117 II 536
98. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1991 i.S. R. gegen M. und I. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 738 f
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend.
1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. 2 Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. - Mit dem Umbau eines Ökonomiegebäudes in ein Zweifamilien-Wohnhaus mit den dazugehörenden Garagen fallen die ursprünglichen Bedürfnisse des herrschenden Grundstückes dahin. Das nach einem Landwirtschaftsbetrieb mit Wohnhaus bemessene Fuss- und Fahrwegrecht braucht den neuen Bedürfnissen, die durch die Benützung der Garagen entstehen, nicht dienstbar gemacht zu werden.
Regeste (fr):
- Art. 738 s. CC; étendue de la servitude en cas de modification des besoins du fonds dominant.
- La transformation d'une grange en une maison d'habitation pour deux familles avec garages attenants fait disparaître les besoins originaires du fonds dominant. Le droit de passage à pied et à char concédé en faveur d'une exploitation agricole avec maison d'habitation ne doit pas servir aux besoins nouveaux, qui résultent de l'utilisation des garages.
Regesto (it):
- Art. 738 e seg. CC; estensione della servitù in caso di modifica dei bisogni.
- I bisogni originari del fondo dominante decadono con la trasformazione di un fienile in una casa d'abitazione per due famiglie con le relative autorimesse. Il diritto di passo pedonale e con veicoli, commisurato a un'azienda agricola con abitazione, non deve essere assoggettato ai nuovi bisogni causati dalla costruzione delle autorimesse.
Sachverhalt ab Seite 536
BGE 117 II 536 S. 536
R. möchte ein landwirtschaftliches Ökonomiegebäude in ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen und drei Garagen für Personenwagen umbauen. Die Zufahrt zu diesen Garagen führt über die mit einem Fuss- und Fahrwegrecht belasteten Grundstücke von M. und I. Diese erhoben gegen das im Amtsblatt ausgeschriebene Bauvorhaben privatrechtliche Einsprache. Während der erstinstanzliche Richter die Baueinsprache abwies, verbot der zweitinstanzliche Richter die Ausführung des Bauvorhabens. Dieser Entscheid wurde vom Bundesgericht, welches die bei ihm erhobene Berufung des R. abwies, geschützt.
BGE 117 II 536 S. 537
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Streitig sind Inhalt und Umfang einer seit 1880 bestehenden, 1967 im bereinigten eidgenössischen Grundbuch eingetragenen Servitut. Die Einsprecher und Berufungsbeklagten befürchten eine Mehrbelastung der Parzelle, wenn dem Berufungskläger gestattet würde, mit dem Umbau des bisherigen landwirtschaftlichen Ökonomiegebäudes ausser zwei Wohnungen noch drei Garagen zu erstellen. Der Bezirksrichter hat die nach einem solchen Umbau zu erwartende intensivere Nutzung als mit der Dienstbarkeit vereinbar betrachtet, wenngleich "die obere Grenze dessen, was ihnen (den Einsprechern) gemäss Art. 739
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 739 - Ändern sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes, so darf dem Verpflichteten eine Mehrbelastung nicht zugemutet werden. |
4. Die aus einer Dienstbarkeit sich ergebenden Rechte und Pflichten sind in erster Linie aufgrund des Eintrags im Grundbuch zu ermitteln (Art. 738 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
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1 | Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
2 | Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
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1 | Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
2 | Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. |
BGE 117 II 536 S. 538
Verbindung mit der Dorfstrasse GB Nr. 250. Der Weg darf weder verstellt noch verengt werden." Dieser Wortlaut ist bezüglich seines Inhalts klar: Es besteht ein sogenanntes ungemessenes, das heisst: weder räumlich noch funktionell begrenztes, Fuss- und Fahrwegrecht derart, dass der unmittelbare Zugang und die unmittelbare Zufahrt von der Dorfstrasse zum berechtigten Grundstück des Berufungsklägers gewährleistet werden. Dem Grundbucheintrag lässt sich somit - aufgrund des Wortlautes - nicht ohne weiteres eine Einschränkung in der Richtung entnehmen, dass das Fahrwegrecht nur gerade der ursprünglich landwirtschaftlichen Nutzung des Ökonomiegebäudes diene, wie das Obergericht anzunehmen scheint und was vom Berufungskläger in Frage gestellt wird. Auf dem herrschenden Grundstück befand sich nämlich seit jeher und befindet sich auch heute noch das landwirtschaftliche Wohnhaus, so dass davon auszugehen ist, dass das Fahr- und Fusswegrecht dem Zugang und der Zufahrt sowohl zur Arbeits- als auch zur Wohnstätte der bäuerlichen Familie zu dienen hat. b) Ungemessene Dienstbarkeiten bedürfen nun aber, selbst bei an sich klarem Wortlaut, der Auslegung, wenn ihr Umfang (Art. 737
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 737 - 1 Der Berechtigte ist befugt, alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit nötig ist. |
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1 | Der Berechtigte ist befugt, alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit nötig ist. |
2 | Er ist jedoch verpflichtet, sein Recht in möglichst schonender Weise auszuüben. |
