119 Ib 33
4. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. März 1993 i.S. X. gegen Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 12f und Art. 17 Abs. 2 und 3 des Asylgesetzes sowie Art. 13 lit. f, 52 lit. a und 53 Abs. 2 lit. b der Begrenzungsverordnung (SR 823.21); Ausnahme von der zahlenmässigen Begrenzung bei einem Ausländer, der vor mehr als vier Jahren ein Asylgesuch eingereicht hat.
- 1. Beschränkung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf die Unterstellungsfrage (E. 1).
- 2. Materiell sind die Bundesbehörden an das Gesuch eines Kantons, einem Asylbewerber in Anwendung von Art. 17 Abs. 2 des Asylgesetzes eine humanitäre Bewilligung zu erteilen, nicht gebunden. Auch der Umstand, dass das Asylgesuch vor mehr als vier Jahren eingereicht worden ist, vermittelt nicht einen Anspruch auf eine solche Bewilligung (E. 2 und 3a).
- 3. Begriff des schwerwiegenden persönlichen Härtefalles (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3b-d und 4).
Regeste (fr):
- Art. 12f et 17 al. 2 et 3 de la loi sur l'asile ainsi qu'art. 13 let. f, 52 let. a et 53 al. 2 let. b de l'ordonnance limitant le nombre des étrangers (RS 823.21); exception aux mesures de limitation en faveur d'un étranger qui a déposé une demande d'asile il y a plus de quatre ans.
- 1. Limitation du recours de droit administratif à la question de l'assujettissement aux mesures de limitation (consid. 1).
- 2. Les autorités fédérales ne sont matériellement pas liées par la demande d'un canton d'octroyer à un requérant d'asile une autorisation de séjour dite "humanitaire" en application de l'art. 17 al. 2 de la loi sur l'asile. Le fait que le dépôt de la demande d'asile remonte à plus de quatre ans ne confère pas non plus de droit à une telle autorisation (consid. 2 et 3a).
- 3. Notion de cas personnel d'extrême gravité (confirmation de la jurisprudence; consid. 3b-d et 4).
Regesto (it):
- Art. 12f e 17 cpv. 2 e 3 della legge sull'asilo come anche art. 13 lett. f, 52 lett. a e 53 cpv. 2 lett. b dell'ordinanza che limita l'effettivo degli stranieri (RS 823.21); deroga alle misure limitative nel caso di uno straniero, il quale ha inoltrato una domanda d'asilo da più di quattro anni.
- 1. Il ricorso di diritto amministrativo è ammissibile solo riguardo alla questione dell'assoggettamento alle misure limitative (consid. 1).
- 2. Dal lato sostanziale, le autorità federali non sono vincolate dalla domanda di un Cantone di accordare, in base all'art. 17 cpv. 2 della legge sull'asilo, un cosiddetto permesso di soggiorno umanitario a un richiedente all'asilo. Neanche il fatto che la domanda d'asilo è stata inoltrata da più di quattro anni conferisce un diritto al rilascio di un tale permesso (consid. 2 e 3a).
- 3. Nozione di caso personale particolarmente rigoroso (conferma della giurisprudenza; consid. 3b-d e 4).
