107 Ib 160
30. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Januar 1981 i.S. R. gegen Kantonsgericht des Kantons Schwyz und Kanton Schwyz (verwaltungsrechtliche Klage gemäss Art. 114bis BV)
Regeste (de):
- Haftung des Gemeinwesens für Rechtsverzögerung.
- Voraussetzungen der Staatshaftung gemäss § 3 des schwyzerischen Gesetzes über die Haftung des Gemeinwesens und die Verantwortlichkeit seiner Funktionäre (E. 2). Eine Verletzung des aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Regeste (fr):
- Responsabilité de la collectivité en cas de retard injustifié.
- Conditions de la responsabilité de l'Etat selon l'art. 3 de la loi schwytzoise sur la responsabilité de la collectivité et de ses fonctionnaires (consid. 2). Est illicite, au sens de cette disposition, le fait d'enfreindre l'interdiction du retard injustifié déduite de l'art. 4 Cst. (consid. 3).
Regesto (it):
- Responsabilità dell'ente pubblico per ritardata giustizia.
- Presupposti della responsabilità dello Stato secondo il § 3 della legge svittese sulla responsabilità dell'ente pubblico e dei suoi funzionari (consid. 2). Una violazione del divieto di ritardata giustizia sgorgante dall'art. 4 Cost. è illecita ai sensi della menzionata disposizione cantonale (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 160
BGE 107 Ib 160 S. 160
Am 4. Oktober 1974 bewilligte der Bezirksgerichtspräsident von Küssnacht den Ehegatten R. eine Trennung auf unbestimmte Zeit und verpflichtete den Ehemann, seiner Frau einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. Auf Rekurs der Ehefrau hin erhöhte das Kantonsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 30. Juni 1975 diesen Betrag auf Fr. 3'000.--. Mit Klageschrift vom 5. Dezember 1974 verlangte der Ehemann beim Bezirksgericht Küssnacht die Scheidung. Die Ehefrau widersetzte sich der Klage. Am 17. September 1975 sprach das Bezirksgericht Küssnacht die Scheidung aus und verwies die güterrechtliche Auseinandersetzung im wesentlichen in ein separates Verfahren. Am 29. Dezember 1975 legte die Ehefrau beim Kantonsgericht Berufung gegen das Scheidungsurteil ein. Das Kantonsgericht wies die Berufung mit Entscheid vom 26. Januar 1978 ab und bestätigte
BGE 107 Ib 160 S. 161
das erstinstanzliche Scheidungsurteil. Am 27. Februar 1978 entschied das Gericht über die Parteikosten. Das Urteil des Kantonsgerichtes wurde den Parteien im Dispositiv am 3. März 1978 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 6. März 1978 verlangte die Ehefrau eine begründete Ausfertigung des Urteils. Das motivierte Urteil, das sorgfältig redigiert ist und 27 Seiten umfasst, wurde den Parteien am 5. Oktober 1978 zugestellt. Eine Berufung, welche die Ehefrau gegen das Urteil des Kantonsgerichtes des Kantons Schwyz einreichte, wies das Bundesgericht am 5. Juni 1979 ab, womit das Scheidungsurteil rechtskräftig wurde.
