Urteilskopf

117 IV 292

53. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. August 1991 i.S. B. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 292

BGE 117 IV 292 S. 292

A.- B. war mit einem Geschäftswagen am 29. August 1989 beruflich den ganzen Tag unterwegs. Am Abend führte er seinen Geschäftskollegen an dessen Wohnort Welschenrohr, wo sie in der Folge noch verschiedene Wirtschaften aufsuchten und Weisswein tranken. Zum Nachtessen, das B. bei seinem Geschäftskollegen zu
BGE 117 IV 292 S. 293

Hause einnahm, wurde Rotwein getrunken und anschliessend noch weiter gefeiert. Es war beabsichtigt, dass B. die Nacht bei seinem Geschäftskollegen verbringe, da er am nächsten Tag in der gleichen Region beruflich tätig sein wollte. Deshalb telephonierte er nach Hause und erklärte, dass er bei seinem Kollegen übernachten werde. Gegen 22.00 Uhr ging er zu Bett, erwachte aber um ca. 01.30 Uhr wieder, weil er Durst hatte. Hierauf entschloss er sich, doch nach Hause zu fahren; warum er dies tat, vermochte er nicht mehr anzugeben. In Oensingen fuhr er auf die Autobahn N1, worauf es zwischen Kirchberg und Bern zu einem Selbstunfall kam. Mit angeblich ca. 110 km/h fahrend geriet B. von der Normalspur nach links und kollidierte mit verschiedenen Mittelleitpfosten. Sein Fahrzeug wurde erheblich beschädigt; zudem entstand Sachschaden von ca. Fr. 2'500.-- an Kabelleitpfosten und diversen Mittelstreifenpflanzen. B. gab an, kurz eingeschlafen zu sein. Der Blutalkoholgehalt zum Zeitpunkt der fraglichen Fahrt betrug mindestens 2,26 Gew.%o.
B.- Die a.o. Gerichtspräsidentin I von Burgdorf verurteilte B. am 21. März 1990 wegen vorsätzlichen Fahrens in angetrunkenem Zustand und wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von fünf Jahren, und zu einer Busse von Fr. 1'500.--. Auf Appellation der Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau, welche vom Generalprokurator, beschränkt auf die Frage der Gewährung des bedingten Strafvollzugs, aufrechterhalten wurde, sowie auf Anschlussappellation des Verurteilten, die sich auf den Schuldspruch wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs und das Strafmass beschränkte, bestätigte die 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern am 23. August 1990 die erstinstanzlichen Schuldsprüche und erkannte auf eine unbedingte Gefängnisstrafe von zwei Monaten.
C.- Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
BGE 117 IV 292 S. 294

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Der Beschwerdeführer macht eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit im Sinne von Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
StGB geltend. Eine "actio libera in causa" gemäss Art. 12
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 12 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
1    Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
2    Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt.
3    Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.
StGB ist seines Erachtens nicht gegeben, da er bei seinem Geschäftskollegen hatte übernachten wollen, sich in dessen Wohnung tatsächlich auch zu Bett gelegt und sich erst 3 1/2 Stunden später, durstig erwacht, entschlossen habe, doch noch nach Hause zu fahren, ohne dass er angeben konnte, warum er dies getan habe.
a) Die Vorinstanz lehnt eine verminderte Zurechnungsfähigkeit ab. Soweit sie dabei davon ausgeht, dass eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit im Sinne von Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
StGB beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand, unabhängig vom Vorliegen einer "actio libera in causa" gemäss Art. 12
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 12 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
1    Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
2    Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt.
3    Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.
StGB, generell nicht relevant sei, verletzt sie Bundesrecht. Wohl hat der Kassationshof in BGE 95 IV 97 erkannt, dass zwar Angetrunkenheit unbestreitbar geeignet sei, die Zurechnungsfähigkeit des Täters im Sinne von Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
StGB herabzusetzen, dass es aber verfehlt sei, Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
StGB auf den Tatbestand von Art. 91 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG zur Anwendung zu bringen (S. 98). Diese Auffassung, die übrigens im Widerspruch zu den in BGE 95 IV 97 nicht erwähnten BGE 93 IV 39 ff. und BGE 85 IV 1 ff. steht, ist vom Kassationshof in der Folge nicht aufrechterhalten worden. Die Erörterung der Frage nach dem Vorliegen einer die Anwendung von Art. 10
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 10 - 1 Dieses Gesetz unterscheidet die Verbrechen von den Vergehen nach der Schwere der Strafen, mit der die Taten bedroht sind.
1    Dieses Gesetz unterscheidet die Verbrechen von den Vergehen nach der Schwere der Strafen, mit der die Taten bedroht sind.
2    Verbrechen sind Taten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind.
3    Vergehen sind Taten, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht sind.
und 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
StGB ausschliessenden "actio libera in causa" gemäss Art. 12
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 12 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
1    Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
2    Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt.
3    Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.
StGB im Zusammenhang mit dem Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand hat ja nur dann einen Sinn, wenn bei Verneinung einer solchen "actio libera in causa" die Unzurechnungsfähigkeit bzw. die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit auch beim Fahren in angetrunkenem Zustand beachtlich ist. Die Bestimmungen über die Zurechnungsfähigkeit (Art. 10
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 10 - 1 Dieses Gesetz unterscheidet die Verbrechen von den Vergehen nach der Schwere der Strafen, mit der die Taten bedroht sind.
1    Dieses Gesetz unterscheidet die Verbrechen von den Vergehen nach der Schwere der Strafen, mit der die Taten bedroht sind.
2    Verbrechen sind Taten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind.
3    Vergehen sind Taten, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht sind.
-13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
1    Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
2    Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.
StGB) sind Ausfluss des das ganze Strafrecht beherrschenden Schuldprinzips. Sie gelten daher auch für den Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand. Eine alkoholbedingte Unzurechnungsfähigkeit bzw. Verminderung der Zurechnungsfähigkeit kann deshalb auch beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand beachtlich sein (REHBERG, Das Fahren in angetrunkenem Zustand, ZStrR 86/1970, S. 113 ff., 128; derselbe, Die strafrechtliche Bedeutung der Alkoholisierung, Kriminalistik 37/1983, S. 507 ff., 509;
BGE 117 IV 292 S. 295

