87 II 85
13. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. April 1961 i.S. Guhl gegen Zehnder.
Regeste (de):
- Grunddienstbarkeit; Auslegung (Art. 738
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend.
1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. 2 Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. - "Ungehindertes und unbeschränktes Fuss- und Fahrwegrecht"; Benützung des Weges mit Motorfahrzeugen?
Regeste (fr):
- Servitude foncière; interprétation (art. 738 CC).
- "Droit de passer à pied et à char sans entrave ni limites"; utilisation du chemin par des véhicules à moteur?
Regesto (it):
- Servitù prediale; interpretazione (art. 738 CC).
- "Diritto di passo pedonale e con carro senza intralci nè limitazioni"; uso della strada con autoveicoli?
Sachverhalt ab Seite 86
BGE 87 II 85 S. 86
Aus dem Tatbestand:
Zwischen den Gebäuden auf den Parzellen Nr. 314 und 604 in Steckborn besteht ein von der Seestrasse (Südosten) aus durch ein Tor zugänglicher Hofraum, der zum kleinern Teil zur Parzelle Nr. 314, zum grössern Teil zur Parzelle Nr. 604 gehört und nordwestlich an die Parzelle Nr. 313 I grenzt. Ein am 1. Juli 1929 abgeschlossener Grunddienstbarkeitsvertrag bestimmt, dass die jeweiligen Eigentümer der Parzellen Nr. 314 und 604 dem jeweiligen Eigentümer der Parzelle Nr. 313 I ein "ungehindertes und unbeschränktes Fuss- und Fahrwegrecht" über den erwähnten Hofraum "von und zur Seestrasse" gewähren. Dieses Wegrecht ist im Grundbuch eingetragen. Nachdem der Eigentümer der Parzelle Nr. 313 I, Heinrich Guhl, Ende 1957 einen ehemaligen Werkstattraum in zwei Garagen für je ein Automobil umgewandelt hatte, verbot ihm der Eigentümer der Parzelle Nr. 604, Franz Zehnder, über sein Grundstück zu den Garagen zu fahren. Im Prozess, den Guhl hierauf gegen Zehnder einleitete, stellte das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 13. September 1960 fest, das Wegrecht gestatte ein Befahren des Hofraums mit Motorfahrzeugen nur für vereinzelte Zubringerdienste und gelegentliche Fahrten zu Besuchszwecken, nicht dagegen für die zur Benützung der Garagen erforderlichen Fahrten.
Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. In der Sache selbst behauptet der Kläger, die Vorinstanz habe sich über den klaren Sinn des nach Art. 738
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
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1 | Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
2 | Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. |
BGE 87 II 85 S. 87
hinweggesetzt. Ferner habe sie bei der Auslegung des Errichtungsvertrags die Umstände, unter denen er abgeschlossen wurde, nicht gehörig berücksichtigt, aus der Art der Ausübung der Dienstbarkeit, die nur subsidiär in Betracht komme, falsche Schlüsse gezogen und ausserdem zu Unrecht angenommen, die beabsichtigte Wegbenützung verursache dem Beklagten eine ihm nach Art. 739
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 739 - Ändern sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes, so darf dem Verpflichteten eine Mehrbelastung nicht zugemutet werden. |
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SR 211.432.1 Grundbuchverordnung vom 23. September 2011 (GBV) GBV Art. 35 Datensicherheit - 1 Die Daten des informatisierten Grundbuchs, einschliesslich der elektronischen Belege, werden so gespeichert und gesichert, dass sie in Bestand und Qualität erhalten bleiben. Die Sicherung erfolgt nach anerkannten Normen und entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik nach kantonalem Konzept. |
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1 | Die Daten des informatisierten Grundbuchs, einschliesslich der elektronischen Belege, werden so gespeichert und gesichert, dass sie in Bestand und Qualität erhalten bleiben. Die Sicherung erfolgt nach anerkannten Normen und entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik nach kantonalem Konzept. |
2 | Die im informatisierten Hauptbuch gespeicherten Daten werden periodisch durch den Bund in digitaler Form langfristig gesichert. |
3 | Die Kantone stellen die Daten für die langfristige Sicherung über die Schnittstelle nach Artikel 949a Absatz 3 ZGB zur Verfügung. |
BGE 87 II 85 S. 88
der objektiven Verhältnisse und namentlich der Art zu bestimmen, wie es während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist (Art. 738 Abs. 2
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
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1 | Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
2 | Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
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1 | Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
2 | Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. |
Der Kläger ist freilich der Meinung, eine Mehrrbelastung im Sinne des Gesetzes liege deswegen nicht vor, weil der Eigentümer des belasteten Grundstücks sich einer "voraussehbaren Ausdehnung der Servitut" nicht entziehen dürfe. Im Jahre 1929, von dem aus die Frage der Voraussehbarkeit zu beurteilen ist, war jedoch eine derart überbordende Entwicklung des Motorfahrzeugverkehrs, wie sie in den letzten Jahren eingetreten ist, nicht vorauszusehen. Der Kläger wagt denn auch selber nicht, die auf S. 23
BGE 87 II 85 S. 89
der Berufungsschrift mit der Erwägung der Voraussehbarkeit begonnene Argumentation zu Ende zu führen, sondern beruft sich auf S. 24 darauf, dass in der "heutigen Zeit" die Erstellung zweier Garagen in einem für drei Familien eingerichteten Hause nichts Aussergewöhnliches sei. Dies stimmt zwar, ist aber für die Beurteilung des vorliegenden Falles belanglos. Auch wenn die Änderung der Bedürfnisse des berechtigten Grundstücks allgemeinen neuen Lebensgewohnheiten entspricht, so dürfen die neuen Bedürfnisse nach Art. 739
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 739 - Ändern sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes, so darf dem Verpflichteten eine Mehrbelastung nicht zugemutet werden. |