116 IV 273
51. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. November 1990 i.S. I. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 13 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. 2 Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. - Voraussetzungen für die Bejahung eines ernsthaften Anlasses zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Täters, insbesondere aufgrund eines früheren Gutachtens.
Regeste (fr):
- Art. 13 al. 1 CP; expertise psychiatrique.
- Conditions auxquelles on doit admettre un sérieux doute quant à la responsabilité de l'auteur, notamment au vu d'une expertise ancienne.
Regesto (it):
- Art. 13 cpv. 1 CP; perizia psichiatrica.
- Condizioni alle quali va ammesso un serio dubbio circa la responsabilità dell'agente, in particolare in base a una perizia psichiatrica precedente.
Sachverhalt ab Seite 273
BGE 116 IV 273 S. 273
A.- I., der im Privatclub "H." in Zürich als Sicherheitsbeauftragter und Türkontrolleur tätig gewesen war, war mit dem tunesischen Staatsangehörigen C. im Zusammenhang mit der Nichtbezahlung der Eintrittsgebühr in eine Auseinandersetzung geraten, in deren Verlauf er mit einem Gasrevolver einen Schuss auf C. abgab, wodurch dieser das Sehvermögen auf dem rechten Auge infolge Verbrennungen an Horn- und Bindehaut bleibend verlor. Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte I. wegen schwerer Körperverletzung zu zwei Jahren Gefängnis.
B.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt I., das Urteil des Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, über ihn ein psychiatrisches Gutachten einzuholen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4. a) Nach Art. 13 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
BGE 116 IV 273 S. 274
Fachliteratur, sondern, wie sich aus Absatz 2 von Artikel 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
BGE 116 IV 273 S. 275
Auffälligkeiten, etwa mehrere Selbstmordversuche, aufgetreten sind (ähnlich LANGE, Leipziger Kommentar, 10. Aufl., § 21 N 101, der zusätzlich auffällige Begleitumstände bei Ladendiebstählen nennt, und HANS LUDWIG SCHREIBER, Der Sachverständige im Verfahren und in Verhandlung, Psychiatrische Begutachtung, herausgegeben von ULRICH VENZLAFF, 1986, S. 152, nach welchem der Beizug eines Sachverständigen beispielsweise dann erforderlich sei, wenn der Täter nur über geringe Intelligenz, einen Hang zu Autodiebstählen und nur geringes Hemmungsvermögen gegenüber der Versuchung, Gelegenheit zu Eigentumsdelikten zu nutzen, verfüge). b) Gemäss dem Strafregisterauszug des Beschwerdeführers wurde er mit Urteil vom 22. Juni 1972 des Strafgerichts Zug des Mordes, der vorsätzlichen Körperverletzung, des Raubes und der Nötigung schuldig gesprochen und in eine Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen; am 26. März 1975 verurteilte ihn das Strafgericht Basel-Landschaft unter anderem wegen Raubes zu 6 Monaten Gefängnis; am 29. August 1977 sprach ihn das Amtsgericht Solothurn-Lebern unter anderem schuldig der wiederholten Erpressung, der Freiheitsberaubung, des verbotenen Waffentragens und der Tätlichkeiten und bestrafte ihn mit 2 Jahren Zuchthaus; am 2. Juli 1982 bestrafte ihn die Bezirksanwaltschaft Zürich wegen einfacher Körperverletzung mit einer Busse von Fr. 300.--, und am 22. November 1985 wurde er zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat wegen Diebstahls und verbotenen Waffenbesitzes verurteilt. Anlässlich des ersten Strafverfahrens erstellte die Direktion der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen am 20. Februar 1972 über den Beschwerdeführer ein Gutachten, das zusammenfassend festhielt: "...
2. Als primitiver, verstimmbarer, reizbarer, gewalttätiger und sekundär trunksüchtiger Psychopath war der Angeschuldigte aber zur Zeit des jetzt eingeklagten Deliktes zwar nicht in seiner Einsichtsfähigkeit behindert, wohl aber aus affektiven Gründen in der Fähigkeit, gemäss seiner Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln. Wir halten daher leicht verminderte Zurechnungsfähigkeit im Sinne von Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. |
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1 | Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. |
2 | Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund: |
a | des Gesetzes; |
b | eines Vertrages; |
c | einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder |
d | der Schaffung einer Gefahr. |
3 | Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte. |
4 | Das Gericht kann die Strafe mildern. |
5. Nach unserer Auffassung gefährdet zwar der Angeschuldigte wegen seiner beschriebenen Charakterstruktur die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise; wir halten aber die Voraussetzungen zur Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
BGE 116 IV 273 S. 276
Strafvollzug ein höheres Mass an Selbstbeherrschung lernen kann. ...
6. Wir stellen eine sehr zweifelhafte Prognose. ...".
Nun genügt zwar zur Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit nicht jede geringfügige Herabsetzung der Fähigkeit, sich zu beherrschen. Der Täter muss vielmehr, zumal der Begriff des normalen Menschen nicht eng zu fassen ist, in hohem Masse in den Bereich des Abnormen fallen, seine Geistesverfassung nach Art und Grad stark vom Durchschnitt nicht bloss der Rechts-, sondern auch der Verbrechensgenossen abweichen (BGE 102 IV 226 E. 7b mit Hinweisen). Beim Beschwerdeführer wurde aber, wie erwähnt, bereits im Jahre 1972 ein Gutachten erstellt, das ihn als gewalttätigen Psychopathen mit sehr zweifelhafter Prognose bezeichnete. Diese schlechte Prognose wurde in der Folge denn auch bestätigt. Die zwar weniger schwerwiegenden Vorfälle in den letzten 10 Jahren weisen ebenfalls in die gleiche Richtung (Körperverletzung, verbotenes Waffentragen). Bei dieser Sachlage hätte die Vorinstanz beim neuen, schwerwiegenden und unverständlichen Gewaltdelikt ein neues Gutachten in Auftrag geben müssen, zumal das erste (und einzige) Gutachten, das über den Beschwerdeführer erstellt worden war, bereits aus dem Jahre 1972 stammt und ihm damals eine verminderte Zurechnungsfähigkeit attestiert hatte. Hinzuzufügen bleibt, dass die neue psychiatrische Literatur bei Persönlichkeitsstörungen von einem gewissen Schweregrad mit einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (Minderung, aber sehr selten Aufhebung) rechnet (RAINER TÖLLE, Psychiatrie, 8. Aufl., 1988, S. 117; ROLF BAER, Psychiatrie für Juristen, 1988, S. 44 f., insb. S. 51 f.; Handwörterbuch der Rechtsmedizin für Sachverständige und Juristen, herausgegeben von GEORG EISEN, Band 2: Der Täter, Persönlichkeit und Verhalten, 1974, S. 280/281). c) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ernsthafter Anlass zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers bestand. Indem die Vorinstanz bei dieser Sachlage kein psychiatrisches Gutachten anordnete, verletzte sie Art. 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |