118 Ia 236
33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. September 1992 i.S. O., A. und E. gegen T. und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde).
Regeste (de):
- Prozessfähigkeit. Art. 14
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 14 - Die Partei kann insoweit selbständig Prozess führen als sie handlungsfähig ist.
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 18 - Wer nicht urteilsfähig ist, vermag unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen durch seine Handlungen keine rechtliche Wirkung herbeizuführen.
- 1. Begriff. Eintretensvoraussetzung im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde. Sie ist nicht erfüllt beim psychopathischen Querulanten (E. 2).
- 2. Beschränkte Prozessfähigkeit im Verfahren über die Frage der Prozessfähigkeit selbst (E. 3).
Regeste (fr):
- Capacité d'ester en justice. Art. 14 PCF, art. 16 et art. 18 CC.
- 1. Notion. Les personnes atteintes de psychose processive n'ont pas la capacité pour former un recours de droit public (consid. 2).
- 2. Une capacité d'ester en justice restreinte leur est cependant reconnue dans la procédure concernant précisément cette question (consid. 3).
Regesto (it):
- Capacità di stare in giudizio. Art. 14 PC, art. 16 e art. 18 CC.
- 1. Nozione. Condizione d'ammissibilità nella procedura di ricorso di diritto pubblico. Essa non è data per lo psicopatico querulomane (consid. 2).
- 2. Una capacità di stare in giudizio limitata gli è tuttavia riconosciuta nella procedura concernente precisamente questa questione (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 237
BGE 118 Ia 236 S. 237
O. wurde vom Bundesstrafgericht zu 14 Jahren Zuchthaus sowie 15 Jahren Landesverweisung verurteilt. Der ausserordentliche Kassationshof trat auf die gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden nicht ein. Nach Verbüssung von zwei Dritteln der Zuchthausstrafe liessen die zürcherischen Behörden O. am 8. November 1985 ins Ausland ausschaffen. Am 29. Juni 1988 erhob O. beim Bezirksgericht Winterthur zivilrechtliche Klage gegen T., einen Chefbeamten der Kantonspolizei Zürich, wegen Verletzung in den persönlichen Verhältnissen (Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
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1 | Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
2 | Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. |
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
2. a) Nach Art. 40
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
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1 | Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
2 | Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. |
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 14 - Die Partei kann insoweit selbständig Prozess führen als sie handlungsfähig ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 12 - Wer handlungsfähig ist, hat die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. |
BGE 118 Ia 236 S. 238
zurückzuführen sind und der das eigene, meist falsch beurteilte Recht in übertriebener und rücksichtsloser Art und mit Rechtsbehelfen durchzusetzen versucht, die in keinem angemessenen Verhältnis zum erreichbaren Ziel stehen. Die Urteilsfähigkeit ist zu vermuten. Wie diese Vermutung widerlegt werden kann, sagt das Gesetz nicht. Wird, was im allgemeinen angezeigt ist, ein medizinischer Sachverständiger zugezogen, so hat sich sein Bericht darauf zu beschränken, den Geisteszustand des Untersuchten möglichst genau zu beschreiben und aufzuzeigen, ob und in welchem Mass das geistige Vermögen versagt. Welche rechtlichen Schlüsse aus dem Ergebnis der medizinischen Begutachtung zu ziehen sind, entscheidet der Richter. Beim Entscheid darüber, ob ein Rechtsuchender als psychopathischer Querulant im soeben erwähnten Sinn bezeichnet werden muss, kann indessen ausnahmsweise vom Beizug eines Psychiaters abgesehen werden, wenn das langjährige, allgemein bekannte prozessuale Verhalten der Partei zum zwingenden Schluss führt, dass die fraglichen Handlungen auf keinerlei vernünftigen Überlegungen mehr beruhen, sondern schlechterdings nur noch als Erscheinungsformen einer schweren psychischen Störung gewürdigt werden können. Eine Querulanz, die in ihren Wirkungen die Urteilsfähigkeit im Sinne von Art. 16
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. |
BGE 118 Ia 236 S. 239
Zürcher Behörden seit etwa zehn Jahren ständig mit Strafanzeigen und Zivilklagen des Beschwerdeführers befassen mussten, welche sich alle auf die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Bundesstrafgericht am 22. Mai 1979 und die ebenfalls ausgesprochene Landesverweisung bezogen. Der Beschwerdeführer begnügte sich nicht damit, alle denkbaren Rechtsmittel gegen die in seiner Sache ergangenen Entscheidungen zu ergreifen, sondern er verfolgte auch die daran beteiligten sowie die mit dem Vollzug der Strafe und der Landesverweisung beauftragten Personen und Behörden mit Klagen wegen Ehrverletzung und Verletzung in den persönlichen Verhältnissen. Insgesamt liess er bei den zürcherischen Bezirksbehörden allein in den Jahren 1986 bis 1989 ungefähr 115 neue straf- und zivilrechtliche Verfahren durchführen (ohne Ausstandsverfahren), alle im Zusammenhang mit seiner Verurteilung und der Landesverweisung. Fast alle dieser Verfahren blieben erfolglos. Im gleichen Zeitraum reichte der Beschwerdeführer in derselben Sache mehr als 70 Rechtsmittel beim Bundesgericht ein, in der Regel staatsrechtliche Beschwerden. Kein einziges dieser Rechtsmittel wurde gutgeheissen. In einem Urteil vom 28. August 1989 wies das Bundesgericht den Beschwerdeführer zudem ausdrücklich darauf hin, dass die vom Bundesstrafgericht verhängte Strafe vom Bundesgericht überprüft worden ist und in dieser Sache bereits mehrere rechtskräftige Entscheide des Bundesgerichts im Sinne von Art. 38
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. |
3. a) Dieses Ergebnis führt indessen nicht ohne weiteres dazu, dass das Bundesgericht auf die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde nicht eintreten kann. Wer nicht urteilsfähig und damit gemäss Art. 18
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 18 - Wer nicht urteilsfähig ist, vermag unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen durch seine Handlungen keine rechtliche Wirkung herbeizuführen. |
BGE 118 Ia 236 S. 240
Fähigkeit, selber oder durch einen zu diesem Zweck beauftragten Vertreter einen Prozess anzuheben oder andere wirksame Prozesshandlungen vorzunehmen. Bis zur endgültigen gerichtlichen Feststellung der Prozessunfähigkeit muss der betreffenden Partei aber die Möglichkeit der Prozessführung gewahrt bleiben, weil sie sich sonst gegen die Verneinung ihrer Prozessfähigkeit nicht wirksam zur Wehr setzen könnte. Spricht ein kantonales Gericht - wie auch im vorliegenden Fall - in einer bestimmten Sache dem Beschwerdeführer die Prozessfähigkeit ab, so muss dieser die Möglichkeit haben, dagegen die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht wegen Rechtsverweigerung zu ergreifen, da ihm sonst kein anderes Rechtsmittel zur Verfügung steht (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 1. Juli 1985 i.S. B., E. 2b; vgl. auch WALDER-BOHNER, Zivilprozessrecht, 3. Auflage 1983, S. 141 Rz. 1, sowie S. 142 Fn. 9). Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist daher einzutreten, soweit sie wegen Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |