119 IV 38
7. Urteil des Kassationshofes vom 24. März 1993 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 161 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 161
- 1. Die Strafbarkeit des Tipnehmers setzt voraus, dass ihm eine insiderrelevante Tatsache von einem Insider mitgeteilt wird; nicht erforderlich ist, dass der Tipgeber wegen Insidermissbrauchs bestraft wird (E. 3a).
- 2. Nach Art. 161 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 161
- a) wer zufällig in den Besitz des Insiderwissens gelangt oder aus unverfänglichen Mitteilungen oder Andeutungen die richtigen Schlüsse gezogen hat (E. 3a);
- b) wer aus Mitteilungen von Personen, die sich nicht auf Insiderwissen, sondern auf eine Analyse des Börsengeschehens stützten, die richtigen Schlüsse gezogen hat (E. 3b).
Regeste (fr):
- Art. 161 ch. 2 CP; bénéficiaire d'une indiscrétion.
- 1. Le bénéficiaire de l'indiscrétion n'est punissable que s'il a reçu communication, par un initié, d'un fait dont la connaissance est réservée aux seuls initiés. Il n'est pas nécessaire que l'auteur de l'indiscrétion soit condamné pour délit d'initié (consid. 3a).
- 2. N'est pas punissable au regard de l'art. 161 ch. 2 CP:
- a) celui qui obtient connaissance du fait confidentiel par hasard ou qui tire des conclusions pertinentes de communications anodines ou de simples allusions (consid. 3a);
- b) celui qui parvient à des déductions exactes grâce aux renseignements fournis par des personnes n'appartenant pas au cercle des initiés, mais se fondant sur l'analyse des événements boursiers (consid. 3b).
Regesto (it):
- Art. 161 n. 2 CP; beneficiario di un'indiscrezione.
- 1. Il beneficiario dell'indiscrezione è punibile soltanto se abbia ricevuto, da parte di un iniziato, comunicazione di un fatto la cui conoscenza è riservata ai soli iniziati. Non occorre che l'autore dell'indiscrezione sia punito per abuso di informazioni privilegiate (consid. 3a).
- 2. Non è punibile ai sensi dell'art. 161 n. 2 CP:
- a) chi ottiene conoscenza del fatto confidenziale casualmente o ha tratto deduzioni pertinenti da comunicazioni anodine o da semplici allusioni (consid. 3a);
- b) chi ha tratto deduzioni pertinenti da informazioni fornite da persone che non appartengono alla cerchia degli iniziati ma che si sono fondate sull'analisi dell'evoluzione della borsa (consid. 3b).
Sachverhalt ab Seite 39
BGE 119 IV 38 S. 39
A.- a) Anlässlich der Bilanzpressekonferenz der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) vom 3. März 1989 wurde der Öffentlichkeit die Absicht bekanntgegeben, im Rahmen einer Umstrukturierung die bereits als Schwestergesellschaft bestehende CS-Holding zur Dachholding und Muttergesellschaft der SKA-Gruppe auszubauen. Zu diesem Zweck wurde den Aktionären ein aktionärsfreundliches Angebot gemacht, ihre Aktien in solche der CS-Holding umzutauschen. Die Tatsache der Umstrukturierung der SKA-Gruppe mit den damit verbundenen Änderungen war geeignet, den Kurs der börslich gehandelten SKA-Titel erheblich in die Höhe zu treiben, und wurde bis zum Zeitpunkt der Pressekonferenz als geheim klassifiziert. b) X. war im damaligen Zeitpunkt als Ringhändler der BZ Bank an der Börse in Zürich tätig. Anlässlich der Börsensitzung am Vortag der Bilanzpressekonferenz der SKA traf er mit dem für die SKA tätigen Ringhändler Y. die Abmachung, gleichentags gemeinsam eine möglichst grosse Anzahl von SKA-Inhaberaktien zu erwerben, wobei das Gesamtengagement sieben Millionen Franken nicht übersteigen sollte. X. beabsichtigte zudem, Call-Optionen auf den erwähnten Basistitel zu kaufen, an welchem Geschäft er Y. aber nicht beteiligen wollte. Am fraglichen 2. März 1989 kaufte X. über die Bank Rinderknecht AG als Ringbank 1400 Inhaberaktien SKA zum Kurs von Fr. 2700.-- und weitere 1000 gleiche Titel zum Kurs von Fr. 2690.-- im
BGE 119 IV 38 S. 40
