115 Ib 175
24. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Mai 1989 i.S. C. gegen Kanton Zürich (Direktprozess)
Regeste (de):
- Staatshaftung für spitalärztliche Tätigkeit.
- 1. Art. 19 Abs. 2
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 19 - 1 Die Parteien sollen sämtliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel auf einmal vorbringen. Vorbehalten bleibt Artikel 30 Absatz 1.
1 Die Parteien sollen sämtliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel auf einmal vorbringen. Vorbehalten bleibt Artikel 30 Absatz 1. 2 Tatsachen und Beweismittel können zur Ergänzung noch im allfälligen weiteren Schriftenwechsel und mündlich in der Vorbereitungsverhandlung bis zum Beginn der Beweisführung vorgebracht werden; später nur, wenn die Verspätung entschuldbar ist sowie wenn das Vorbringen im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 von Amtes wegen berücksichtigt werden kann. Die gleiche Beschränkung gilt, wenn eine Partei die Frist zur Einreichung einer Rechtsschrift versäumt hat. 3 Die durch nachträgliche Ergänzung entstehenden Mehrkosten des Verfahrens sind von der Partei zu tragen, sofern sie zu rechtzeitigem Vorbringen in der Lage war. - 2. Art. 61
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 61 - 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen. 2 Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden. - 3. Ein besonderer Nachweis über die Aufklärung und Einwilligung des Patienten erübrigt sich, wo dieser oder sein gesetzlicher Vertreter sich schon nach seinen Vorkenntnissen über alle Risiken einer schwierigen Operation im klaren sein muss (E. 3a).
- 4. Welche Massnahmen ein Chirurg in einer Notfallsituation zu ergreifen hat, ist aus seiner Sicht zu beurteilen. Hat er gute Gründe für eine bestimmte Massnahme, so ist ihm daraus auch dann kein Vorwurf zu machen, wenn sie misslingt und rasch ersetzt werden muss (E. 3b und c).
Regeste (fr):
- Responsabilité de l'Etat pour l'activité médicale hospitalière.
- 1. Art. 19 al. 2 PCF. Circonstances dans lesquelles la requête visant à l'audition du représentant légal d'une partie doit être considérée comme tardive et une surexpertise refusée (consid. 1 et 3d).
- 2. Art. 61 CO et §§ 6 et suivants de la loi zurichoise du 14 septembre 1969 sur la responsabilité. Nature juridique du traitement de patients dans un hôpital public; conséquences selon le droit cantonal (consid. 2a). Exigences quant au devoir de diligence du médecin; conditions de la responsabilité, effets sur le fardeau de la preuve (consid. 2b).
- 3. Une preuve particulière de l'information et du consentement du patient est superflue lorsque celui-ci ou son représentant légal doit déjà être, en raison de ses connaissances préexistantes, au clair sur tous les risques d'une opération difficile (consid. 3a).
- 4. C'est du point de vue du chirurgien qu'il faut se placer pour apprécier quelles mesures doivent être prises dans une situation d'urgence. S'il a de bonnes raisons d'opter pour une mesure déterminée, il n'encourt aucun reproche lorsque cette mesure échoue et doit être rapidement remplacée par une autre (consid. 3b et c).
Regesto (it):
- Responsabilità dello Stato per l'attività medica ospedaliera.
- 1. Art. 19 cpv. 2 PC. Circostanze in cui va considerata come tardiva una richiesta tendente all'audizione del rappresentante legale di una parte e va negata una superperizia (consid. 1 e 3d).
- 2. Art. 61 CO e §§ 6 segg. della legge zurighese del 14 settembre 1969 sulla responsabilità. Natura giuridica del trattamento dei pazienti in un ospedale pubblico; conseguenze secondo il diritto cantonale (consid. 2a). Esigenze relative al dovere di diligenza del medico; presupposti della responsabilità, effetti sull'onere della prova (consid. 2b).
