119 II 314
61. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. August 1993 i.S. F. gegen. F. (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 145 ZGB; Festsetzung der Unterhaltsbeiträge während des Scheidungsprozesses.
- 1. Hat eine Partei ihr Einkommen freiwillig vermindert, könnte sie aber wieder ein höheres Einkommen erzielen und ist ihr dies auch zumutbar, so kann für die Festsetzung der Unterhaltsbeiträge auf dieses hypothetische, höhere Einkommen abgestellt werden (E. 4a).
- 2. Soll von der hälftigen Teilung des Überschusses abgewichen werden, weil die Unterhaltsfestsetzung keine Vermögensumverteilung bewirken darf, so muss dargetan sein, dass die Ehegatten auch während der Dauer des gemeinsamen Haushaltes nicht das ganze Einkommen dem Unterhalt der Familie zugeführt haben. Eine besonders kurze Ehedauer stellt keinen Grund dar, um von den allgemeinen Grundsätzen über die Festsetzung des Unterhalts im Massnahmeverfahren abzuweichen (E. 4b).
Regeste (fr):
- Art. 145 CC; fixation des contributions d'entretien pendant le procès en divorce.
- 1. Lorsqu'un conjoint diminue volontairement son revenu, la fixation des contributions d'entretien peut se fonder sur un revenu hypothétique plus élevé, autant que ce conjoint peut le réaliser et qu'on peut l'exiger de lui (consid. 4a).
- 2. La fixation des contributions d'entretien pendant le procès en divorce ne doit pas aboutir à une répartition anticipée de la fortune. Si, pour cette raison, l'on veut s'écarter d'une répartition par moitié de l'excédent, il faut établir que les époux n'ont pas consacré, durant la vie commune, la totalité du revenu à l'entretien de la famille. La durée particulièrement brève du mariage ne constitue pas un motif de s'écarter des principes généraux relatifs à la fixation des contributions d'entretien par mesure provisoire (consid. 4b).
Regesto (it):
- Art. 145 CC; determinazione dei contributi per il mantenimento durante la causa di divorzio.
- 1. Se una parte ha diminuito volontariamente il proprio reddito, ma potrebbe realizzare nuovamente un reddito più elevato e ciò sarebbe da essa anche esigibile, la determinazione dei contributi per il mantenimento può essere fondata su questo reddito ipotetico più elevato (consid. 4a).
- 2. Poichè la determinazione dei contributi per il mantenimento durante la causa di divorzio non può portare a una ridistribuzione del patrimonio, la divisione a metà dell'eccedenza può essere evitata solo se è dimostrato che i coniugi non destinavano, durante la vita in comune, la totalità dei redditi al mantenimento della famiglia. Una durata particolarmente breve del matrimonio non costituisce un motivo per derogare ai principi generali riguardanti la determinazione dei contributi per il mantenimento nella procedura provvisionale (consid. 4b).
Sachverhalt ab Seite 315
BGE 119 II 314 S. 315
A.- Dina F. und Adrian F. heirateten am 21. Juni 1989. Die Ehe ist kinderlos geblieben. Seit dem 15. September 1990 leben die Parteien getrennt. Mit Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 23. Januar 1991 wurde Adrian F. verpflichtet, Dina F. vom 1. September 1990 bis zum 31. August 1991 an ihren persönlichen Unterhalt monatlich vorschüssig Fr. 3'000.-- zu bezahlen. Mit Entscheid vom 10. Juni 1991 beurteilte das Gerichtspräsidium Rheinfelden ein zweites
BGE 119 II 314 S. 316
Begehren um vorsorgliche Massnahmen, welches die Kostenvorschusspflicht betraf. Mit Entscheid vom 31. Oktober 1991 entschied das Gerichtspräsidium Rheinfelden schliesslich über ein drittes Begehren von Dina F., das unter anderem die Unterhaltspflicht betraf.
B.- Auf eine weitere Klage von Dina F. hin verurteilte das Gerichtspräsidium Brugg Adrian F. mit Entscheid vom 30. November 1992, seiner Frau ab April 1992 monatlich vorschüssig einen Unterhaltsbeitrag von Fr. 910.-- zu bezahlen. Eine gegen dieses Urteil von Dina F. eingereichte Beschwerde und eine Anschlussbeschwerde von Adrian F. wies das Obergericht des Kantons Aargau am 15. März 1993 ab.