MARINA SCHMUTZ, Fahren in angetrunkenem Zustand ..., Diss. Zürich 1978, S. 94 f.). War der Täter zum Zeitpunkt der Tatbegehung nicht zurechnungsfähig, kann er nur unter den Voraussetzungen von Art. 12
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 12 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
1    Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
2    Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt.
3    Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.
StGB betreffend die sogenannte "actio libera in causa" oder von Art. 263
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 263 - 1 Wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit oder Betäubung unzurechnungsfähig ist und in diesem Zustand eine als Verbrechen oder Vergehen bedrohte Tat verübt, wird mit Geldstrafe bestraft.350
1    Wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit oder Betäubung unzurechnungsfähig ist und in diesem Zustand eine als Verbrechen oder Vergehen bedrohte Tat verübt, wird mit Geldstrafe bestraft.350
2    Hat der Täter in diesem selbstverschuldeten Zustand ein mit Freiheitsstrafe als einzige Strafe bedrohtes Verbrechen begangen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.351
StGB betreffend Verübung einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit bestraft werden. Der letztgenannte Tatbestand steht vorliegend nicht zur Diskussion. Ein Rückgriff auf Art. 12
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 12 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
1    Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht.
2    Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt.
3    Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.
StGB setzt voraus, dass der Täter zu einem Zeitpunkt, als er noch zumindest teilweise zurechnungsfähig war, zumindest in Kauf nahm, dass er zum späteren Zeitpunkt der völligen Unzurechnungsfähigkeit eine vorsätzliche Tat begehen werde oder, soweit eine Fahrlässigkeitstat zur Diskussion steht, dass der Täter in pflichtwidriger Weise die spätere Tatbegehung ausser acht lässt (vgl. BGE 85 IV 1; 93 IV 41 ff.). Entsprechendes gilt für die verminderte Zurechnungsfähigkeit gemäss Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
StGB mit den folgenden Präzisierungen.
b) Für das Fahren in angetrunkenem Zustand bedeutet dies folgendes, wobei aufgrund des insoweit in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs der 1. Instanz hier von einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt auszugehen ist: Eine allfällige Unzurechnungsfähigkeit des Fahrzeuglenkers zur Zeit der vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt ist unbeachtlich, wenn dieser zur Zeit, als er noch nicht unzurechnungsfähig war, zumindest in Kauf nahm, dass er in angetrunkenem Zustand noch ein Fahrzeug lenken würde, wenn also eine (eventual)vorsätzliche "actio libera in causa" vorliegt. Ist dagegen fahrlässige "actio libera in causa" gegeben, hätte also der Fahrzeuglenker zur Zeit, als er noch nicht unzurechnungsfähig war, bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit voraussehen können, dass er in angetrunkenem Zustand noch fahren würde, ist er wegen - ebenfalls strafbaren - fahrlässigen Fahrens in angetrunkenem Zustand zu verurteilen (HENTSCHEL/BORN, Trunkenheit im Strassenverkehr, 5. Auflage, S. 74; REHBERG, Kriminalistik 37/1983, S. 507); dabei ist ihm eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zuzubilligen, wenn er nicht schon im Zustand voller Zurechnungsfähigkeit, sondern erst im Zustand verminderter Zurechnungsfähigkeit bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können, dass er im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit angetrunken ein Fahrzeug lenken würde. Eine allfällige Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Fahrzeuglenkers zur Zeit der vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt
BGE 117 IV 292 S. 296

