 120 Ia 43 S. 44
Der Untersuchungsrichter des Sensebezirkes des Kantons Freiburg führt eine Strafuntersuchung gegen X, u.a. wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Am 9. November 1992 wurde ein psychiatrisches Gutachten zum Geisteszustand von X ausgefertigt. Der Experte stellte bei ihr unter anderem eine Polytoxikomanie fest. Mit Entscheid vom 13. Juli 1993 lehnte die Anklagekammer des Kantonsgerichtes des Staates Freiburg das Gesuch von X um Ernennung eines amtlichen Verteidigers ab. Der Entscheid wurde damit begründet, dass die Voraussetzungen für die Beigabe eines Offizialverteidigers nach kantonalem Strafprozessrecht nicht erfüllt seien. Die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde heisst das Bundesgericht gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der Anspruch auf Offizialverteidigung wird in erster Linie durch die Vorschriften des kantonalen Strafprozessrechtes geregelt. Unabhängig davon greifen die direkt aus Verfassung und Europäischer Menschenrechtskonvention hergeleiteten Minimalgarantien Platz. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, die kantonalen Behörden hätten das Freiburger Strafprozessrecht falsch angewendet. Sie rügt vielmehr, die auf kantonales Recht gestützte Verweigerung der amtlichen Verteidigung verstosse gegen den direkt aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 120 Ia 43 S. 45
Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen (BGE 117 Ia 277 E. 5a S. 279; BGE 116 Ia 295 E. 6a S. 303 f.; BGE 115 Ia 103 S. 105; BGE 114 V 228 E. 4a S. 231 f.; BGE 113 Ia 218 E. 3b S. 221; BGE 112 Ia 14 E. 3c S. 17 f.). Falls das in Frage stehende Verfahren besonders stark in die Rechtspositionen des Betroffenen eingreift, ist die Bestellung eines amtlichen Rechtsvertreters nach der Praxis des Bundesgerichtes grundsätzlich geboten. Dies trifft insbesondere im Strafprozess zu, wenn dem Angeschuldigten eine schwerwiegende freiheitsentziehende Massnahme oder eine Strafe droht, deren Dauer die Gewährung des bedingten Strafvollzuges ausschliesst (BGE 116 Ia 295 E. 6a S. 304; BGE 115 Ia 103 S. 105, je mit Hinweisen). In BGE 117 Ia 282 hat das Bundesgericht offengelassen, ob in einem Verfahren betreffend Rückversetzung in den Massnahmenvollzug nach bedingter oder probeweiser Entlassung gemäss Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 45 - Hat sich der Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit bewährt, so wird die aufgeschobene Strafe nicht mehr vollzogen. |
BGE 120 Ia 43 S. 46
EGMR Série A, vol. 205, Ziff. 33 = VPB 1991 Nr. 52, S. 428 f.). Dieser "abstrakten" Betrachtungsweise ist das Bundesgericht nicht gefolgt. Massgebend für die Notwendigkeit der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht sein, welche Sanktion aufgrund des obersten Strafrahmens theoretisch denkbar wäre. Andernfalls müsste auch bei völlig geringfügigen Vergehen mit Bagatellcharakter ein Anspruch auf amtliche Verteidigung bejaht werden. Dies aber entspräche nicht dem Sinn und Zweck des in Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
3. a) Im vorliegenden Fall wird die Bedürftigkeit der arbeitslosen und schuldenbelasteten Beschwerdeführerin nicht bestritten. Zu prüfen ist jedoch, ob die von ihr beantragte Offizialverteidigung sich als notwendig aufdrängt. Fraglich erscheint bereits, ob hier von einem nur "relativ" schweren Fall im Sinne der dargelegten Praxis ausgegangen werden kann. Der Beschwerdeführerin wird insbesondere Drogenhandel mit über 130 Kilogramm Cannabis und ca. 200 Gramm Heroin sowie Konsum harter Drogen vorgeworfen. Sie muss daher mit einer Anklage wegen qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz rechnen. Dazu kommen noch weitere strafrechtliche Vorwürfe wie Diebstähle, Entwendungen sowie Erschleichen von Leistungen. Das Verfahren wegen sexueller Belästigung (Art. 198
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 198 - 1 Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt, |
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1 | Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt, |
2 | Die zuständige Behörde kann die beschuldigte Person zum Besuch eines Lernprogramms verpflichten. Absolviert diese das angeordnete Lernprogramm, wird das Verfahren eingestellt. |
3 | Die zuständige Behörde entscheidet über die Kosten des Verfahrens und über allfällig geltend gemachte Forderungen der Zivilpartei. |
BGE 120 Ia 43 S. 47
Fall eine Freiheitsstrafe von über 18 Monaten droht, kann allerdings offengelassen werden. Wie aus den nachfolgenden Erwägungen ergeht, ist angesichts der Schwere und Komplexität der Tatvorwürfe sowie des schlechten psychischen und gesundheitlichen Zustandes der Beschwerdeführerin jedenfalls von besonderen Schwierigkeiten des Falles auszugehen, welche eine Offizialverteidigung notwendig erscheinen lassen. b) Im zitierten Quaranta-Urteil hat der Europäische Gerichtshof das Zusammentreffen gewisser rechtlicher und tatsächlicher Umstände als besondere Schwierigkeit gewertet. Zum einen hatte der Strafrichter neben der Festlegung einer neuen Sanktion wegen Drogendelikten über den Widerruf eines früher ausgesprochenen bedingten Strafvollzuges zu entscheiden. Sodann handelte es sich beim Angeschuldigten um einen jungen Erwachsenen, der regelmässig Drogen konsumierte, keine Berufsausbildung besass und mehrfach vorbestraft war (EGMR Série A, vol. 205, Ziff. 34 f.). In einem ähnlichen Fall hat das Bundesgericht die Notwendigkeit der Offizialverteidigung ebenfalls bejaht. Es ging dabei um einen 22jährigen heroinsüchtigen und vorbestraften Angeschuldigten. Dieser war erstinstanzlich zwar zu einer verhältnismässig geringen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden, es drohte ihm jedoch die Wiedereinsetzung in den Strafvollzug nach bedingter Entlassung sowie der Widerruf einer bedingt ausgesprochenen früheren Strafe von zwei Monaten Gefängnis (nicht amtlich publiziertes Urteil des Bundesgerichtes vom 28. September 1992 i.S. H., E. 3; s. ZBJV 1992, S. 732 f.). ...
c) Analoges muss auch für das vorliegende Strafverfahren gelten. Der einschlägig vorbestraften Beschwerdeführerin droht im Falle einer Verurteilung eine empfindliche Strafe von jedenfalls mehreren Monaten Gefängnis. Dazu kommt der mögliche Widerruf des bedingten Strafvollzuges für eine am 4. Juli 1991 durch das Richteramt VI von Bern bereits ausgesprochene siebentägige Haftstrafe. Die 23jährige Angeschuldigte, die keine Berufsausbildung abgeschlossen hat, ist ausserdem schwerst drogensüchtig. Im psychiatrischen Gutachten wurden bei ihr eine Polytoxikomanie mit Alkohol, Heroin, Kokain, Cannabis sowie Beruhigungs- und Schlafmitteln und, neben Zeichen einer suchtbedingten allgemeinen Verwahrlosung, neurotisch-depressive Störungen diagnostiziert. Gemäss Expertise sei die Beschwerdeführerin generell "unfähig, zum jetzigen Zeitpunkt alleine ihr Leben angemessen und adäquat zu bestimmen". In Würdigung all dieser Umstände erweist sich die Offizialverteidigung im vorliegenden Fall als notwendig.