120 Ia 217
32. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Mai 1994 i.S. Saddik X. gegen Appellationshof des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Der Anspruch darf nicht vom Bestehen eines Staatsvertrages mit dem Wohnsitzstaat oder von dessen Zusicherung der Gleichbehandlung abhängig gemacht werden.
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; droit constitutionnel à l'assistance judiciaire d'un étranger domicilié à l'étranger.
- L'octroi de ce droit ne doit pas être subordonné à l'existence d'un traité international avec l'Etat du domicile du plaideur ou à l'assurance de l'égalité de traitement dans cet Etat.
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; diritto di uno straniero domiciliato all'estero all'assistenza giudiziaria.
- Tale diritto non può essere fatto dipendere dall'esistenza di un trattato internazionale con lo Stato di domicilio o da una garanzia di reciprocità.
Sachverhalt ab Seite 217
BGE 120 Ia 217 S. 217
Saddik X., ein libyscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Libyen, liess sich in einer Klinik in Bern in den Jahren 1988 und 1989 dreimal an den Kniegelenken operieren. Diese Operationen brachten nicht das von ihm erhoffte Ergebnis. Nach seiner Auffassung sind insbesondere bei der dritten Operation und der Nachbehandlung Fehler unterlaufen, aus welchen sich eine Haftung des Arztes Dr. Y. ergebe. Mit Eingabe vom 18. November 1993 stellte X. beim Appellationshof des Kantons Bern das Gesuch, es sei ihm im Hinblick auf die Einreichung einer Klage gegen Y. die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren. Der Appellationshof wies das Gesuch am 13. Dezember 1993 ab.
BGE 120 Ia 217 S. 218
X. hat gegen den Entscheid des Appellationshofs staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Der Appellationshof stützt seinen Entscheid in erster Linie auf Art. 77 Abs. 3 ZPO/BE ab. Danach wird Ausländern mit Wohnsitz im Ausland das Recht der unentgeltlichen Prozessführung in der Regel nur dann erteilt, wenn ihr Heimatstaat bernischen Staatsangehörigen die Gleichbehandlung gewährt oder zusichert. Staatsverträge bleiben vorbehalten. Diese Voraussetzungen zur Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege sind im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben. Der Beschwerdeführer hat indessen bereits im kantonalen Verfahren geltend gemacht, der grundsätzliche Anspruch eines Ausländers mit Wohnsitz im Ausland auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ergebe sich unmittelbar aus Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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BGE 120 Ia 217 S. 219
des Bundesgerichts in den Hintergrund getreten ist. Betont wird heute vielmehr das Prinzip der "Waffengleichheit", nach dem jede Partei grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre finanzielle Situation unter den durch die Rechtsprechung festgelegten Voraussetzungen Zugang zu den Gerichten und Anspruch auf die Vertretung durch einen Rechtskundigen haben soll (BGE 119 Ia 134 E. 4 S. 135 mit Hinweis). Von diesem Gesichtspunkt aus lässt sich indessen eine unterschiedliche Behandlung je nach Staatsangehörigkeit und Wohnsitz des Gesuchstellers nicht mit sachlichen Gründen rechtfertigen. In der Literatur wird denn auch mehrheitlich die Meinung vertreten, aus Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
|
a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
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