117 Ia 262
42. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 31. Mai 1991 i.S. Y. u. Mitb. gegen Kanton Basel-Stadt und Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 1. Tragweite von Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 2. Die vom Bundesgericht zu Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 3. Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Nichteinholen eines Gutachtens (E. 4).
Regeste (fr):
- Art. 4 al. 1 et 2 Cst.; salaire identique pour travail équivalent; droit d'être entendu; maîtresses de jardin d'enfants bâloises.
- 1. Portée de l'art. 4 al. 2 Cst. (consid. 2).
- 2. N'est pas applicable au cas de l'art. 4 al. 2 phrase 3 Cst. la jurisprudence développée par le Tribunal fédéral au sujet de l'art. 4 al. 2 phrases 1 et 2 Cst., selon laquelle il est possible de renoncer, à certaines conditions, à l'admission d'un recours malgré la constatation par le juge d'une violation de cette disposition. Il résulte de cette règle une prétention, déduite directement de la Constitution, qui peut être invoquée tant à l'égard d'un employeur privé que d'un employeur public (consid. 3).
- 3. Violation du droit d'être entendu par le fait de ne pas procéder à une expertise (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 4 cpv. 1 e 2 Cost.; retribuzione uguale per un lavoro di pari valore; maestre di scuole materne nel cantone di Basilea Città.
- 1. Portata dell'art. 4 cpv. 2 Cost. (consid. 2).
- 2. Non è applicabile al caso dell'art. 3 cpv. 2 terza proposizione Cost. la giurisprudenza elaborata dal Tribunale federale con riferimento all'art. 4 cpv. 2 prima e seconda proposizione Cost. secondo la quale è possibile, a certe condizioni, rinunciare all'accoglimento di un ricorso benché il giudice accerti che tale disposizione è stata violata. Dall'art. 4 cpv. 2 terza proposizione Cost. risulta una pretesa, dedotta direttamente dalla Costituzione, che può essere fatta valere tanto nei confronti di un datore di lavoro privato quanto nei confronti di un datore di lavoro pubblico (consid. 3).
- 3. Violazione del diritto di essere sentito realizzata con l'omissione di una perizia (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 263
BGE 117 Ia 262 S. 263
Der Kanton Basel-Stadt hat die Besoldung seines Personals im Gesetz vom 12. Dezember 1970 betreffend die Einreihung und Entlöhnung der Mitarbeiter des Kantons (Lohngesetz) geregelt. Diesem Erlass liegt eine analytische Arbeitsplatzbewertung zugrunde, die unter Beizug des Betriebswissenschaftlichen Institutes der ETH Zürich durchgeführt worden ist. Am 27. Oktober 1987 beantragten neun Kindergärtnerinnen und zehn Arbeits- bzw. Hauswirtschaftslehrerinnen dem Regierungsrat gestützt auf Art. 4 Abs. 2
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BGE 117 Ia 262 S. 264
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerinnen rügen als verfassungswidrig, dass das Verwaltungsgericht trotz der Feststellung, ihre Lohneinstufung verletze Art. 4 Abs. 2
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b) Laut Satz 2 von Art. 4 Abs. 2
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge. |
|
1 | Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge. |
2 | Er beachtet dabei folgende Grundsätze: |
a | Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise. |
b | Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen. |
c | Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern. |
d | Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern. |
e | Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären. |
3 | Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen. |
4 | Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge. |
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1 | Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge. |
2 | Er beachtet dabei folgende Grundsätze: |
a | Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise. |
b | Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen. |
c | Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern. |
d | Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern. |
e | Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären. |
3 | Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen. |
4 | Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen. |
BGE 117 Ia 262 S. 265
Akten geht, wenn mehrere politische Lösungen in Frage kommen, zu deren Wünschbarkeit sich die demokratisch legitimierten Organe auszusprechen haben (vgl. BGE 110 Ia 26 E. 6), oder wenn erst die Einrichtung gewisser Rechtsinstitute oder Verfahren die Gleichstellung erlaubt. Der verfassungsmässige Auftrag an den Gesetzgeber stellt keinen Vorbehalt zugunsten der Gesetzgebung dar; er schliesst nicht aus, dass der Richter prüft, ob Rechtserlasse mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter auch in den in Satz 2 erwähnten Bereichen übereinstimmen oder nicht (BBl 1980 I 142; vgl. GEORG MÜLLER, a.a.O., Rz. 138 ff.; JÖRG PAUL MÜLLER, a.a.O., S. 231 ff.; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, a.a.O., N 1560 ff.; ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 92 ff.; BEATRICE WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 15 ff.; CHARLES-ALBERT MORAND, a.a.O., S. 85 ff.; S. 96 ff.). c) Art. 4 Abs. 2
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3. a) Das Bundesgericht hat wiederholt festgestellt, dass kantonale Gerichte unmittelbar gestützt auf die Bundesverfassung
BGE 117 Ia 262 S. 266