- 3. L'informazione e il consenso del paziente non devono essere specialmente provati ove quest'ultimo, o il suo rappresentante legale, debba già, a causa delle sue precedenti conoscenze, essere al corrente di tutti i rischi di un'operazione difficile (consid. 3a).
- 4. Va apprezzato dal punto di vista del chirurgo quali misure debbano da lui essere adottate in una situazione d'urgenza. Se egli ha buoni motivi per scegliere una determinata misura, non gli può essere rimproverato che essa non abbia avuto successo ed abbia dovuto essere rapidamente sostituita da altra (consid. 3b e c).
Sachverhalt ab Seite 176
BGE 115 Ib 175 S. 176
A.- C. wurde am 20. September 1978 als Tochter in Mailand wohnhafter Eltern geboren. Sie litt seit ihrer Geburt an einem schweren Herzfehler, der mehrere Spitalaufenthalte und
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Operationen in Mailand und Zürich nötig machte. Am 9. November 1981 wurde sie im Universitätsspital Zürich unter der Leitung von Prof. X. ein drittes Mal am Herz operiert. Der Eingriff wurde dadurch erschwert, dass zunächst Narbengewebe und Verwachsungen, die von den früheren Operationen herrührten, mühsam gelöst werden mussten. Der rechte Vorhof des Herzens konnte ohne besondere Schwierigkeiten freigelegt werden, nicht aber die Aorta; bei diesem Versuch wurde eine abnorme Kranzarterie durchtrennt, was sofort erkannt wurde. Der Eingriff wurde deshalb notfallmässig fortgesetzt, um sogleich eine Kanüle anbringen zu können, die jedoch nicht wie vorgesehen in den aufsteigenden Teil der Aorta eindrang, sondern in die Lungenarterie geriet. Als daraufhin festgestellt wurde, dass der periphere Blutdruck trotz normal arbeitender Herz-Lungen-Maschine sank, wurde die rechte Oberschenkel-Arterie kanüliert und an die Maschine angeschlossen. Weil rund 15 Minuten verstrichen, bis die Fehlkanülierung behoben war, erlitt das Kind wegen ungenügender Blutversorgung eine schwere Hirnschädigung; es ist seitdem vollkommen pflegebedürftig und für immer invalid.
B.- Nachdem das Bundesgericht C. mit Beschluss vom 31. Oktober 1985 die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und einen Anwalt zu ihrem unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt hatte, klagte dieser am 29. Januar 1986 beim Bundesgericht gegen den Kanton Zürich auf Schadenersatz und Genugtuung; er berief sich auf das zürcherische Haftungsgesetz vom 14. September 1969. Der Beklagte widersetzte sich der Klage vorweg mit der Einrede, dass dieses Gesetz nicht anwendbar, er folglich nicht passivlegitimiert sei. Mit Beschluss vom 11. November 1986 verwarf das Bundesgericht diese Einrede (BGE 112 Ib 334 ff.). Die Parteien einigten sich dann darauf, dass von einem Privatgutachten, das drei Professoren bereits im Oktober 1984 erstattet hatten, auszugehen und dieses Gutachten auch der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen sei. Sie wollten die Überwachung der Patientin während der Fehlkanülierung und deren Behebung aber zusätzlich begutachtet wissen. PD S. und Prof. W. äusserten sich dazu im Frühjahr 1987 in je einem Gutachten, die aufeinander abgestimmt waren. Im Oktober 1987 antwortete PD S. auf ergänzende Fragen der Klägerin. Im Dezember 1987 gab die Klägerin eine Stellungnahme von Prof. St. zu den Akten. Prof. W. fand, die neu aufgeworfenen Fragen hätten mit seinem Spezialfach nichts zu tun. PD S. dagegen stellte fest, die Ausführungen von Prof. St.