ist unbeachtlich, wenn dieser zur Zeit, als er noch voll zurechnungsfähig war, zumindest in Kauf nahm, dass er in angetrunkenem Zustand noch ein Fahrzeug lenken würde, wenn also eine (eventual)vorsätzliche "actio libera in causa" vorliegt. Ist dagegen fahrlässige "actio libera in causa" gegeben, hätte also der Fahrzeuglenker zur Zeit, als er noch voll zurechnungsfähig war, bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit voraussehen können, dass er in angetrunkenem Zustand noch fahren würde, ist die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zur Zeit der Fahrt grundsätzlich beachtlich. Fahrlässige "actio libera in causa" schliesst bei vorsätzlicher Verübung der Tat im Zustand verminderter Zurechnungsfähigkeit die Anwendung von Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
StGB nicht aus (HENTSCHEL/BORN, op.cit., S. 74 mit Hinweisen). Der Fahrzeuglenker ist in diesem Fall vielmehr wegen vorsätzlichen - nicht wegen fahrlässigen - Fahrens in angetrunkenem Zustand in verminderter Zurechnungsfähigkeit zu verurteilen. Es verstösst aber nicht gegen Bundesrecht, bei der Reduktion der Strafe infolge der grundsätzlich zuzubilligenden Verminderung der Zurechnungsfähigkeit Zurückhaltung zu üben, da immerhin eine fahrlässige "actio libera in causa" bei voller Zurechnungsfähigkeit vorliegt. c) Wie die Vorinstanz feststellt, beabsichtigte der Beschwerdeführer bei seinem Geschäftskollegen zu übernachten. Er hat sich denn auch zunächst bei ihm schlafen gelegt. Erst 3 1/2 Stunden später stand er auf und setzte sich ans Steuer. In einer derartigen Konstellation ist es nicht zulässig, darauf abzustellen, dass der Beschwerdeführer zu Beginn des intensiven Alkoholkonsums voll zurechnungsfähig war. Denn zu diesem Zeitpunkt hat er nach dem Gesagten eben nicht die Möglichkeit vorausgesehen, dass er in alkoholisiertem Zustand ein Fahrzeug lenken werde. Sowohl eine vorsätzliche wie eine fahrlässige "actio libera in causa" sind auszuschliessen. d) Der Beschwerdeführer wies zur Zeit der Fahrt eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,26 Gew.%o auf. Er behauptet mit Recht selber nicht, dass er unzurechnungsfähig im Sinne von Art. 10
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 10 - 1 Dieses Gesetz unterscheidet die Verbrechen von den Vergehen nach der Schwere der Strafen, mit der die Taten bedroht sind.
1    Dieses Gesetz unterscheidet die Verbrechen von den Vergehen nach der Schwere der Strafen, mit der die Taten bedroht sind.
2    Verbrechen sind Taten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind.
3    Vergehen sind Taten, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht sind.
StGB gewesen sei bzw. dass im Sinne von Art. 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
1    Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
2    Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.
StGB ernsthafter Anlass zu einer solchen Annahme besteht. Er macht aber geltend, dass er bei Fahrtantritt eindeutig vermindert zurechnungsfähig im Sinne von Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
StGB gewesen sei. Tatsächlich fällt bei einer Blutalkoholkonzentration von über 2 Gew.%o eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit in Betracht (siehe die Übersicht bei HENTSCHEL/BORN, op.cit.,
BGE 117 IV 292 S. 297

S. 86 ff.). Wenn das Obergericht im neuen Verfahren dem Beschwerdeführer nicht von sich aus eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit (in mittlerem Grade) zubilligen will (vgl. dazu BGE 106 IV 242 E. 1b), wird es gemäss Art. 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
1    Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
2    Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.
StGB ein Gutachten zur Frage der Verminderung der Zurechnungsfähigkeit im Grundsatz und im Ausmass einholen müssen, da nach dem Gesagten bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,26 Gew.%o ernsthafter Anlass (siehe dazu BGE 102 IV 75 E. 1b, BGE 98 IV 156) zu Zweifeln an der vollen Zurechnungsfähigkeit des Fahrzeuglenkers besteht. Die Sache ist daher insoweit in teilweiser Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 117 IV 292
Date : 22. August 1991
Published : 31. Dezember 1992
Source : Bundesgericht
Status : 117 IV 292
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Fahren in angetrunkenem Zustand (Art. 91 Abs. 1 SVG); Zurechnungsfähigkeit, "actio libera in causa" (Art. 10 ff. StGB).


Legislation register
SVG: 91
StGB: 10  11  12  13  263
BGE-register
102-IV-74 • 106-IV-241 • 117-IV-292 • 85-IV-1 • 93-IV-39 • 95-IV-97 • 98-IV-156
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