115 Ia 81
14. Urteil des Kassationshofes vom 30. August 1989 i.S. X. und Y. gegen Staatsanwaltschaft und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Weicht eine Behörde nicht nur in einem oder in einigen Fällen, sondern in ständiger Praxis vom Gesetz ab, und gibt sie zu erkennen, dass sie auch in Zukunft nicht gesetzeskonform entscheiden werde, so kann der Bürger verlangen, ebenfalls gesetzwidrig begünstigt zu werden, sofern dem keine anderen berechtigten Interessen entgegenstehen. Dieser Grundsatz gilt auch im Strafrecht. Äussert sich die Behörde nicht über ihre Absicht, so nimmt das Bundesgericht an, sie werde aufgrund der Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils zu einer gesetzmässigen Praxis übergehen. Fall einer Verurteilung wegen unzüchtiger Veröffentlichung.
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; égalité de traitement dans l'illicéité.
- Lorsqu'une autorité, non pas dans un cas isolé, ni même dans plusieurs cas, mais selon une pratique constante, ne respecte pas la loi et qu'elle fait savoir qu'à l'avenir également, elle ne respectera pas la loi, le citoyen est en droit d'exiger d'être mis au bénéfice de l'illégalité, pour autant que cela ne lèse pas d'autres intérêts légitimes. Ce principe vaut également en matière pénale. Si l'autorité cantonale ne précise pas ses intentions, le Tribunal fédéral admet que, dorénavant, se fondant sur les considérants de l'arrêt fédéral, elle suivra une pratique conforme à la loi. Cas d'une condamnation pour publication obscène.
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; uguaglianza di trattamento nell'illiceità.
- Ove non in un caso isolato e neppure in alcuni casi, bensì secondo una prassi costante un'autorità deroga alla legge e lascia a divedere che anche in futuro non deciderà in modo conforme alla legge, il cittadino ha diritto di esigere di beneficiare anch'egli dell'illegalità, sempreché ciò non leda altri interessi legittimi. Tale principio vale anche in materia penale. Se l'autorità cantonale non precisa le sue intenzioni, il Tribunale federale ammette che d'ora innanzi essa, fondandosi sui considerandi della decisione del Tribunale federale, passerà ad una prassi conforme alla legge. Caso di una condanna per pubblicazioni oscene.
Sachverhalt ab Seite 81
BGE 115 Ia 81 S. 81
Mit Strafbefehl vom 9. Oktober 1986 büsste die Bezirksanwaltschaft Winterthur die Inhaber einer Videothek, X. und Y., wegen
BGE 115 Ia 81 S. 82
fortgesetzter unzüchtiger Veröffentlichung i.S. von Art. 204 Ziff. 1 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wie schon vor Kassationsgericht rügen die Beschwerdeführer, die Verurteilung verletze das in Art. 4
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2. Entgegen der Ansicht des Kassationsgerichtes liegt der vorliegende Fall anders als das Präjudiz in BGE 100 IV 191 E. 2.
BGE 115 Ia 81 S. 83
Es geht nicht darum, dass die Zürcher Behörden in einzelnen Fällen von Art. 204
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3. Das Kassationsgericht betrachtete sich im Gegensatz zum Obergericht zu Recht als verpflichtet, die Strafverfolgungspraxis der Zürcher Untersuchungs- und Anklagebehörden unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit mit der Folge zu überprüfen, dass allenfalls rechtsungleich verfolgte Angeklagte freizusprechen wären. Das Gericht ging davon aus, im Kanton Zürich werde nur auf private Strafanzeige hin gegen Videotheken, Sexshops etc. wegen Verletzung von Art. 204
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BGE 115 Ia 81 S. 84
a) Sollte dies so zu verstehen sein, dass selbst in Fällen des Art. 204
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BGE 115 Ia 81 S. 85
b) Im übrigen verletzt eine rechtsanwendende Behörde den Gleichheitssatz nur, wenn sie zwei gleiche tatsächliche Situationen ohne sachlichen Grund unterschiedlich beurteilt (BGE 107 Ia 228 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer wurden wegen unzüchtiger Veröffentlichung in der Form eigentlicher Pornografie zur Rechenschaft gezogen. Sie können deshalb nicht eine rechtsungleiche Behandlung geltend machen, indem sie sich auf den "Modus vivendi" mehrerer Kinobesitzer und Filmverleiher berufen, nach welchem sich diese, kurz gesagt, auf harmlosere Sexfilme beschränken und die Zürcher Untersuchungsbehörden diese faktisch tolerieren. Soweit dies der Fall ist, liegt eine im Vergleich mit dem Fall der Beschwerdeführer sachlich gerechtfertigte unterschiedliche Strafverfolgungspraxis vor. Diesbezüglich ist aber darauf hinzuweisen, dass gegenüber einem einzelnen, der wegen unzüchtiger Veröffentlichung in der im "Modus vivendi" umschriebenen Form verurteilt würde, auch eine rechtsungleiche Behandlung zu erblicken wäre, die im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts entweder zu einer Aufgabe dieser Praxis oder dann zur Freisprechung des Betroffenen führen müsste. c) Soweit sich die Beschwerdeführer schliesslich auf die Praxis in anderen Kantonen berufen, sind sie nicht zu hören, weil das Gebot rechtsgleicher Anwendung des Rechts nur verletzt ist, wenn die gleiche Behörde gleiche Sachverhalte unterschiedlich beurteilt und behandelt (BGE 104 Ia 158 mit Hinweisen; HAEFLIGER a.a.O. S. 72, MÜLLER a.a.O. N 39).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.