BGE 115 Ib 175 S. 178
deckten sich mit den seinigen; dieser ziehe allerdings noch eine zusätzliche Folgerung, die er mangels herzchirurgischer Kenntnisse aber nicht beurteilen könne. Im September 1988 äusserte sich Prof. G. als gerichtlicher Experte zu den Einwänden von Prof. St. Die Klägerin beantragte daraufhin eine Oberexpertise durch Prof. C., Houston (USA). Der Beklagte widersetzte sich diesem Antrag. Im April 1989 bezifferte die Klägerin den bis Ende 1985 erlittenen Schaden auf Fr. 297'156.-- und den aus Renten bestehenden Ersatz für künftigen Schaden auf Fr. 753'734.--. Sie verlangte ferner eine Genugtuungssumme von mindestens Fr. 75'000.--.
C.- An der Hauptverhandlung hielt die Klägerin an ihren Rechtsbegehren fest. Sie erneuerte ihren Antrag, dass von Prof. C. eine Oberexpertise einzuholen sei; sie wollte ausserdem ihren gesetzlichen Vertreter darüber befragen lassen, ob er von Prof. X. über die Risiken der Operation überhaupt aufgeklärt worden sei, was sie bestreiten liess. Der Beklagte beantragte, auf weitere Beweise zu verzichten und die Klage abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 19 Abs. 2
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 19 - 1 Die Parteien sollen sämtliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel auf einmal vorbringen. Vorbehalten bleibt Artikel 30 Absatz 1. |
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1 | Die Parteien sollen sämtliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel auf einmal vorbringen. Vorbehalten bleibt Artikel 30 Absatz 1. |
2 | Tatsachen und Beweismittel können zur Ergänzung noch im allfälligen weiteren Schriftenwechsel und mündlich in der Vorbereitungsverhandlung bis zum Beginn der Beweisführung vorgebracht werden; später nur, wenn die Verspätung entschuldbar ist sowie wenn das Vorbringen im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 von Amtes wegen berücksichtigt werden kann. Die gleiche Beschränkung gilt, wenn eine Partei die Frist zur Einreichung einer Rechtsschrift versäumt hat. |
3 | Die durch nachträgliche Ergänzung entstehenden Mehrkosten des Verfahrens sind von der Partei zu tragen, sofern sie zu rechtzeitigem Vorbringen in der Lage war. |
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materiellen Prüfung der Streitsache und ist daher in diesem Zusammenhang näher zu erörtern. Die Frage sodann, ob der Antrag auf Einholung einer Oberexpertise begründet und ihm daher zu entsprechen sei, hängt vom Ergebnis der bereits vorliegenden Beweise ab und ist daher erst nach dessen Würdigung zu beantworten. Vorweg zu bemerken ist immerhin, dass es schon aus prozessökonomischen Gründen nicht angeht, ergänzende Fragen leichthin zum Gegenstand einer neuen Expertise zu machen, statt sie Sachverständigen zu unterbreiten, die sich bereits mit der Sache zu befassen hatten. Das leuchtet namentlich dann ein, wenn wie hier bereits mehrere private und gerichtliche Gutachten vorliegen.
2. Die Behandlung von Patienten in einem öffentlichen Spital gilt nicht als gewerbliche Verrichtung im Sinne von Art. 61 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 61 - 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen. |
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1 | Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen. |
2 | Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden. |
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Die Anlehnung der Haftung für Schädigungen Dritter (§§ 6 ff. HG) an das Obligationenrecht ist unverkennbar; dessen Bestimmungen sind ergänzend denn auch anzuwenden, soweit das Haftungsgesetz keine eigenen Vorschriften enthält (§ 29 HG). Das kantonale Recht weicht in einem wichtigen Punkt allerdings von Art. 41 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
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dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen. Ein solches Gebot ist hier in § 38 KHV zu erblicken, der bestimmt, dass sich die Behandlung des Patienten in den Krankenhäusern des Beklagten nach den anerkannten Grundsätzen der ärztlichen Wissenschaft und Humanität zu richten hat. Wird ein Patient dabei über den vorgesehenen Heileingriff hinaus in seiner körperlichen Integrität getroffen, so ergibt sich die Widerrechtlichkeit schon aus dem Verbot, das den Art. 122 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich: |
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a | einen Menschen lebensgefährlich verletzt; |
b | den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt; |
c | eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht. |
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des Entlastungsbeweises, der dem Belangten aber auch für andere Unrechtsausschliessungsgründe, namentlich für notfallmässige Verhältnisse zusteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erfolg der Behandlung ausbleibt oder der Patient, wie hier, über den Eingriff hinaus in seiner körperlichen Integrität geschädigt wird, die negative Folge also auf einen Behandlungsfehler schliessen lässt. Wo die Würdigung des Beweises für oder gegen die Verletzung einer Sorgfaltspflicht spricht, ist aber nicht nur die Frage, welcher Haftungsvoraussetzung die Verletzung zuzuordnen sei, sondern auch die Beweislastverteilung gegenstandslos (BGE 114 II 291).