Gesamtwert von Fr. 6'484'718.40. Ebenfalls am 2. März 1989 erwarb er über die SOFFEX-Optionenbörse 100 Call-Optionen auf den Basistitel SKA-Inhaber + PS CS-Holding mit Ausübungspreis Fr. 2600.-- und Verfalldatum März zum Preis von Fr. 93'951.--. Nachdem der Handel mit SKA-Titeln und diesbezüglichen Optionen am Tag der Bilanzpressekonferenz an den Schweizer Börsen vorsorglich sistiert worden war, kletterte der Kurs der Inhaberaktie kurzfristig auf Fr. 3010.--. Am 6. März 1989 verkaufte X. die 2400 SKA-Inhabertitel wieder in Tranchen zu 1000 Stück zum Preis von Fr. 2970.--, 900 Stück zum gleichen Preis und 500 Stück zum Preis von Fr. 2975.--, wofür ihm insgesamt Fr. 7'104'864.45 gutgeschrieben wurden. Der Nettogewinn, von dem er Y. Fr. 250'000.-- in bar aushändigen liess, betrug Fr. 620'146.05. Ebenfalls am 6. März 1989 verkaufte er die 100 Call-Optionen zum Preis von insgesamt Fr. 189'296.30, wobei er einen Nettogewinn von Fr. 95'345.30 erzielte. c) Die Strafuntersuchungsbehörden warfen X. vor, er habe den Kurssprung der SKA-Titel vorausgesehen, da er auf nicht näher bekanntem Weg und von einer nicht namentlich bekannten Person einen Tip hinsichtlich der Umstrukturierungsmassnahmen der SKA erhalten habe, bevor diese öffentlich bekanntgegeben wurden. Es wurde vermutet, beim Informanten habe es sich entweder um einen (echten oder unechten) Insider gehandelt, der die vertrauliche Tatsache kraft seiner Stellung oder Funktion in der die Umstrukturierung bewerkstelligenden Projektgruppe "Omnirex" erfahren habe, oder aber seinerseits um einen Tipnehmer, der die Information von einem Insider hatte.
B.- Das Bezirksgericht Zürich sprach X. am 27. Juni 1991 des fortgesetzten Ausnützens der Kenntnis einer vertraulichen Tatsache im Sinne von Art. 161 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 161 |
Im Berufungsverfahren sprach ihn das Obergericht des Kantons Zürich am 29. September 1992 frei.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das obergerichtliche Urteil sei wegen Verletzung von Art. 161 Ziff. 2
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BGE 119 IV 38 S. 41
StGB aufzuheben und die Sache zur Schuldigsprechung und Bestrafung wegen Ausnützens der Kenntnis vertraulicher Tatsachen sowie zur Einziehung des Deliktserlöses an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wer als (echter oder unechter) Insider sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil verschafft, indem er die Kenntnis einer vertraulichen Tatsache, deren Bekanntwerden den Kurs von in der Schweiz börslich oder vorbörslich gehandelten Aktien, anderen Wertschriften oder entsprechenden Bucheffekten der Gesellschaft oder von Optionen auf solche in voraussehbarer Weise erheblich beeinflussen wird, ausnützt oder diese Tatsache einem Dritten zur Kenntnis bringt, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft. Zum Täterkreis zählt das Gesetz Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und der Revisionsstelle, Beauftragte der Aktiengesellschaft oder einer sie beherrschenden oder von ihr abhängigen Gesellschaft, Mitglieder einer Behörde oder Beamte sowie Hilfspersonen einer der vorgenannten Personen (Art. 161 Ziff. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 161 |
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2. a) Die Anklage ging davon aus, der Beschwerdegegner habe eine vertrauliche Tatsache im Sinne von Art. 161 Ziff. 1
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BGE 119 IV 38 S. 42
ihm oder einem Dritten bewusst zur Kenntnis gebracht habe, vorsätzlich ausnütze. Zum objektiven Tatbestand von Art. 161 Ziff. 2
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3. a) Die Strafbarkeit des Tipnehmers setzt voraus, dass ihm eine insiderrelevante Tatsache von einem Insider (unmittelbar oder mittelbar) mitgeteilt wird. In der Doktrin wird angenommen, dass Art. 161 Ziff. 2
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BGE 119 IV 38 S. 43
Mitteilung nicht genügt (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht BT I, 4. A. Bern 1993, S. 392 N 38; SCHUBARTH, Kommentar Band 2, Art. 161 N 124). Ob diese Auffassung zutrifft und ob und inwieweit der Tipnehmer bestraft werden kann, wenn der Insider rechtmässig gehandelt hat, braucht vorliegend nicht beantwortet zu werden. Die Vorinstanz hält jedenfalls zu Recht fest, es sei nicht erforderlich, dass der Insider seinerseits wegen Verletzung von Art. 161 Ziff. 1
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Demgegenüber ist derjenige nicht aus Art. 161 Ziff. 2
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BGE 119 IV 38 S. 44
verbindlich festgestellt wurde, ist der angefochtene Entscheid bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Dies zeigt, dass die Beschwerdeführerin nichts aus BGE 118 Ib 456 E. 6c herleiten kann. Denn diese Entscheidung geht davon aus, dass das Wissen von einem Insider stammte, was vorliegendenfalls beweismässig nicht erstellt ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist mithin abzuweisen. Fehlt es aber bereits an der Strafbarkeit des Beschwerdegegners, muss sich das Bundesgericht mit der Frage der Einziehung nicht befassen.