Urteilskopf

115 II 156

27. Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Mai 1989 i.S. M. gegen X. Versicherungsgesellschaft (Berufung)
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 156

BGE 115 II 156 S. 156

A.- Mit einem geliehenen Personenwagen verursachte die Ehefrau von M. am 23. Oktober 1985 bei der Ausführung eines Überholmanövers in Ottenbach einen Selbstunfall, bei dem sie schwer und ihr sechs Monate altes Kind tödlich verletzt wurde.
B.- Als Vater des getöteten Kindes klagte M. am 10. November 1987 beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen den Haftpflichtversicherer des Fahrzeughalters, die X. Versicherungsgesellschaft, auf Zahlung von Fr. 25'000.-- Genugtuung nebst Zins. Am 26. August 1988 wies das Handelsgericht die Klage ab.
C.- Der Kläger führt gegen dieses Urteil Berufung und beantragt dessen Aufhebung sowie die Gutheissung der Klage, eventuell
BGE 115 II 156 S. 157

die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist diese ab aus folgenden
Erwägungen

Erwägungen:

1. Für Personen- und Sachschäden aus dem Betrieb eines Motorfahrzeugs haftet dessen Halter kausal und auch ohne Verschulden des Lenkers (Art. 58 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden.
1    Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden.
2    Wird ein Verkehrsunfall durch ein nicht in Betrieb befindliches Motorfahrzeug veranlasst, so haftet der Halter, wenn der Geschädigte beweist, dass den Halter oder Personen, für die er verantwortlich ist, ein Verschulden trifft oder dass fehlerhafte Beschaffenheit des Motorfahrzeuges mitgewirkt hat.
3    Der Halter haftet nach Ermessen des Richters auch für Schäden infolge der Hilfeleistung nach Unfällen seines Motorfahrzeuges, sofern er für den Unfall haftbar ist oder die Hilfe ihm selbst oder den Insassen seines Fahrzeuges geleistet wurde.
4    Für das Verschulden des Fahrzeugführers und mitwirkender Hilfspersonen ist der Halter wie für eigenes Verschulden verantwortlich.
SVG). Trifft den Lenker ein Verschulden, ist der Halter dafür wie für eigenes Verschulden verantwortlich (Art. 58 Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden.
1    Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden.
2    Wird ein Verkehrsunfall durch ein nicht in Betrieb befindliches Motorfahrzeug veranlasst, so haftet der Halter, wenn der Geschädigte beweist, dass den Halter oder Personen, für die er verantwortlich ist, ein Verschulden trifft oder dass fehlerhafte Beschaffenheit des Motorfahrzeuges mitgewirkt hat.
3    Der Halter haftet nach Ermessen des Richters auch für Schäden infolge der Hilfeleistung nach Unfällen seines Motorfahrzeuges, sofern er für den Unfall haftbar ist oder die Hilfe ihm selbst oder den Insassen seines Fahrzeuges geleistet wurde.
4    Für das Verschulden des Fahrzeugführers und mitwirkender Hilfspersonen ist der Halter wie für eigenes Verschulden verantwortlich.
SVG). Das vor Handelsgericht behauptete Eigenverschulden des Halters ist im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen, da nach dem verbindlichen Beweisergebnis der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden.
1    Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden.
2    Wird ein Verkehrsunfall durch ein nicht in Betrieb befindliches Motorfahrzeug veranlasst, so haftet der Halter, wenn der Geschädigte beweist, dass den Halter oder Personen, für die er verantwortlich ist, ein Verschulden trifft oder dass fehlerhafte Beschaffenheit des Motorfahrzeuges mitgewirkt hat.
3    Der Halter haftet nach Ermessen des Richters auch für Schäden infolge der Hilfeleistung nach Unfällen seines Motorfahrzeuges, sofern er für den Unfall haftbar ist oder die Hilfe ihm selbst oder den Insassen seines Fahrzeuges geleistet wurde.
4    Für das Verschulden des Fahrzeugführers und mitwirkender Hilfspersonen ist der Halter wie für eigenes Verschulden verantwortlich.
OG) ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen der angeblich unterbliebenen Arretierung der Rücksitzlehne und dem Tod des Kindes ausgeschlossen ist (BGE 109 II 469 E. 4c); ob und inwieweit die gefälligkeitshalber erfolgte Überlassung des Autos (Art. 305
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 305 - Durch den Gebrauchsleihevertrag verpflichten sich der Verleiher, dem Entlehner eine Sache zu unentgeltlichem Gebrauche zu überlassen, und der Entlehner, dieselbe Sache nach gemachtem Gebrauche dem Verleiher zurückzugeben.
OR) den Halter entlastet hätte, kann offenbleiben.
Gleich wie beim Schadenersatz richtet sich die Zusprechung von Genugtuung aus Motorfahrzeughaftpflicht nach den Grundsätzen von Art. 41 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
. OR (Art. 62 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 62 - 1 Art und Umfang des Schadenersatzes sowie die Zusprechung einer Genugtuung richten sich nach den Grundsätzen des Obligationenrechtes153 über unerlaubte Handlungen.
1    Art und Umfang des Schadenersatzes sowie die Zusprechung einer Genugtuung richten sich nach den Grundsätzen des Obligationenrechtes153 über unerlaubte Handlungen.
2    Hatte der Getötete oder Verletzte ein ungewöhnlich hohes Einkommen, so kann der Richter die Entschädigung unter Würdigung aller Umstände angemessen ermässigen.
3    Leistungen an den Geschädigten aus einer privaten Versicherung, deren Prämien ganz oder teilweise vom Halter bezahlt wurden, sind im Verhältnis seines Prämienbeitrages auf seine Ersatzpflicht anzurechnen, wenn der Versicherungsvertrag nichts anderes vorsieht.
SVG). Gemäss Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände, mithin nach Recht und Billigkeit (Art. 4
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen.
ZGB), den Angehörigen eines Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen. Bei der Beurteilung der Frage, ob besondere Umstände eine Genugtuung rechtfertigen, steht dem Richter ein weites Ermessen zu (TERCIER, L'évolution récente de la réparation du tort moral ..., in SJZ 80/1984 S. 56). Wie im vorliegenden Fall geschehen, kann der Geschädigte aufgrund von Art. 65 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 65 - 1 Der Geschädigte hat im Rahmen der vertraglichen Versicherungsdeckung ein Forderungsrecht unmittelbar gegen den Versicherer.
1    Der Geschädigte hat im Rahmen der vertraglichen Versicherungsdeckung ein Forderungsrecht unmittelbar gegen den Versicherer.
2    Einreden aus dem Versicherungsvertrag oder aus dem Versicherungsvertragsgesetz vom 2. April 1908158 können dem Geschädigten nicht entgegengehalten werden.159
3    Der Versicherer hat ein Rückgriffsrecht gegen den Versicherungsnehmer oder den Versicherten, soweit er nach dem Versicherungsvertrag oder dem Versicherungsvertragsgesetz zur Ablehnung oder Kürzung seiner Leistung befugt wäre.160
SVG statt den Halter unmittelbar dessen Haftpflichtversicherer belangen. Das gesetzliche Forderungsrecht hat zur Folge, dass der Versicherer unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang haftet wie der Halter. Da dieser kausal, der Lenker aber nur für Verschulden gemäss Art. 41
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OR haftet, trifft die vom Kläger kritisierte Annahme der Vorinstanz, die Haftung der Versicherung könne nicht weiter gehen als die des Lenkers, so allgemein nicht zu. Im angefochtenen Urteil kommt ihr indessen lediglich die zutreffende Bedeutung zu, dass auch von der Beklagten als Versicherung des Halters keine Genugtuung verlangt werden kann, wenn es im Verhältnis zwischen
BGE 115 II 156 S. 158