Sachverhalt ab Seite 34
BGE 119 Ib 33 S. 34
Der 1961 geborene türkische Staatsangehörige X. reiste am 17. August 1987 in die Schweiz ein und stellte hier umgehend ein Asylgesuch. Dabei machte er geltend, er werde in der Türkei aus politischen Gründen von den Behörden diskriminiert und bedroht. Er ist ledig und hat in seiner Heimat Eltern und Geschwister. Das Asylgesuch ist zurzeit noch in zweiter Instanz hängig. Nachdem sich X. mehr als vier Jahre in der Schweiz aufgehalten hatte, zeigte die Fremdenpolizei des Kantons Schwyz dem Bundesamt für Ausländerfragen in Anwendung von Art. 17 Abs. 2 des Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 (in der Fassung des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1990 über das Asylverfahren, SR 142.31) ihre Bereitschaft an, ihm eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen zu erteilen, und ersuchte um einen Entscheid über die Ausnahme von der zahlenmässigen Begrenzung der Ausländer gemäss Art. 13 lit. f
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BGE 119 Ib 33 S. 35
2. Es sei das Bundesamt für Ausländerfragen anzuweisen, dem kantonalen Antrag, wonach dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 17 Abs. 2 des Asylgesetzes erteilt wird, zuzustimmen. 3. Eventuell sei dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung zu Lasten des kantonalen Ausländerkontingentes zu erteilen. 4. Es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen." In seiner Vernehmlassung vom 15. Oktober 1992 schliesst das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Mit Verfügung vom 13. November 1992 hat der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung festgestellt, dass während der Hängigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Asylbeschwerdeverfahren sistiert bleibt und X. nicht aus der Schweiz weggewiesen werden kann. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Erwägungen:
1. a) Gemäss ständiger Praxis des Bundesgerichts steht gegen Entscheide der zuständigen Behörden über die Unterstellung unter die Begrenzungsverordnung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 97 ff
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BGE 119 Ib 33 S. 36
Zustimmungsverfahren zur kantonalen Anwesenheitsbewilligung (vgl. dazu auch E. 2c). b) Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen beziehungsweise zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 110 V 51 E. 3b mit Hinweisen; unveröffentlichte E. 1b zu BGE 116 Ib 65). Gegenstand des angefochtenen Entscheides und damit auch des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens ist ausschliesslich die Frage, ob der Beschwerdeführer aufgrund eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalles von den Begrenzungsvorschriften auszunehmen ist. Die weitergehenden Anträge des Beschwerdeführers erweisen sich daher als unzulässig, und es kann darauf nicht eingetreten werden. Namentlich befassten sich die Vorinstanzen nicht mit der definitiven Zustimmung zu einer Anwesenheitsbewilligung. Genausowenig war bisher über die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in Anrechnung an die kantonalen Höchstzahlen zu befinden. Dafür müsste der Kanton zuerst den Grundsatzentscheid über eine solche Bewilligung treffen. Er hat aber den Bundesbehörden vorerst nur die Frage der humanitären Bewilligung und damit der Freistellung des Beschwerdeführers von den Höchstzahlen der Begrenzungsverordnung unterbreitet. Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen ist, kann nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens auch nicht gerügt werden, ein diesbezügliches Begehren sei nicht behandelt worden (vgl. BGE 111 Ib 75). Dies trifft im vorliegenden Fall für das Vorbringen des Beschwerdeführers zu, die Vorinstanz habe eine formelle Rechtsverweigerung durch Nichtbehandlung eines Rechtsbegehrens, des damals erhobenen Eventualantrags, begangen. Abgesehen davon hat das Departement ausdrücklich dargelegt, dass es auf diejenigen Anträge des Beschwerdeführers nicht eintrete, die weiter gingen als die Frage der Ausnahme von den Höchstzahlen der Begrenzungsverordnung, was zu Recht auch den Eventualantrag erfasste. c) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht kann geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze
BGE 119 Ib 33 S. 37
Bundesrecht - unter Einschluss der Rüge, die Vorinstanz habe ihr Ermessen überschritten oder missbraucht - (Art. 104 lit. a
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2. a) Gemäss Art. 12f des Asylgesetzes (in der Fassung des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1990 über das Asylverfahren) kann nach Einreichung eines Asylgesuches und bis zur Ausreise nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens oder bis zur Anordnung einer Ersatzmassnahme kein Verfahren um Erteilung einer fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligung eingeleitet werden, ausser es bestehe ein Anspruch darauf. Art. 17 Abs. 2 und 3 des Asylgesetzes bleiben vorbehalten. Danach kann der Kanton einem ihm zugewiesenen Gesuchsteller eine fremdenpolizeiliche Aufenthaltsbewilligung erteilen, sofern das Gesuch vor mehr als vier Jahren eingereicht worden ist. Will der Kanton von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, hat er dies dem Bundesamt für Ausländerfragen unverzüglich anzuzeigen. Im Zustimmungsverfahren hat der Gesuchsteller Parteistellung (Art. 17 Abs. 2 letzter Satz Asylgesetz). Die Regelung gilt sinngemäss auch im Asylbeschwerdeverfahren (Art. 17 Abs. 3 Asylgesetz). b) Mit Art. 12f des Asylgesetzes soll vermieden werden, dass für denselben Ausländer gleichzeitig parallele Verfahren im Asyl- und Ausländerrecht laufen, wodurch ein definitiver Entscheid über seine Anwesenheit in der Schweiz blockiert oder übermässig verzögert würde (BBl 1990 II 643; Amtl.Bull. 1990 N. 839 Votum Koller). Art. 17 Abs. 2 des Asylgesetzes sieht dabei eine Ausnahme vor für denjenigen Asylbewerber, dessen Asylgesuch vor mehr als vier Jahren eingereicht worden ist; in Anbetracht seines längeren Aufenthalts in der Schweiz soll nicht ausgeschlossen bleiben, dass er eine ordentliche fremdenpolizeiliche Anwesenheitsbewilligung erhält (ALBERTO ACHERMANN/CHRISTINA HAUSAMMANN, Handbuch des Asylrechts, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1991, S. 194). Dabei liegt es im Ermessen des Kantons, ob er ein solches Verfahren einleiten will. Dem entspricht, dass dem Ausländer erst vor dem Bundesamt für Ausländerfragen Parteistellung zukommt; immerhin kann er bei den kantonalen Behörden die Einleitung des Verfahrens anregen, ohne dass er dabei allerdings über einen Anspruch auf Behandlung verfügt (vgl. BBl 1990 II 645; WALTER
BGE 119 Ib 33 S. 38
KÄLIN, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a.M. 1990, S. 197). Das Gesetz bestimmt die Art der zu erteilenden Aufenthaltsbewilligung nicht. Häufig wird zwar nur eine humanitäre Aufenthaltsbewilligung in Anwendung von Art. 13 lit. f
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BGE 119 Ib 33 S. 39
