116 III 62
14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. November 1990 i.S. A. G. gegen D. G. (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 80
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 80 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid, so kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen.155
1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid, so kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen.155 2 Gerichtlichen Entscheiden gleichgestellt sind:156 1 gerichtliche Vergleiche und gerichtliche Schuldanerkennungen; 1bis vollstreckbare öffentliche Urkunden nach den Artikeln 347-352 ZPO158; 2 Verfügungen schweizerischer Verwaltungsbehörden; 3 ... 4 die endgültigen Entscheide der Kontrollorgane, die in Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005162 gegen die Schwarzarbeit getroffen werden und die Kontrollkosten zum Inhalt haben; 5 im Bereich der Mehrwertsteuer: Steuerabrechnungen und Einschätzungsmitteilungen, die durch Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtskräftig wurden, sowie Einschätzungsmitteilungen, die durch schriftliche Anerkennung der steuerpflichtigen Person rechtskräftig wurden. - Ist die Erhöhung einer Scheidungsrente entsprechend dem Lebenskostenindex an die Voraussetzung geknüpft worden, dass sich das Einkommen des Pflichtigen dem Anstieg der Lebenshaltungskosten anpasst, so fragt sich nur, ob sich sein Einkommen insgesamt entsprechend der Teuerung erhöht hat. Es ist willkürlich, nur die in Form von Teuerungszulagen erfolgten Lohnerhöhungen zu berücksichtigen, die Reallohnerhöhungen aber ausser acht zu lassen.
Regeste (fr):
- Art. 80 LP; mainlevée de l'opposition pour rentes après divorce; clause d'indexation.
- Lorsque l'indexation d'une rente après divorce en fonction de l'indice des prix à la consommation est liée à la condition que le salaire du débiteur soit adapté à l'augmentation du coût de la vie, il suffit que le salaire ait été au total augmenté selon la hausse des prix. Il est arbitraire de ne tenir compte que des augmentations de salaire intervenues sous forme d'allocations de renchérissement, à l'exclusion des augmentations du salaire réel.
Regesto (it):
- Art. 80 LEF; rigetto dell'opposizione per rendite da divorzio; clausola d'indicizzazione.
- Ove l'adeguamento di una rendita da divorzio in base all'indice del costo della vita sia subordinato alla condizione che il salario del debitore sia a sua volta adeguato all'aumento di tale costo, va esaminato soltanto se detto salario sia stato complessivamente adattato al rincaro. È arbitrario tener conto solo degli aumenti di salario intervenuti a titolo d'indennità di rincaro e non considerare altresì gli aumenti del salario reale.
Sachverhalt ab Seite 62
BGE 116 III 62 S. 62
A.- Am 4. Mai 1981 schied das Zivilamtsgericht von Courtelary die Ehe von D. und A. G. Hinsichtlich des Unterhaltsbeitrages erhoben beide Parteien Berufung an den Appellationshof des Kantons Bern. Mit Urteil vom 18. November 1981 genehmigte dieser die von den Parteien anlässlich der Gerichtsverhandlung geschlossene Scheidungskonvention. Darin wurde der von D. G. an seine geschiedene Ehegattin zu bezahlende Unterhaltsbeitrag neu wie folgt festgelegt:
BGE 116 III 62 S. 63
"Der Kläger wird der Beklagten eine monatliche Rente von Fr. 400.-- bezahlen, bis diese in den Genuss der AHV-Rente gelangt. Diese Rente ist an den schweizerischen Index der Konsumentenpreise gebunden (Index Oktober 1981: 117,5 Punkte) in dem Masse, in welchem das Gehalt des Klägers dem Anstieg der Lebenshaltungskosten angepasst wird."
(Originalsprache französisch.)
B.- D. G. kam seiner Unterhaltspflicht grundsätzlich nach, passte die Unterhaltszahlungen jedoch nicht der Teuerung an. Am 23. Januar 1990 betrieb ihn seine geschiedene Ehefrau daher für die teuerungsbedingten Rentenerhöhungen von Dezember 1984 bis Januar 1990 im Gesamtbetrag von Fr. 3'888.-- nebst Zins zu 5% seit dem 23. Januar 1990. D. G. erhob Rechtsvorschlag. Am 21. Februar 1990 reichte die geschiedene Ehegattin ein Rechtsöffnungsgesuch für den in Betreibung gesetzten Betrag ein. Der Gerichtspräsident I von Biel gewährte mit Entscheid vom 11. Juni 1990 die definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 1'619.10 nebst Zins. Gegen diesen Entscheid reichte die geschiedene Ehegattin beim Appellationshof des Kantons Bern Nichtigkeitsklage ein, die am 13. August 1990 abgewiesen wurde.