dem Kläger und seiner Ehefrau als Fahrzeuglenkerin an den nach Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR vorausgesetzten Umständen fehlt. Art. 58
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden.
1    Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden.
2    Wird ein Verkehrsunfall durch ein nicht in Betrieb befindliches Motorfahrzeug veranlasst, so haftet der Halter, wenn der Geschädigte beweist, dass den Halter oder Personen, für die er verantwortlich ist, ein Verschulden trifft oder dass fehlerhafte Beschaffenheit des Motorfahrzeuges mitgewirkt hat.
3    Der Halter haftet nach Ermessen des Richters auch für Schäden infolge der Hilfeleistung nach Unfällen seines Motorfahrzeuges, sofern er für den Unfall haftbar ist oder die Hilfe ihm selbst oder den Insassen seines Fahrzeuges geleistet wurde.
4    Für das Verschulden des Fahrzeugführers und mitwirkender Hilfspersonen ist der Halter wie für eigenes Verschulden verantwortlich.
SVG hat bloss zur Folge, dass der mit dem Lenker nicht identische Halter ausser für die von ihm selbst verursachten sowie die objektiven Umstände auch für solche Umstände einzustehen hat, die ausschliesslich vom schädigenden Lenker verursacht worden sind. Vermöchten jedoch diese Umstände bei gegebenem Verschulden keinen Genugtuungsanspruch gegen den Lenker zu begründen, können sie auch nicht Anspruchsgrundlage gegenüber dem Halter sein; dieser kann sich als mit dem Lenker solidarisch haftender Schuldner (Art. 60 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 60 - 1 Sind bei einem Unfall, an dem ein Motorfahrzeug beteiligt ist, mehrere für den Schaden eines Dritten ersatzpflichtig, so haften sie solidarisch.
1    Sind bei einem Unfall, an dem ein Motorfahrzeug beteiligt ist, mehrere für den Schaden eines Dritten ersatzpflichtig, so haften sie solidarisch.
2    Auf die beteiligten Haftpflichtigen wird der Schaden unter Würdigung aller Umstände verteilt. Mehrere Motorfahrzeughalter tragen den Schaden nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens, wenn nicht besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren, eine andere Verteilung rechtfertigen.
SVG) auf das Fehlen eines gemeinsamen Entstehungsgrundes (Art. 145 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 145 - 1 Ein Solidarschuldner kann dem Gläubiger nur solche Einreden entgegensetzen, die entweder aus seinem persönlichen Verhältnisse zum Gläubiger oder aus dem gemeinsamen Entstehungsgrunde oder Inhalte der solidarischen Verbindlichkeit hervorgehen.
1    Ein Solidarschuldner kann dem Gläubiger nur solche Einreden entgegensetzen, die entweder aus seinem persönlichen Verhältnisse zum Gläubiger oder aus dem gemeinsamen Entstehungsgrunde oder Inhalte der solidarischen Verbindlichkeit hervorgehen.
2    Jeder Solidarschuldner wird den andern gegenüber verantwortlich, wenn er diejenigen Einreden nicht geltend macht, die allen gemeinsam zustehen.
OR) berufen.
2. Da der Halter kausal haftet, ist für die Zusprechung von Genugtuung nicht erforderlich, dass die besonderen Umstände nach Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR dem Schädiger oder Haftpflichtigen zum Verschulden gereichen (BGE 110 II 165 f. E. 2c mit Hinweis; OFTINGER, Haftpflichtrecht Allgemeiner Teil, S. 295; OFTINGER/STARK, Haftpflichtrecht Besonderer Teil, Bd. II/2, S. 275 Rz. 624; BREHM, N. 18 und 20 zu Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR; TERCIER, Die Genugtuung, in: Strassenverkehrsrechts-Tagung 1988, S. 11; PETER STEIN, Die Genugtuung, 4. A. 1987, S. 5). Die Genugtuung bezweckt denn auch nicht die Bestrafung (BREHM, N. 36 und 44 ff. zu Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR; STEIN, a.a.O. S. 3), sondern ausschliesslich den Ausgleich für erlittene Unbill, indem das Wohlbefinden anderweitig gesteigert oder dessen Beeinträchtigung erträglicher gestaltet wird (BGE 102 II 22; OFTINGER, a.a.O. S. 290 f.; BREHM, N. 6 ff. zu Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR; TERCIER, Die Genugtuung, S. 3 f.). Ob und in welcher Höhe Genugtuung zuzusprechen ist, hängt demnach entscheidend von der Schwere der Unbill und der Aussicht ab, dass die Zahlung eines Geldbetrags den körperlichen oder seelischen Schmerz spürbar lindern wird. Wieweit das Verschulden den Schmerz vergrössern kann und deshalb trotz des nichtpönalen Charakters der Genugtuung selbst bei reiner Kausalhaftung mitzuberücksichtigen ist (BGE 112 II 133 und BGE 110 II 166, je mit Hinweisen; BREHM, N. 33-37, 73, 75 zu Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR; TERCIER, Die Genugtuung, S. 16 f.; KLAUS HÜTTE, Genugtuungsrecht im Wandel, SJZ 84/1988 S. 170 f.), braucht vorliegend nicht untersucht zu werden. a) Nach den vorinstanzlichen Feststellungen sind der Kläger und seine Ehefrau durch den Tod des gemeinsamen Kindes schwer betroffen. Aus Treue zu seiner Frau habe der Kläger ihr gegenüber eine Genugtuungsforderung nicht einmal in Betracht gezogen und
BGE 115 II 156 S. 159