so hat der abgelehnte Asylbewerber die Schweiz zu verlassen" (BBl 1990 II 643). Dass im Fall von Art. 17 Abs. 2 des Asylgesetzes hievon abzuweichen sei beziehungsweise dass es sich dabei bereits um einen besonderen humanitären Hinderungsgrund handle, geht aus der bundesrätlichen Botschaft nicht hervor. Auch im Parlament war nur die Rede davon, dass für gewisse Härtefälle - und nicht für alle Asylbewerber, deren Gesuch vor mehr als vier Jahren eingereicht worden war - eine Ausnahmemöglichkeit geschaffen werden sollte (Amtl.Bull. 1990 N. 839 Votum Mühlemann) beziehungsweise dass bei erfüllter zeitlicher Bedingung ein Gesuch um Erteilung einer humanitären Bewilligung eingereicht werden könne (Amtl.Bull. 1990 N. 839 Votum Koller). Nirgends ist festgehalten, diesfalls müsse eine Bewilligung gewährt werden. Wohl sind Asylbewerber dadurch schlechtergestellt als andere Ausländer, dass sie im Unterschied zu diesen nicht jederzeit und unabhängig von einer vorherigen Aufenthaltsdauer in der Schweiz ein Gesuch um eine ordentliche Anwesenheitsbewilligung, einschliesslich der humanitären Bewilligung, stellen können. Dies findet seinen Grund allerdings in ihrem besonderen Status als Asylbewerber, der ihnen - als Besserstellung gegenüber andern Ausländern - vorübergehend die Anwesenheit in der Schweiz ohne ordentliche Bewilligung erlaubt. Der Gesetzgeber hat denn die Unterscheidung auch bewusst getroffen. Soweit darin im übrigen eine Benachteiligung zu sehen wäre, ergäbe sie sich jedenfalls unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung und wäre sie für das Bundesgericht massgeblich (Art. 114bis Abs. 3
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3. a) Gemäss Art. 52 lit. a
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BGE 119 Ib 33 S. 40
Ergeben sich aus der Zuständigkeitsordnung keine Besonderheiten, kann für den Entscheid über eine Ausnahme von der zahlenmässigen Begrenzung der Ausländer somit auf die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den humanitären Bewilligungen abgestellt werden. b) Nach Art. 13 lit. f
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Da jeder Rechtsbegriff grundsätzlich auslegungsbedürftig ist, hat Unbestimmtheit für sich allein indessen nicht zwingend einen Beurteilungsspielraum zur Folge; dazu muss die begriffliche Offenheit des Gesetzes vielmehr auf einem Bedarf an Handlungsspielraum beruhen (vgl. RENÉ A. RHINOW, Vom Ermessen im Verwaltungsrecht: eine Einladung zum Nach- und Umdenken, in: recht 1983, S. 92 f.). Im vorliegenden Zusammenhang sind keine besonderen, namentlich technischen oder örtlichen, Gegebenheiten (vgl. dazu BGE 117 Ib 237; 115 Ib 315/6 E. 4a; 113 Ib 100 E. c; 112 Ib 53 E. 5) zu berücksichtigen, in welchen sich das Departement besser auskennen würde oder in denen es eines grösseren Handlungsspielraumes bedürfte als das Bundesgericht (unveröffentlichtes Urteil vom 15. Juli 1991 in Sachen B. E. 3a). Soweit es darum geht, die begrifflichen Grenzen des Härtefalles festzulegen, rechtfertigt sich eine Zurückhaltung daher nicht. In Frage kommt dies nur allenfalls bei der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, soweit Umstände massgeblich sind, hinsichtlich derer die Verwaltungsbehörden über einen besseren Gesamtüberblick und damit über eine grössere Vergleichsbasis verfügen als das Bundesgericht, dem ja nur einzelne Fälle zum Entscheid vorgelegt werden. Hingegen räumt Art. 13 lit. f
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BGE 119 Ib 33 S. 41
einen grossen Beurteilungsspielraum ein, als über die Ausnahme von den Höchstzahlen aus staatspolitischen Gründen ("considérations de politique générale" in der französisch-, "motivi di politica generale" in der italienischsprachigen Fassung) zu befinden ist. Nicht nur ist dieses Tatbestandsmerkmal sehr offen formuliert, sondern es bedingt von seiner Zweckrichtung her auch einen allgemeinpolitischen Handlungsspielraum für die Bundesbehörden. Mit Blick auf den Ausnahmekatalog von Art. 100
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BGE 119 Ib 33 S. 42