3 | Der Belastete darf nichts vornehmen, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert oder erschwert. |
BGE 117 II 536 S. 539
worden war, ab 1970 immer mehr reduziert. Bis 1982 wurde noch Rebbau betrieben, aber seither ist das Ökonomiegebäude nur noch als Einstellraum für landwirtschaftliche Geräte und Maschinen, für Holz und für den Personenwagen des Berufungsklägers benützt worden. Würde die Baueinsprache abgewiesen, so würden in Zukunft höchstens drei Privatautos zu den im umgebauten Ökonomiegebäude erstellten Garagen fahren. Der Einwand des Berufungsklägers, verglichen mit früher könne von einer Mehrbenützung der Liegenschaft, die zu einer reinen Wohnliegenschaft würde, keine Rede sein, ist daher nicht ganz von der Hand zu weisen. Ginge es allein um die soziale Entwicklung, die dazu geführt hat, dass sich in traditionellen Bauerndörfern der Wohnbau breitgemacht hat und die Landwirtschaft ausgesiedelt worden ist, und um den technischen Fortschritt, der anstelle von Pferd und Wagen den Traktor und das Personenfahrzeug gebracht hat, so liesse sich daher der angefochtene Entscheid kaum halten. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht zu übersehen, dass die Belastung schon seit 1978 oder zumindest seit 1982 gering ist (Fahrten des Berufungsklägers mit seinem Personenwagen oder Motorrad, wenige Holztransporte im Jahr, Transport der dem Rebbau dienenden Maschinen). d) Entscheidend ist nun aber die Feststellung der Vorinstanz, dass der Berufungskläger den vollständigen Umbau des Ökonomiegebäudes in ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen und drei Garagen plane; damit falle der zuvor landwirtschaftliche Zweck des Ökonomiegebäudes vollständig dahin. Die Servitut würde dem jeweiligen Eigentümer für die Erzielung von Mietzinsen oder von Eigenmietwerten dienen, aber nicht mehr für die Gewinnung landwirtschaftlicher Produkte. Gestützt auf die Dienstbarkeit könnten drei verschiedene Mieter ohne jede Einschränkung ihre persönlichen Verkehrsbedürfnisse befriedigen.
Die Vorinstanz hat sodann in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass selbst ein uneingeschränktes Fahrwegrecht nicht auf die Wegbenützung im Zusammenhang mit der Errichtung von nicht der Landwirtschaft dienenden Garagen auf dem berechtigten Grundstück erstreckt werden könnte. Andernfalls würde die Dienstbarkeit einen Umfang annehmen, an den bei der Errichtung, in Anbetracht des damaligen landwirtschaftlichen Charakters des herrschenden Grundstücks, vernünftigerweise nicht habe gedacht werden können. Der Bau von Garagen habe im Jahr 1880 nicht vorausgesehen werden können, und daher habe diese Nutzungsart
BGE 117 II 536 S. 540
im Wortlaut des Wegrechts auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden müssen (vgl. BGE 87 II 87 ff. E. 3c, d: Umwandlung einer ehemaligen Werkstatt in zwei Garagen, für deren Zu- und Wegfahrt ebenfalls ein "ungehindertes und unbeschränktes Fuss- und Fahrwegrecht" beansprucht wurde).
5. Die Schlussfolgerung des Obergerichts, dass mit dem Umbau des Ökonomiegebäudes in ein (Zweifamilien-)Wohnhaus mit den dazugehörenden Garagen die ursprünglichen Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks - vor allem die Zufahrt zum Zentrum eines landwirtschaftlichen Betriebes - dahinfielen und dass neuen Bedürfnissen - hier der Benützung der Garagen - das Fuss- und Fahrwegrecht nicht dienstbar gemacht werden dürfe, steht in Einklang mit Rechtsprechung und Lehre (BGE 87 II 88 f., BGE 91 II 342 f. E. 4b, BGE 100 II 118, BGE 107 II 335, BGE 114 II 429 E. 2c, BGE 115 II 436 ff.; Kommentar LIVER, N 24 ff. zu Art. 737
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 737 - 1 Der Berechtigte ist befugt, alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit nötig ist. |
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1 | Der Berechtigte ist befugt, alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit nötig ist. |
2 | Er ist jedoch verpflichtet, sein Recht in möglichst schonender Weise auszuüben. |
3 | Der Belastete darf nichts vornehmen, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert oder erschwert. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
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1 | Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
2 | Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 739 - Ändern sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes, so darf dem Verpflichteten eine Mehrbelastung nicht zugemutet werden. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 739 - Ändern sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes, so darf dem Verpflichteten eine Mehrbelastung nicht zugemutet werden. |
BGE 117 II 536 S. 541
in Zweifel gezogen werden kann (Durchfahrt von drei Personenwagen gegenüber Fahrten mit Traktoren sowie Vieh- und anderen Transporten) - nicht hinnehmen. Der Absicht des Berufungsklägers, die 1880 und noch 1967 geltende Art der Bewirtschaftung des herrschenden Grundstücks zu ändern, steht die Dienstbarkeit entgegen (siehe dazu nebst den vorstehenden Zitaten den Kommentar LIVER, N 26 zu Art. 739
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 739 - Ändern sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes, so darf dem Verpflichteten eine Mehrbelastung nicht zugemutet werden. |