C.- Dina F. gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Adrian F. beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht hat unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4. Zur Berechnung des Unterhaltsbeitrages sind die kantonalen Gerichte von den Einkommen der Parteien ausgegangen. Sie haben von diesen Einkommen den um die Steuern erweiterten Notbedarf abgezogen und anschliessend den Überschuss aufgeteilt. Die Beschwerdeführerin ist mit dieser Berechnungsweise grundsätzlich einverstanden, erachtet es aber als willkürlich, dass ihr ein hypothetisches Einkommen zugerechnet und der Überschuss nicht hälftig geteilt worden ist. a) Nach Art. 163
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
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1 | Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
2 | Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern. |
3 | Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
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1 | Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
2 | Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern. |
3 | Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände. |
BGE 119 II 314 S. 317
irrt, wenn sie meint, die Mittel der Ehefrau seien auch im neuen Eherecht nur subsidiär zu berücksichtigen. BGE 111 II 105 f. hat sich auf das alte Recht bezogen.
Auf ein entsprechendes hypothetisches Einkommen abzustellen, rechtfertigt sich insbesondere, wenn eine Partei ihr Einkommen freiwillig vermindert hat. Nach Art. 163 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
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1 | Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
2 | Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern. |
3 | Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände. |
BGE 119 II 314 S. 318
Drittel der Ehefrau zugesprochen. Das Obergericht ist wohl davon ausgegangen, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die hälftige Aufteilung die Regel bilde (BGE 114 II 27 ff.). Es erachtete aber ein Abweichen davon vorliegend als gerechtfertigt, weil die effektiven Wohnkosten des Ehemannes nicht voll berücksichtigt worden seien, dieser ein überdurchschnittliches Einkommen erziele und die Ehe der Parteien nur kurz gedauert habe. aa) Mit Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Unterhaltspflicht und der Anspruch auf grundsätzlich gleiche Teilhabe an der vereinbarten Lebenshaltung während der ganzen Dauer der Ehe besteht. Während mit Bezug auf den nachehelichen Unterhalt die Ehedauer von Bedeutung ist (BGE 109 II 186; 115 II 9; GEISER, Worin unterscheiden sich heute die Renten nach Art. 151
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
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1 | Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
2 | Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern. |
3 | Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
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1 | Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
2 | Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern. |
3 | Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände. |
BGE 119 II 314 S. 319
Das Obergericht hat sich in keiner Weise mit der Frage befasst, ob während des Zusammenlebens das hohe Einkommen vollständig für den ehelichen Unterhalt verwendet oder ob ein Teil davon der Vermögensbildung zugeführt worden ist. Indem es nicht darauf, sondern nur auf die Höhe des Einkommens abstellt, verkennt das Obergericht das entsprechende Beurteilungskriterium und weicht damit willkürlich vom Gleichbehandlungsgrundsatz ab. cc) Dem angefochtenen Entscheid ist in keiner Weise zu entnehmen, welcher Betrag bei den Wohnkosten des Ehemannes nicht berücksichtigt worden ist. Von daher ist auch nicht ersichtlich, welche Bedeutung das Obergericht diesem Argument für die Abweichung von der hälftigen Aufteilung beigemessen hat. Es handelte sich jedenfalls nur um eines von drei Argumenten, die nicht alternativ, sondern kumulativ zur Drittelsteilung geführt haben. Es ist nicht anzunehmen, dass dieses Argument dem Obergericht allein ausgereicht hätte. Dem angefochtenen Entscheid sind jedenfalls keine genügenden tatsächlichen Feststellungen zu entnehmen, die es dem Bundesgericht erlauben würden, in Substituierung der Begründung eine Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausschliesslich mit diesem Argument anzunehmen. dd) Die Abweichung von der hälftigen Überschussteilung erweist sich somit als willkürlich. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben, und die kantonalen Instanzen werden zu entscheiden haben, ob das ganze Einkommen der bisherigen Lebenshaltung der Parteien gedient hat oder nur ein Teil; gegebenenfalls ist auch der Umfang der nicht berücksichtigten Wohnkosten zu klären.