Kreisschreiben nicht aus, dass eine humanitäre Bewilligung auch einmal aufgrund anderer, darin nicht vorgesehener Umstände gewährt wird (unveröffentlichtes Urteil vom 7. Februar 1991 in Sachen S. E. 2d). Die Weisungen vom 21. Dezember 1990 waren die Folge der Revision des Asylgesetzes durch den Bundesbeschluss vom 22. Juni 1990 über das Asylverfahren und lösten das Kreisschreiben vom 30. Dezember 1989 ab, mit welchem langjährigen Asylbewerbern in einer einmaligen Aktion relativ grosszügig humanitäre Bewilligungen erteilt worden waren. Die neuen Weisungen sind diesbezüglich restriktiver (vgl. dazu ACHERMANN/HAUSAMMANN, a.a.O., S. 347 ff.; ROLAND BERSIER, Droit d'asile et statut du réfugié en Suisse, Lausanne 1991, S. 161 ff.) und riefen entsprechende Kritik hervor (vgl. zum Beispiel ACHERMANN/HAUSAMMANN, a.a.O., S. 352; MARIO GATTIKER, Änderungen im Schweizerischen Asylrecht, in: plädoyer 4/1991, S. 38 f.; WALTER STÖCKLI, Unlösbare Härtefälle, in: Asyl 1991/1, S. 5 f.). Zwar stellt sich die Frage der Gleichbehandlung des Beschwerdeführers im Vergleich zu denjenigen Asylbewerbern, die von der älteren Praxis profitierten. Hingegen rechtfertigt sich die Praxisänderung einerseits insoweit, als die früheren Weisungen schematische Kriterien enthielten und damit dem Ausnahmecharakter der humanitären Bewilligung nur wenig und dem Einzelfallcharakter der Härtefallregelung im besonderen kaum Rechnung trugen (unveröffentlichtes Urteil vom 15. Juli 1991 in Sachen B. E. 4c). Andererseits stand die ältere Praxis auch unter dem staatspolitischen Gesichtspunkt, dass es damals innenpolitisch dringlich war, die seit Jahren hängigen Asylfälle zu erledigen beziehungsweise abzubauen. Mit dem Inkrafttreten des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1990 über das Asylverfahren, der die beschleunigte Erledigung der Asylgesuche und den Pendenzenabbau mit neuen gesetzlichen Mitteln bezweckte (vgl. BBl 1990 II 577 ff.), verringerte sich die Notwendigkeit, dies über den Umweg der humanitären Bewilligungen zu erreichen.
4. a) Der Verordnungstext verlangt für die Anerkennung eines Härtefalles, dass dieser schwer wiegt; die französisch- und italienischsprachigen Fassungen verdeutlichen, dass es sich um besonders einschneidende Umstände handeln muss ("dans un cas personnel d'extrême gravité" beziehungsweise "in casi personali particolarmente rigorosi"). Es gelten daher strenge Voraussetzungen für die Anerkennung eines Härtefalls (vgl. BGE 117 Ib 322). b) Auch in materieller Hinsicht ist das Härtefallverfahren klar vom Asylverfahren zu trennen; sonst ergäben sich nicht nur
BGE 119 Ib 33 S. 43
Doppelspurigkeiten, sondern das Härtefallverfahren könnte auch zu einer Art Wiedererwägung des Asylentscheids führen oder missbraucht werden. Die Härtefallregel der Begrenzungsverordnung dient daher nicht dazu, Aufenthalt in der Schweiz zwecks Schutz vor kriegerischen Ereignissen und staatlichen Übergriffen oder ähnlichen Eingriffen in die persönliche Freiheit zu gewähren. Dafür steht einerseits das Asylverfahren zur Verfügung, andererseits können solche Umstände für die Vollziehbarkeit einer verfügten Wegweisung (vgl. Art. 14a Abs. 4
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BGE 119 Ib 33 S. 44
Schweiz hat, zum Beispiel weil er während längerer Zeit mit Anwesenheitsrecht hier lebte und gut integriert ist, kann dies die Anforderungen an die Dringlichkeit der Notlage verringern, sofern gerade auch darin eine Härte zu sehen ist, dass er seine Beziehung zur Schweiz nicht oder nicht mehr hier leben kann (BGE 117 Ib 322). Dies ist auch daran zu messen, wieweit es dem Ausländer zumutbar ist, sich in einem andern Land, namentlich in seiner Heimat, aufzuhalten beziehungsweise sich dorthin zu begeben.