wäre damit angesichts des seelischen Schmerzes der Mutter und der einem Geldausgleich entgegenstehenden Solidarität der Ehegatten im gemeinsamen Leiden auch nicht durchgedrungen. Dass sich unter diesen Umständen keine Genugtuung rechtfertigt, entspricht der Lehre und Rechtsprechung. Was Ehegatten an gemeinsamen Schmerz erlitten haben, soll nicht zu gegenseitigen Genugtuungsforderungen führen; dem steht das eigene Leid des belangten Partners (BREHM, N. 40 zu Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR; ROBERT GEISSELER, Haftpflicht und Versicherung im revidierten SVG, Diss. Freiburg 1980, S. 146) wie überhaupt die Zurückhaltung entgegen, mit der solche Forderungen unter Ehegatten und Verwandten zugelassen werden (OFTINGER, a.a.O. S. 298; BREHM, N. 116 zu Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR; TERCIER, L'évolution récente, a.a.O.; TERCIER, Die Genugtuung, S. 12; GEISSELER, a.a.O.). Zurückhaltung ist erst recht geboten, wenn der Betroffene dem Schädiger verziehen hat (BGE 63 II 219; OFTINGER, a.a.O.; BREHM, N. 39 zu Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR; zum Ganzen auch HÜTTE, Die Genugtuung bei Tötung und Körperverletzung, 2. A., Ziff. 1.5, 1.7, 2.2.2). Zurückhaltung bedeutet jedoch keinen Ausschluss von Genugtuungsansprüchen unter Ehegatten und Angehörigen schlechthin (so etwa STEIN, a.a.O. S. 3; a.A. HÜTTE, SJZ 84/1988 S. 173 f., im Falle eines Kindes, dessen tödlicher Unfall vom einen Elternteil verursacht worden ist). Zurückhaltung drängt sich namentlich deshalb auf, weil enge und dauerhafte Beziehungen nicht durch richterliches Eingreifen gefährdet werden sollen. Diese Gefahr wird nicht schon dadurch beseitigt, dass die Genugtuung ihrer Funktion nach Ausgleich und nicht Strafe ist. Der Ausgleich wirkt sich für den Verpflichteten als Belastung aus und wird von ihm zwangsläufig als Strafe empfunden. Im Schutz der Gemeinschaft liegt sodann ein weiterer Grund gegen die Auffassung des Klägers, wonach die ehelichen Beziehungen die Genugtuung nur gegenüber seiner Ehefrau, jedoch nicht gegenüber dem Halter und dessen Versicherung ausschlössen. Hätten diese Genugtuung zu leisten, weil es ihnen verwehrt wäre, der Anwendung von Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR die ehelichen Beziehungen entgegenzuhalten, könnte die nach Art. 41
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OR als Solidarschuldnerin haftende Ehefrau (Art. 60 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 60 - 1 Sind bei einem Unfall, an dem ein Motorfahrzeug beteiligt ist, mehrere für den Schaden eines Dritten ersatzpflichtig, so haften sie solidarisch.
1    Sind bei einem Unfall, an dem ein Motorfahrzeug beteiligt ist, mehrere für den Schaden eines Dritten ersatzpflichtig, so haften sie solidarisch.
2    Auf die beteiligten Haftpflichtigen wird der Schaden unter Würdigung aller Umstände verteilt. Mehrere Motorfahrzeughalter tragen den Schaden nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens, wenn nicht besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren, eine andere Verteilung rechtfertigen.
SVG) auf dem Regressweg belangt werden. Auch deshalb muss der Halter und dessen Versicherer die Genugtuung aus in der Beziehung des Geschädigten zum Schadensverursacher liegenden Gründen verweigern dürfen (vgl. BGE 63 II 220 sowie den in SJZ 77/1981 S. 286 f. wiedergegebenen
BGE 115 II 156 S. 160