C.- Gegen den Entscheid des Appellationshofes wendet sich die geschiedene Ehegattin mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Die Möglichkeit, Scheidungsrenten gegen den Willen des Pflichtigen zu indexieren, ist seit BGE 100 II 245 anerkannt. Diese Rechtsprechung wird damit begründet, dass dem Unterhaltsbeitrag nach Art. 151 Abs. 1
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BGE 116 III 62 S. 64
in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten nicht zu einer Erhöhung der Rente führen dürfe. Voraussetzung für die Aufnahme einer Indexklausel sei aber die bestimmte Voraussicht, dass auch das Einkommen des Pflichtigen laufend der Teuerung angepasst werde. Gestützt auf diese Rechtsprechung wurde auch die nachträgliche Indexierung der Rente zugelassen (BGE 105 II 170 f.; BGE 115 II 312). a) Die Indexklausel im Scheidungsurteil der Parteien vom 18. November 1981 bindet die Scheidungsrente klar an den schweizerischen Index der Konsumentenpreise. Im Nachsatz wird die Rentenerhöhung allerdings von einer entsprechenden Anpassung des Erwerbseinkommens des Beschwerdegegners an die gesteigerten Lebenshaltungskosten abhängig gemacht. Solche Zusatzklauseln haben in den vergangenen Jahren in verschiedener Form Eingang in die kantonale Rechtsprechung gefunden (BJM 1975, S. 191 und 315; ZR 74/1975, S. 175 f.). Mit ihnen soll gewährleistet werden, dass der Pflichtige tatsächlich nur im Gleichschritt zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nominal höhere Beiträge zu entrichten hat. b) Im vorliegenden Fall ist der kantonale Rechtsöffnungsrichter der Auffassung des Beschwerdegegners gefolgt, wonach nur solche Lohnerhöhungen zu berücksichtigen seien, die vom Arbeitgeber als Teuerungsausgleich bezeichnet worden seien. Für Reallohnerhöhungen seien keine nominal höheren Unterhaltsleistungen zu erbringen. Diese Auffassung ist nicht haltbar. Der Wortlaut der fraglichen Indexklausel enthält keinerlei Hinweis darauf, dass nur teuerungsbedingte Lohnerhöhungen zu einer Anpassung der Rente führen sollen. Die Bestimmung knüpft eine solche Anpassung nur an die Voraussetzung, dass sich das Einkommen des Beschwerdegegners dem Anstieg der Lebenshaltungskosten anpasst. Die Auslegung, wie sie von den kantonalen Behörden vorgenommen wurde, widerspricht daher klar dem Sinn und Zweck der Indexklausel. Diese soll, wie bereits dargelegt, gewährleisten, dass die zugesprochene Scheidungsrente als Sachleistung ihre Kaufkraft behält (BGE 100 II 252 f., BGE 105 II 170 f.). Entscheidend ist daher allein, ob das Einkommen des Pflichtigen als Ganzes mit der Teuerung Schritt gehalten hat. Trifft dies zu, so ist in jedem Fall sichergestellt, dass die Indexierung der Rente wertmässig keine Vergrösserung seiner Leistung bewirkt. In diesem Sinne hat das Bundesgericht in BGE 115 II 314 ausdrücklich festgehalten, in bezug auf die
BGE 116 III 62 S. 65
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rentenverpflichteten sei einzig von Belang, ob und in welchem Masse diese mit der Teuerung Schritt gehalten habe. Die Anpassung der Rente erfolgte daher ohne Rücksicht auf die Umstände, welche die Einkommenserhöhung bewirkt hatten. Wie die Beschwerdeführerin mit Recht ausführt, kann somit nicht entscheidend sein, ob die Einkommenserhöhung des Pflichtigen auf eine nominale oder reale Anpassung zurückgeht. Um so weniger kann es im Verhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens darauf ankommen, wie diese Anpassung von den Sozialpartnern bezeichnet worden ist. Dies hat der Rechtsöffnungsrichter verkannt. Entgegen dem klaren Sinn der vom Bundesgericht zugelassenen Indexierung der Scheidungsrente hat er zwischen (angeblich) realer und nominaler Einkommenserhöhung des Pflichtigen unterschieden. Damit hat er auf ein unmassgebliches Kriterium abgestellt. Sein Entscheid verstösst deshalb gegen Art. 4
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BGE 116 III 62 S. 66
Titel der Pflichtige Lohnerhöhungen erhalten hat. Wie der vorliegende Fall zeigt, erfordert dies Abklärungen, für die sich das Rechtsöffnungsverfahren wegen seines summarischen Charakters nicht eignet.