Bereits am 7. September 1977 hatte der heutige Kläger R. beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, in der er unter anderem beantragte, das Kantonsgericht von Schwyz sei anzuweisen, das Berufungsverfahren betreffend die Ehescheidung innert einer durch das Bundesgericht zu bestimmenden Frist abzuschliessen. Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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Mit einer am 10. August 1979 beim Bundesgericht eingereichten Verantwortlichkeitsklage beantragt R., der Kanton Schwyz sei zu verurteilen, ihm einen Betrag von Fr. 45'000.-- nebst Zins zu 5% zu bezahlen. Der Kläger macht geltend, das Kantonsgericht hätte den Scheidungsprozess 15 Monate früher abschliessen können. Da es dies aber nicht getan habe, sei er während dieser 15 Monate verpflichtet gewesen, seiner Ehefrau monatlich Unterhaltsbeiträge von Fr. 3'000.--, d.h. total Fr. 45'000.--, zu bezahlen. In diesem Umfange sei ihm durch das rechtswidrige Verhalten des Kantonsgerichts bzw. seines Präsidenten ein Schaden entstanden. Das Bundesgericht weist die Klage ab, unter anderem mit folgenden
BGE 107 Ib 160 S. 162
Erwägungen
Erwägungen:
1. a) Nach § 3 des schwyzerischen Gesetzes über die Haftung des Gemeinwesens und die Verantwortlichkeit seiner Funktionäre vom 20. Februar 1970 (nachfolgend: Haftungsgesetz) haftet das Gemeinwesen für den Schaden, den ein Funktionär in Ausübung hoheitlicher Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt. Als Funktionäre im Sinne dieser Bestimmungen gelten auch Mitglieder von Behörden (§ 1 Abs. 2 lit. a Haftungsgesetz). Die Regeln des Haftungsgesetzes sind somit auf das Kantonsgericht anwendbar. Eine Haftung des Kantons nach Bundeszivilrecht ist hingegen ausgeschlossen, wenn - wie im vorliegenden Fall - hoheitliche Befugnisse ausgeübt worden sind (BGE 101 II 184 f. E. 2b, BGE 96 II 343 E. 3a mit Hinweisen). b) Nach § 14 Abs. 2 Haftungsgesetz beurteilt das Bundesgericht Ansprüche, die sich auf ein rechtswidriges Verhalten von Mitgliedern des Kantons- oder des Verwaltungsgerichts beziehen. Diese Kompetenzzuweisung an das Bundesgericht erfolgte im Rahmen von Art. 114bis Abs. 4
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2. Nach § 3 des Haftungsgesetzes ist Voraussetzung für die Haftung des Staates, dass ein Privater durch das Verhalten eines Funktionärs einen Schaden erleidet. Das Haftungsgesetz definiert den Begriff des Schadens und des Kausalzusammenhanges zwischen dem Schaden und dem schädigenden Ereignis nicht näher. Zur Auslegung dieser Begriffe kann jedoch die zivilrechtliche Rechtsprechung im Gebiet des Schadenersatzrechtes herangezogen werden. a) Der Schaden entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte (BGE 104 II 199 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall sind die Unterhaltsbeiträge, welche der Kläger während der letzten Monate vor der Scheidung an seine Ehefrau bezahlte, als Schaden zu betrachten, denn eine raschere Abwicklung des Scheidungsverfahrens hätte die Pflicht des Klägers, Unterhaltsbeiträge zu bezahlen, abgekürzt. Dieser Schaden entstand im Zeitpunkt, als das Bundesgericht
BGE 107 Ib 160 S. 163
die Berufung gegen das Scheidungsurteil des Kantonsgerichts abwies (Urteil vom 5. Juni 1979). Erst in diesem Zeitpunkt wusste der Kläger definitiv, dass seine Ehe aufgelöst, und dass er seiner vormaligen Ehefrau in Zukunft keine Unterhaltsbeiträge würde zahlen müssen. Wenn das Scheidungsbegehren hingegen abgewiesen und der Kläger im Fall einer Scheidung verurteilt worden wäre, seiner geschiedenen Ehefrau nach der Scheidung Unterhaltsbeiträge zu bezahlen, hätte eine raschere Abwicklung des Scheidungsverfahrens dem Kläger keinen bzw. nur einen teilweisen finanziellen Vorteil gebracht. Ein Schaden wäre in diesen Fällen nicht oder nur zum Teil entstanden. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall ein Schaden erst am 5. Juni 1979 definitiv entstanden ist und der Kläger erst in diesem Zeitpunkt davon Kenntnis hatte. Mit der am 9. August 1979 der Post übergebenen Klage wurde die Verjährungsfrist somit offensichtlich gewahrt (§ 11 Abs. 1 Haftungsgesetz). b) Die Kausalität zwischen dem Schaden und dem schädigenden Ereignis, welche nach § 3 Haftungsgesetz Voraussetzung einer Haftung bildet, ist als "adäquate Kausalität" im Sinne der zivilrechtlichen Haftpflicht zu verstehen. Damit im vorliegenden Fall eine Haftung entsteht, muss daher die beanstandete Leitung des Scheidungsverfahrens nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, einen Schaden, wie er vom Kläger geltend gemacht wird, zu bewirken; der Schaden muss zudem voraussehbar sein. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Eine adäquate Kausalität zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Schaden ist somit gegeben. Ein Selbstverschulden (§ 12 Haftungsgesetz und Art. 44 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