d) Der Beschwerdeführer ist in der Türkei geboren und wuchs dort auf. Im Alter von 26 Jahren reiste er in die Schweiz ein, wo er seit nunmehr rund fünfeinhalb Jahren als Asylbewerber lebt. Zwar hat er hier nie zu Klagen Anlass gegeben, sich einen Freundeskreis aufgebaut und sich über Beständigkeit am Arbeitsplatz ausgewiesen. Dies genügt aber nicht, um die Anforderungen an die Dringlichkeit der Notlage erheblich zu verringern. Hat der Beschwerdeführer den weitaus grösseren Teil seines Lebens einschliesslich seiner Jugend in der Türkei verbracht, liegt allein in der fünfeinhalbjährigen Anwesenheit in der Schweiz und der damit verbundenen Integration noch nicht eine massgebliche Härte, wenn er nicht hier bleiben könnte. Seine Angehörigen leben immer noch in der Türkei; über familiäre Beziehungen in der Schweiz verfügt er nicht. Selbstredend wäre eine Rückkehr in die Türkei für ihn mit gewissen Nachteilen - vor allem wohl wirtschaftlicher, aber auch persönlicher Art - verbunden. Diese wiegen aber nicht derart schwer, dass er sich in einer eigentlichen Notlage befände. Auch sonst ist nicht ersichtlich, worin für den Beschwerdeführer eine besondere Härte oder schwere Nachteile liegen sollten und dass sich sein Verbleiben in der Schweiz als erforderlich erwiese. Insoweit sich die Frage einer humanitären Bewilligung bei ihm - im Unterschied zu Angehörigen anderer Ausländerkategorien - erst nach über vierjähriger Anwesenheit gestellt hat, ist dies unmittelbare Folge des Gesetzes und seines Status als Asylbewerber. Im übrigen finden sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sehr wohl vergleichbare Fälle bei Nichtasylbewerbern. So hat das Bundesgericht zum Beispiel bei zwei Botschaftsangestellten einen Härtefall trotz mehrjähriger Anwesenheit in der Schweiz verneint, obwohl im einen Fall staatliche Verfolgung im Heimatland geltend gemacht worden war und im andern Fall auch die Familie hier gelebt hatte und integriert war (unveröffentlichte Urteile vom 29. Oktober 1990 in Sachen R. sowie vom 26. November 1991 in Sachen S.). Ebensowenig handelte es sich bei einem Ausländer um
BGE 119 Ib 33 S. 45
einen Härtefall, der aus Studiengründen mit seiner Familie in die Schweiz gekommen und hier gut integriert war und dessen Aufenthalt nach abgeschlossener Ausbildung trotz entsprechendem Gesuch mehrere Jahre nicht geregelt worden war (unveröffentlichtes Urteil vom 26. Januar 1993 in Sachen R.). e) Der Beschwerdeführer erfüllt somit die Voraussetzungen für einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall im Sinne von Art. 13 lit. f
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5. Schliesslich fragt sich, ob der Beschwerdeführer aus staatspolitischen Gründen von den Höchstzahlen der Begrenzungsverordnung auszunehmen ist. Dabei liesse sich eher als beim Härtefall allenfalls auch die politische Situation im Heimatland mitberücksichtigen. Im vorliegenden Zusammenhang sahen die Vorinstanzen dazu jedoch keine Veranlassung. Da sich das Bundesgericht insofern grosse Zurückhaltung aufzuerlegen hat (vgl. E. 3b) und es keinen klaren Hinweis für die staatspolitische Begründetheit der Ausnahme des Beschwerdeführers von den Höchstzahlen gibt, ist der angefochtene Entscheid auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden.
6. Dass die Voraussetzungen einer Ausnahme von den Höchstzahlen der Begrenzungsverordnung nicht erfüllt sind, schliesst nicht aus, dem Ausländer eine Aufenthaltsbewilligung innerhalb der bestehenden Kontingente zu erteilen (vgl. E. 2b in fine). Die kantonalen Behörden dürften dies insbesondere dann in Betracht ziehen, wenn sie selbst wie im vorliegenden Fall einen Härtefall aus ihrer Sicht bejahen. Beim Entscheid über solche Bewilligungen ist es den Fremdenpolizeibehörden im Rahmen ihres Ermessens und ihrer Möglichkeiten denn auch unbenommen, bei einem Bewerber mitzuberücksichtigen, ob er bereits gewisse Beziehungen zur Schweiz aufweist, selbst wenn diese Beziehungen im übrigen noch nicht von rechtlichem Belang sind.