verpflichtet sind, das von ihnen anzuwendende kantonale Recht auf seine Übereinstimmung mit der Bundesverfassung zu prüfen (BGE 112 Ia 313 E. 2c; 104 Ia 82 E. 2a). Damit verbunden ist grundsätzlich auch die Pflicht, als verfassungswidrig erkanntes Recht im Einzelfall nicht anzuwenden, da sonst der Vorrang des Verfassungsrechtes des Bundes missachtet würde (BGE 112 Ia 313 E. 2c mit Hinweisen). Dies lässt sich nur rechtfertigen, wenn Rechtsprinzipien vom selben Rang im Spiele stehen. Verfassungswidrige kantonale Bestimmungen sind durchzusetzen, wenn mit der Aufhebung einer Verfügung unvermeidlich eine noch viel stossendere Rechtsungleichheit geschaffen würde, weil die Verwaltung deren allgemeine Wirkungen nicht in erträglichem Rahmen halten und vor dem Erlass neuer Vorschriften durch den Gesetzgeber beispielsweise Steuern in vielen Fällen nicht weiter erheben könnte (BGE 116 V 213 E. 3a, BGE 112 Ia 313 E. c, unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 1. März 1991 i.S. H. S., E. 6). Soweit verfassungswidrige Bestimmungen ausserhalb der durch Satz 3 garantierten Lohngleichheit aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Art. 4 Abs. 2
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BGE 117 Ia 262 S. 267
c) Diese Argumentation trägt der Rechtsnatur von Art. 4 Abs. 2
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BGE 117 Ia 262 S. 268
der Feststellung und Beurteilung des Tatbestandes Rechnung zu tragen. d) Das Verwaltungsgericht verletzte somit Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
4. Die Beschwerdeführerinnen werfen dem Verwaltungsgericht auch vor, es habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da es, ohne das beantragte Gutachten einzuholen, eine Diskriminierung in bezug auf die Merkmale "Ausdrucksfähigkeit" (B 2), "Geistige Fähigkeiten" (B 1) und "Geistige Beanspruchung" (E 1) verneint habe. a) Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt sich zunächst aus den kantonalen Verfahrensvorschriften; erst wo sich dieser Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4
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b) Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines solchen Entscheides zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 116 Ia 99 E. b, BGE 115 Ia 11 E. 2b mit Hinweisen). Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann. Diesem Mitwirkungsrecht entspricht die Pflicht der Behörde, die Argumente und Verfahrensanträge der Partei entgegenzunehmen und zu prüfen (ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 147) sowie die ihr rechtzeitig und formrichtig angebotenen
BGE 117 Ia 262 S. 269
Beweismittel abzunehmen, es sei denn, diese beträfen eine nicht erhebliche Tatsache oder seien offensichtlich untauglich, über die streitige Tatsache Beweis zu erbringen (BGE 106 Ia 162 E. b). Eine vorweggenommene Beweiswürdigung wird dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. BGE 115 Ia 101 E. 5b). c) Die Beschwerdeführerinnen hatten im kantonalen Verfahren die Vornahme einer Expertise beantragt, um durch ein unabhängiges arbeitswissenschaftliches Institut ihre Tätigkeiten mit jenen der übrigen Kategorien von Lehrkräften vergleichen und abklären zu lassen, ob sachliche Gründe für die ungleiche Bewertung bestünden. Das Verwaltungsgericht gab diesem Beweisantrag nicht statt, weil es selber in der Lage sei, die betreffenden Fragen zu beantworten. Diese Auffassung hält einer Überprüfung - auch als Willkürprüfung bei einer antizipierten Beweiswürdigung (vgl. BGE 115 Ia 11 E. 3a; 101) - nicht stand. Das Lohnsystem des Kantons Basel-Stadt beruht auf einer Arbeitsplatzbewertung, die, gestützt auf ein betriebswirtschaftliches Rahmenkonzept, in einem verhältnismässig aufwendigen und komplizierten Verfahren durchgeführt worden ist. Der Realisierung der Lohngleichheit von Mann und Frau wurde dabei besonders Rechnung getragen (Ratschlag Nr. 6705, S. 9, 21, 59, 80). Unter diesen Umständen hatte das Verwaltungsgericht die Ausgangslage zur Beurteilung der Ansprüche der Beschwerdeführerinnen besonders sorgfältig zu prüfen. Anhand der Unterlagen der Arbeitsplatzbewertung wäre zu untersuchen gewesen, ob und welche Fehler während der verschiedenen Stufen des Verfahrens gemacht wurden und wie sich diese allenfalls auf die Klassierung der Beschwerdeführerinnen auswirken konnten. Die richterliche Analyse hätte sich dabei nicht zum vornherein auf eine bestimmte Funktionsgruppe (in einem Vertikalvergleich) beschränken dürfen, sondern hätte die auf die Funktionen der Beschwerdeführerinnen bezogenen Vernetzungen im Lohngefüge in die Beurteilung miteinbeziehen müssen. Nur so wären verlässliche Resultate zur Frage zu erwarten gewesen, ob die Berufe der Beschwerdeführerinnen als sogenannte "typische Frauenberufe" im Basler Lohnsystem diskriminiert werden (bereits zitiertes unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 14. Dezember 1989, E. 3c; vgl. HEINZ KAPPEL, Organisieren - Führen - Entlöhnen mit modernen Instrumenten, Handbuch der Funktionsbewertung und Mitarbeiterbeurteilung, 2. Aufl., Zürich 1986, S. 197 ff.).
BGE 117 Ia 262 S. 270
Eine solche Prüfung setzt spezifische Fachkenntnisse voraus und kann nicht bereits aufgrund der eingereichten Unterlagen vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht gab deshalb in offensichtlich unhaltbarer Weise dem Beweisantrag auf Einholen eines Gutachtens, das über die Anträge der Beschwerdeführerinnen hätte hinausgehen dürfen, nicht Folge und verletzte damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. d) Unter diesen Umständen kann es nicht Sache des Bundesgerichtes als Verfassungsgericht sein, die Arbeitsplatzmerkmale zu prüfen, die noch Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde bilden. Diesbezüglich ist die Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gutzuheissen.