3. a) Damit nach § 3 Haftungsgesetz eine Haftung des Gemeinwesens entstehen kann, muss der Schaden im weiteren widerrechtlich zugefügt worden sein. Da die Haftung des Gemeinwesens im Haftungsgesetz des Kantons Schwyz ähnlich umschrieben ist wie in Art. 3
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz VG Art. 3 - 1 Für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt, haftet der Bund ohne Rücksicht auf das Verschulden des Beamten. |
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1 | Für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt, haftet der Bund ohne Rücksicht auf das Verschulden des Beamten. |
2 | Bei Tatbeständen, welche unter die Haftpflichtbestimmungen anderer Erlasse fallen, richtet sich die Haftung des Bundes nach jenen besonderen Bestimmungen. |
3 | Gegenüber dem Fehlbaren steht dem Geschädigten kein Anspruch zu. |
4 | Sobald ein Dritter vom Bund Schadenersatz begehrt, hat der Bund den Beamten, gegen den ein Rückgriff in Frage kommen kann, sofort zu benachrichtigen. |
BGE 107 Ib 160 S. 164
SR 170.32), kann für die Auslegung des Begriffs der Widerrechtlichkeit die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum eidgenössischen Verantwortlichkeitsgesetz herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung ist das Verhalten eines Beamten dann widerrechtlich, wenn es gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen. Ein solcher Verstoss kann unter Umständen in der Überschreitung oder im Missbrauch des dem Beamten durch Gesetz eingeräumten Ermessens liegen (BGE 103 Ib 68 mit Hinweisen). Als widerrechtlich hat die Rechtsprechung auch die Verletzung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen bezeichnet (BGE 89 I 493 E. 6e mit Hinweisen).
b) Beim Verfahren, welches im vorliegenden Fall Anlass zu einer Schadenersatzforderung gegeben hat, handelt es sich um einen kantonalen Zivilprozess. Dieses Verfahren richtet sich grundsätzlich nach dem kantonalen Prozessrecht. Nach kantonalem Recht bestimmt sich im weiteren auch die Organisation der Gerichte, in welchen Zivilprozesse durchgeführt werden (Art. 64 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 64 Forschung - 1 Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30 |
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1 | Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30 |
2 | Er kann die Förderung insbesondere davon abhängig machen, dass die Qualitätssicherung und die Koordination sichergestellt sind.31 |
3 | Er kann Forschungsstätten errichten, übernehmen oder betreiben. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
BGE 107 Ib 160 S. 165
einer angemessenen Frist gehört wird. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geht dieser Anspruch aber nicht über die aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Die Gerichte andererseits sind aufgrund des Rechtsverzögerungsverbotes gehalten, ihre Arbeit so zu organisieren, dass das Verfahren in allen ihnen vorgelegten Fällen innerhalb einer angemessenen Frist zum Abschluss gebracht werden kann. Ob eine gegebene Prozessdauer als angemessen zu betrachten ist, muss im Hinblick auf die Natur und den Umfang des Rechtsstreites beurteilt werden (BGE 103 V 195 E. 3c, BGE 94 I 101 E. 1c). In bezug auf den Scheidungsprozess ist die Angemessenheit der Dauer im Hinblick auf die Interessen, welche sich bei der Ehescheidung gegenüberstehen, zu bestimmen. Gemäss Art. 158 Ziff. 1
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BGE 107 Ib 160 S. 166
Scheidungsrichter in der Leitung des Verfahrens ein gewisser Ermessensspielraum zu. Die beiden sich im Scheidungsprozess gegenüberstehenden Parteien sind jedoch auch daran interessiert, rasch ein rechtskräftiges Urteil zu erlangen. Für sie geht es um eine zentrale Frage ihrer menschlichen Existenz, denn vom Scheidungsurteil hängt der Weiterbestand ihrer Ehe, die rechtliche Auflösung der Lebensgemeinschaft sowie die Möglichkeit einer späteren Wiederverheiratung ab. Das Interesse der Parteien an einem raschen Verfahren ist auch gross, weil das Scheidungsurteil nur ex nunc wirkt und weil sich nicht wie bei einem Forderungsstreit die Dauer des Verfahrens mit Verzugszinsen ausgleichen lässt.