3. Vorliegend wurde der Zweck des Eingriffs erreicht, die Patientin aber darüber hinaus verletzt. Nach der Klage begingen die Ärzte dadurch, dass beim Lösen alter Verwachsungen eine Koronararterie durchtrennt und sodann beim Kanülieren die Lungenarterie getroffen wurde, zwei schwerwiegende Fehler. Dass die Fehlkanülierung kausal war für die Hirnschädigung der Patientin, weil sie erst nach etwa 15 Minuten behoben werden konnte, ist unbestritten. Streitig ist dagegen, ob die Einwilligung sich auf alle Risiken der Operation erstreckt habe und die Schädigung auch bei sorgfältigem Vorgehen nicht hätte vermieden werden können. a) Nach § 7 HG kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden, wenn der Geschädigte in die Schädigung eingewilligt hat oder Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt haben. Das kantonale Recht schreibt neben der Aufklärungspflicht der behandelnden Ärzte (§ 46 KHV) auch die Einwilligung des Patienten vor; für grössere oder mit erheblichen Risiken verbundene Eingriffe muss sogar eine ausdrückliche Zustimmung vorliegen (§ 51 KHV). Eine solche Zustimmung zu verlangen, erübrigte sich hier jedoch schon nach den Vorkenntnissen der Eltern. Diese wussten, dass ihr Kind seit Geburt wegen Missbildungen der Herzkammerscheidewand an schwerer Herzinsuffizienz litt; deswegen brachten sie es denn auch wiederholt von Italien zum bekannten Herzchirurgen nach Zürich, wo es zwischen November 1978 und August 1981 bereits viermal hospitalisiert, schon zweimal unter der Leitung von Prof. X. operiert worden war und mit der dritten Operation versucht werden sollte, die angeborenen Missbildungen womöglich ganz zu beheben. Sinn und Zweck des Eingriffs lagen somit auf der Hand und entsprachen dem Willen der Eltern.
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Danach lässt sich im Ernst auch nicht bestreiten, dass die Aufklärung über die Tragweite des dritten Eingriffs sich schon aus den Vorgängen ergab und daher ausreichend war. Aus der allgemeinen Erfahrung versteht sich insbesondere, dass ein Patient bei einer lebensnotwendigen, aber äusserst komplizierten Herzoperation von einer erhöhten Gefahr für Leben und Gesundheit ausgehen muss. Nach dem Gutachten W. hätte das Kind ohne den Versuch einer dritten Operation nie mit Erwerbsfähigkeit rechnen können, vielmehr schweren Zeiten entgegensehen müssen, nur noch wenige Jahre gelebt und das zweite Jahrzehnt wahrscheinlich nicht erreicht. Bei gelungener Operation hätte der Kreislauf sich hingegen normalisiert; das Kind wäre erwerbsfähig geworden und seine Lebenserwartung hätte sich erheblich verlängert. Der Eingriff war daher für Eltern und Kind die letzte Hoffnung. Willigt ein Patient unter solchen Umständen ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten in eine weitere schwierige Operation ein, so erfasst seine Zustimmung alle dem Eingriff anhaftenden Risiken. Seine Zustimmung ist wie jede andere rechtsgeschäftliche Willensäusserung nach allen Begleit- und vorangehenden Umständen auszulegen, kann nach Treu und Glauben in Fällen wie hier aber nur dahin verstanden werden, dass der Patient an dem zu erwartenden Heilerfolg interessiert ist und deswegen zwar keine Behandlungsfehler, aber die mit dem Eingriff notwendigerweise verbundenen Risiken mit in Kauf nimmt. Zu diesen Risiken gehörte hier vor allem die Gefahr, dass beim mühsamen Lösen alter Verwachsungen, die sich aus den beiden ersten Eingriffen ergaben, oder wegen vorbestehender Anomalien lebenswichtige Blutgefässe durchschnitten wurden; sie bildete, wie auch seitens der Klägerin