119 Ia 237
27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Juni 1993 i.S. D. gegen Kantonsgericht Obwalden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Rechtsverzögerungsbeschwerde; Letztinstanzlichkeit (Art. 87 OG).
- Auch dieser Rechtsbehelf wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Gibt die kantonale Aufsichtsbeschwerde ans Obergericht Anspruch auf Einschreiten, wenn sich eine bei ihm angehobene Rechtsverzögerungsbeschwerde als begründet erweisen sollte, so hat sich der Betroffene vor der Anrufung des Bundesgerichts an die kantonale Aufsichtsinstanz zu wenden (E. 3).
Regeste (fr):
- Recours pour retard injustifié; décision prise en dernière instance (art. 87 OJ).
- Dans ce cas-là également, le recours pour violation de l'art. 4 Cst. est soumis à la règle générale de l'épuisement des instances cantonales (consid. 2b).
- Si la voie cantonale de la plainte accorde un pouvoir d'intervention au tribunal supérieur au cas où un recours pour retard injustifié se révélerait bien fondé, le justiciable doit s'adresser à l'autorité cantonale de surveillance avant de recourir au Tribunal fédéral (consid. 3).
Regesto (it):
- Ricorso per ritardata giustizia; decisione di ultima istanza (art. 87 OG).
- Anche il ricorso per ritardata giustizia è sottoposto all'esigenza dell'esaurimento del corso delle istanze cantonali (consid. 2b).
- Se il reclamo previsto dal diritto cantonale conferisce un potere d'intervento al Tribunale superiore nel caso in cui il ricorso per mora ingiustificata si rivelasse fondato, l'interessato, prima di rivolgersi al Tribunale federale, è tenuto ad adire l'autorità cantonale di vigilanza (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 238
BGE 119 Ia 237 S. 238
Der Beschwerdeführer rügt mit staatsrechtlicher Beschwerde die Untätigkeit des Kantonsgerichts Obwalden, das trotz Interventionen das seit dem 16. August 1988 dort hängige Verfahren nicht vorwärtsgetrieben habe und seit April 1990 völlig untätig geblieben sei. Damit mache es sich einer gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2. a) Die Rechtsverzögerung ist eine besondere Form der formellen Rechtsverweigerung, die sowohl gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
|
a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
|
a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
b) Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 119 Ia 237 S. 239
bereits auf kantonaler Ebene begegnet werden könne. Letztinstanzlich in diesem Sinne ist ein Entscheid erst, wenn die Rüge, die Inhalt der staatsrechtlichen Beschwerde sein soll, bei keiner kantonalen Instanz mehr angebracht werden kann (MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, S. 105). Das heisst, es darf im Kanton kein Rechtsbehelf irgendwelcher Art mehr zur Verfügung stehen (BGE 90 I 230; MARTI, a.a.O., S. 107). Die Möglichkeit der Anfechtung im Kanton schliesst freilich die staatsrechtliche Beschwerde nur aus, wenn auf die Entscheidung über den Gegenstand der Verfassungsrüge ein Rechtsanspruch besteht (MARTI, a.a.O., S. 106; MEYER, a.a.O., S. 122). Bei einer Petition oder einer Aufsichtsbeschwerde in ihrer Form als Disziplinarbeschwerde, wie sie etwa für die Aufsicht der Parlamente über die Gerichte vorgesehen ist, trifft das nicht zu (BGE 90 I 230; MEYER, a.a.O., S. 107).
3. Das Kantonsgericht Obwalden ist in der vorliegenden Streitsache die erste von zwei kantonalen Instanzen (Art. 37 lit. b
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 119 Ia 237 S. 240
Aufsichtsbeschwerde im engern Sinn dar (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, S. 538 ff.; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl., Rz. 777; MEYER, a.a.O., S. 101 f.). Besteht somit gegenüber dem Obergericht Anspruch auf Einschreiten, wenn sich eine bei ihm angehobene Rechtsverzögerungsbeschwerde als begründet erweisen sollte, so ist die direkte Anrufung des Bundesgerichts anstelle des Obergerichts nicht gegeben. Sie ist es umso weniger, als das Obergericht kraft seines Aufsichtsrechts zugleich in der Lage ist, konkrete Anordnungen zu treffen, Pflichtwidrigkeiten zu ahnden, dem Kantonsgericht Fristen zu setzen und den weiteren Gang des Verfahrens zu überwachen (Art. 23 Abs. 3 OG/OW; BGE 117 Ia 458 E. 4; MEYER, a.a.O., S. 105). Zu den erforderlichen Vorkehren sind die Aufsicht führenden kantonalen Gerichte verpflichtet; andernfalls würde die Aufsicht über sämtliche unteren Instanzen partiell auf das Bundesgericht übertragen, was nicht angängig sein kann.