Entscheid der freiburgischen Cour d'appel; zur Stellung der Versicherung OFTINGER, a.a.O. S. 299). b) Im Rahmen von Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR hat die Vorinstanz entgegen der Auffassung des Klägers zu Recht (BREHM, N. 117 zu Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR; GEISSELER, a.a.O. S. 147) zusätzlich berücksichtigt, dass eine dem Kläger zugesprochene Genugtuung voraussichtlich auch der Ehefrau zugute gekommen wäre, die dann aus dem allein von ihr verursachten Unfall Nutzen gezogen hätte. Über die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob und inwieweit er bessergestellt gewesen wäre, wenn der Tod des Kindes zum Scheitern der Ehe geführt hätte, kann nur gemutmasst werden, so dass darauf nicht einzugehen ist.
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Document : 115 II 156
Date : 12. Mai 1989
Published : 31. Dezember 1989
Source : Bundesgericht
Status : 115 II 156
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Art. 47 OR. Genugtuung zugunsten von Angehörigen. Verneinung eines Genugtuungsanspruchs des Vaters eines durch Selbstunfall


Legislation register
OG: 63
OR: 41  47  145  305
SVG: 58  60  62  65
ZGB: 4
BGE-register
102-II-18 • 109-II-462 • 110-II-163 • 112-II-131 • 115-II-156 • 63-II-219
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SJZ
77/1981 S.286 • 80/1984 S.56 • 84/1988 S.170 • 84/1988 S.173