eingeräumt wurde, das Hauptrisiko, das nach dem Privatgutachten von 1984 bei derartigen Eingriffen zudem als die häufigste Todesursache anzusehen ist, wenn die Gefahr sich verwirklicht. Nach dem Gutachten von PD S. waren ferner die Folgen verstärkter Manipulationen, das gesteigerte Anästhesierisiko, die lange Operationszeit und die erhöhte Blutungsgefahr zu bedenken. Die damit verbundenen Unsicherheiten über gesundheitliche Vor- und Nachteile mussten wegen der Schwierigkeit des Eingriffs ebenfalls zu dessen immanenten Risiken gerechnet werden, durften der einen Seite vernünftigerweise aber nicht dazu dienen, die andere von einer lebenswichtigen Operation abzuschrecken. b) Nach dem Privatgutachten von 1984 waren beide Gefahren vorauszusehen, dass beim Versuch, die Aorta freizulegen, eine
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Arterie durchschnitten werden und es sodann wegen bestehender Missbildungen zur Kanülierung des falschen Blutgefässes kommen könnte; nicht vorauszusehen war dagegen der Verlauf ihrer Verwirklichung. Weil die erste Gefahr eintrat, bevor die aufsteigende Aorta zu erkennen und mit Sicherheit zu erfassen war, musste notfallmässig und beschleunigt kanüliert werden, um einen Infarkt zu vermeiden. Nach Prof. St., auf den die Klägerin sich beruft, ist dem operierenden Chirurgen vorzuwerfen, dass er die Fehlkanülierung erst erkannt und über die Oberschenkel-Arterie korrigiert hat, als es zu spät war; angesichts der bestehenden Verwachsungen, welche die Unterscheidung zwischen den grossen Blutgefässen erschwerten, hätte er zudem auf eine Kanülierung im Verwachsungsgebiet von vornherein verzichten und die Oberschenkel-Arterie benutzen sollen. Prof. G. hielt dem als gerichtlicher Experte entgegen, die aufsteigende Aorta werde heute für den Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine bevorzugt; ihre Wahl habe entscheidende Vorteile, weil eine grössere Kanüle verwendet werden könne, ein zweites Operationsfeld mit zusätzlichen Komplikationen, insbesondere Gefässstenosen und Verschlüssen, sich vermeiden lasse und das Blut nicht entgegen der physiologischen Richtung fliesse. Eine aortale Kanülierung sei in einer Notsituation wie hier umso mehr angezeigt, als eine femorale bedeutend länger daure und jeder zusätzliche Zeitverlust vermieden werden müsse, um drohenden Komplikationen vorzubeugen. Unter solchen Umständen sei nicht nur der Entschluss zur aortalen Kanülierung, sondern auch die Gefässverwechslung verständlich, die als immanente Gefahr selbst ohne die vorhandenen Missbildungen bestanden hätte. Nach diesen Ausführungen des Experten hatte der Chirurg mehrere gute Gründe, sich für eine aortale Kanülierung zu entscheiden, um dem gefährlichen Blutverlust aus der durchtrennten Koronararterie und dessen Folgen unverzüglich zu begegnen. Es darf ihm deshalb aus der Wahl der Gegenmassnahme kein Vorwurf gemacht werden, auch wenn er dabei im Interesse der Patientin verhältnismässig höhere Risiken einging. Dies gilt umso mehr, als ihm in der Wahl der Mittel und Wege notwendigerweise ein gewisses Ermessen zusteht, das weder der Richter noch der Experte durch sein eigenes ersetzen darf. Denn die Angemessenheit und Rechtfertigung seines Verhaltens beurteilen sich nicht nach dem Sachverhalt, wie er sich nachträglich dem Experten oder dem Richter darstellt; massgebend ist vielmehr, was der Chirurg im
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Zeitpunkt, in dem er sich für die streitige Massnahme entschied, von der Sachlage halten musste (vgl. BGE 113 II 432 mit Hinweisen).
c) Dem Gutachten G. ist auch darin zu folgen, dass weder in der Überwachung noch in der Behebung der Fehllage ein Verstoss gegen anerkannte Regeln der Chirurgie zu erblicken ist. Zwischen der Fehlkanülierung und ihrer Entdeckung sind sechs und bis zur femoralen Kanülierung weitere neun Minuten vergangen, was unbestritten und auch nach dem Gutachten des PD S. als den Umständen und der Erwartung entsprechend zu bezeichnen ist. Ähnlich verhält es sich nach PD S., einem Fachmann für Anästhesie wie Prof. St., mit der Überwachung, die dem besonderen Risiko angepasst worden sei und in hämodynamischer Hinsicht das weltweit übliche Masse erreicht habe. Auf Antrag des klägerischen Vertreters äusserte PD S. sich auch zur Frage, ob die Fehlkanülierung durch den Einsatz zerebraler Monitoren rechtzeitig zu erkennen gewesen wäre. Er verneinte dies mit ausführlicher Begründung, der weder Prof. St. noch der Vertreter der Klägerin etwas beizufügen hatte. PD S. hielt insbesondere fest, die Monitore befänden sich noch in einem Stadium der Evaluation, seien nur in einer äusserst günstigen Umgebung zu gebrauchen und nicht leicht zu bedienen; selbst wenn die Fehlkanülierung damit früher zu erkennen gewesen wäre, hätte die Zeit nicht gereicht, um die Unterbrechung der Blutversorgung auf die kritische Grenze von höchstens fünf bis sechs Minuten zu beschränken und damit die Hirnschädigung zu verhindern. Dem ist mangels Einwänden ebenfalls beizupflichten. d) Bei diesem Ergebnis der Beweiswürdigung erübrigt sich, zu den von Prof. St. aufgeworfenen Fragen über die Fehlkanülierung, die er als vorwerfbar bezeichnet, eine Oberexpertise einzuholen. Die Fragen betreffen den chirurgischen Teil, wozu Prof. St. als Herzanästhesist sich mit zwei Vorwürfen begnügte, sich aber nicht näher äussern wollte; er empfahl eine weitere Expertise bloss, "um evtl. aus dem gutachterlichen Patt herauszukommen", das er übrigens mit seiner Meinung über die Kanülierung selber geschaffen hatte. Dazu kommt, dass die angeblich noch offenen Fragen im Einverständnis mit der Klägerin Prof. G. vorgelegt worden sind, der sich damit im September 1988 ausführlich auseinandergesetzt hat. Prof. St. nahm dazu nicht mehr Stellung, auch die Klägerin nicht. Umso weniger lässt sich im Ernst sagen, es bestehe Anlass zu Ergänzungen. Abschliessend festzuhalten ist vielmehr, dass alle
BGE 115 Ib 175 S. 186
Gutachter, Prof. St. inbegriffen, sich sinngemäss darin einig waren, es habe sich um einen äusserst komplizierten Herzfehler gehandelt, der wegen vorbestehender Verwachsungen und Anomalien im Verlauf von Kranzarterien nicht nur den Eingriff als solchen, sondern auch die Unterscheidung zwischen Aorta und Lungenarterie erschwert habe.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird abgewiesen.