117 Ia 66
11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. April 1991 i.S. Grüne Partei des Kantons Zürich und Mitbeteiligte gegen Kantonsrat und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 85 lit. a
OG; Stimmrechtsbeschwerde; zulässige Rügen.
- In der Stimmrechtsbeschwerde gegen die Anordnung einer Volksabstimmung über einen Strassenkredit kann nicht geltend gemacht werden, die Rechtmässigkeit der Strasse hätte vor der Anordnung der Abstimmung beurteilt werden müssen (E. 1d/cc). Zulässigkeit der Rüge, die Orientierung der Stimmbürger über eine Vorlage sei nicht hinreichend und zudem einseitig (E. 1d/dd).
Regeste (fr):
- Art. 85 let. a OJ; recours pour violation du droit de vote; griefs recevables.
- Dans le recours pour violation du droit de vote formé contre l'organisation d'un vote populaire sur un crédit routier, il n'est pas possible de faire valoir que l'autorité aurait dû examiner si la route était conforme au droit, avant l'organisation de la votation (consid. 1d/cc). Le grief d'orientation insuffisante et, de surcroît, unilatérale des citoyens sur le projet en question est recevable (consid. 1d/dd).
Regesto (it):
- Art. 85 lett. a
OG; ricorso per violazione del diritto di voto; censure ammissibili.
- Nel ricorso per violazione del diritto di voto proposto contro l'organizzazione di una votazione popolare su di un credito stradale non è consentito far valere che l'autorità avrebbe dovuto, prima di organizzare la votazione, esaminare se la strada sarebbe conforme al diritto (consid. 1d/cc). È ammissibile la censura d'informazione insufficiente, e per giunta unilaterale, dei cittadini sul progetto loro sottoposto (consid. 1d/dd).
Sachverhalt ab Seite 66
BGE 117 Ia 66 S. 66
Der Kantonsrat Zürich fasste am 4. Dezember 1989 nach Einsichtnahme in einen Antrag des Regierungsrats einen Beschluss über die Bewilligung eines Kredits für den Bau des Autobahnzusammenschlusses Lindengarten bis Römerhof und des Halbanschlusses Flughafen in Kloten mit folgendem Wortlaut: "I. Für den Bau des Autobahnzusammenschlusses Lindengarten bis Römerhof und des Halbanschlusses Flughafen in Kloten wird zu Lasten
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des Strassenfonds ein Objektkredit von Fr. 54'400'000.-- bewilligt. II. Die Kreditsumme erhöht oder vermindert sich entsprechend der Baukostenentwicklung zwischen der Aufstellung des Kostenvoranschlages (Preisstand April 1989) und der Bauausführung. III. Dieser Beschluss unterliegt der Volksabstimmung.
IV. Veröffentlichung im Amtsblatt, Textteil.
V. Mitteilung an den Regierungsrat zum Vollzug."
Mit Beschluss vom 20. Dezember 1989 ordnete der Regierungsrat des Kantons Zürich an, der obenerwähnte Kreditbeschluss des Kantonsrats sei am 1. April 1990 mit Stimmzettel 4 der kantonalen Volksabstimmung zu unterbreiten. Gegen diese Beschlüsse des Regierungsrats und des Kantonsrats führen die Grüne Partei und die Sozialdemokratische Partei des Kantons Zürich sowie verschiedene Stimmbürger staatsrechtliche Beschwerde (Stimmrechtsbeschwerde) beim Bundesgericht und stellen die folgenden Anträge: "1. Es sei der angefochtene Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zürich in bezug auf Stimmzettel 4 und der diesem zugrundeliegende Beschluss des Kantonsrats des Kantons Zürich über die Bewilligung eines Kredits von Fr. 54'400'000.-- für den Bau des Autobahnzusammenschlusses Lindengarten bis Römerhof und des Halbanschlusses Flughafen in Kloten aufzuheben. 2. Es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren; insbesondere sei der Regierungsrat des Kantons Zürich anzuweisen, die mit Beschluss vom 20. Dezember 1989 auf den 1. April 1990 angesetzte kantonale Volksabstimmung über die in Ziff. 1 umschriebene Vorlage abzusetzen. 3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegner." (S. auch BGE 117 Ib 35.)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. d) cc) Mit der Stimmrechtsbeschwerde gemäss Art. 85 lit. a
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BGE 117 Ia 66 S. 68
nicht genehmigt wird, nicht wegen Verletzung des Stimmrechts anfechten. Die staatsrechtliche Beschwerde gestützt auf Art. 85 lit. a
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dd) Die Beschwerdeführer machen immerhin geltend, die von ihnen gerügten Verfahrensmängel würden verhindern, dass der Stimmbürger in Kenntnis aller wesentlichen Umstände seinen Entscheid treffen könne. Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete politische Stimmrecht gibt dem Bürger einen Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (BGE 115 Ia 206 E. 4, BGE 114 Ia 432 E. 4a mit Hinweisen). Daraus folgt, dass jeder Stimmbürger seinen Entscheid gestützt auf einen möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung soll treffen können (BGE 115 Ia 206 E. 4, BGE 114 Ia 432 E. 4a mit Hinweis). Die freie Meinungsbildung schliesst grundsätzlich jede direkte Einflussnahme der Behörden aus, welche geeignet wäre, die freie Willensbildung der Stimmbürger im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen zu verfälschen (BGE 114 Ia 432 E. 4a mit Hinweisen). Das bedeutet, dass die Stimmbürger hinreichend über eine Abstimmungsvorlage informiert werden müssen und dass diese Information in einem ausgewogenen Rahmen zu bleiben hat. Insoweit die Beschwerdeführer eine Verletzung dieser Grundsätze geltend machen, ist auf
BGE 117 Ia 66 S. 69
ihre Stimmrechtsbeschwerde auch hinsichtlich der in den Ziffern 27 bis 33 der Beschwerdeschrift erhobenen Rügen einzutreten.