Die genannten Interessen sind gegeneinander abzuwägen, wenn im Einzelfall entschieden werden muss, ob die Dauer eines Scheidungsverfahrens noch als angemessen betrachtet werden kann oder ob sie eine Rechtsverzögerung beinhaltet. d) Im weiteren ist zu prüfen, ob eine Verletzung des Rechtsverzögerungsverbotes eine Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 3 Haftungsgesetz darstellt. Das Bundesgericht neigt dazu, die Haftung für Schäden, die aus fehlerhaften Urteilen, d.h. aus sog. Rechtsakten entstehen, auf schwerwiegende und offensichtliche Fehler zu beschränken (nicht veröffentlichtes Urteil Xintaras vom 18. Januar 1980 E. 3; die Haftung für Fehler des Richters wurde in etwas grösserem Umfang bejaht in BGE 79 II 438 f. mit Hinweisen). Auch § 5 Abs. 1 des schwyzerischen Haftungsgesetzes beschränkt die Haftung des Gemeinwesens für Verfügungen oder Entscheide, die im Rechtsmittelverfahren abgeändert werden, auf vorsätzliches oder grobfahrlässiges Handeln des Funktionärs. Für Schäden, die nicht daraus entstanden sind, dass ein fehlerhafter Entscheid gefällt worden ist, sondern dass ein Gericht gar nicht oder nicht in einer angemessenen Frist gehandelt hat, wird in § 5 Abs. 1 Haftungsgesetz die Haftung des Gemeinwesens nicht beschränkt. Auch in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bestehen keine Hinweise darauf, dass bei solchen, auf sog. Realakte zurückgehenden Schäden die Haftung auf besonders schwerwiegende Rechtsverletzungen beschränkt sei. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass auf das Untätigsein eines Gerichts oder die Verzögerung eines Verfahrens der allgemeine, aus § 3 Haftungsgesetz (bzw. aus Art. 3
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz VG Art. 3 - 1 Für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt, haftet der Bund ohne Rücksicht auf das Verschulden des Beamten. |
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1 | Für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt, haftet der Bund ohne Rücksicht auf das Verschulden des Beamten. |
2 | Bei Tatbeständen, welche unter die Haftpflichtbestimmungen anderer Erlasse fallen, richtet sich die Haftung des Bundes nach jenen besonderen Bestimmungen. |
3 | Gegenüber dem Fehlbaren steht dem Geschädigten kein Anspruch zu. |
4 | Sobald ein Dritter vom Bund Schadenersatz begehrt, hat der Bund den Beamten, gegen den ein Rückgriff in Frage kommen kann, sofort zu benachrichtigen. |
BGE 107 Ib 160 S. 167
oder eine Verfahrensverzögerung folglich dann, wenn dadurch ein Gebot oder Verbot der Rechtsordnung verletzt wird, das dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dient. Das Untätigsein eines Gerichts oder die Verfahrensverzögerung kann, wie oben dargelegt, das Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsverbot (Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |