114 IV 1
1. Urteil des Kassationshofes vom 17. Februar 1988 i.S. Eidg. Zollverwaltung gegen S. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht. 2 Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 71 - 1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist. 2 Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde. 3 ...117 - Der unter altem Recht verübte Teil eines fortgesetzten Delikts ist unter Vorbehalt der lex mitior nach altem Recht zu beurteilen (Bestätigung der Rechtsprechung).
- Sieht das neue Recht zwar eine längere, aber zusätzlich eine absolute Verjährungsfrist vor, so ist das im konkreten Fall für den Täter mildere Recht anzuwenden.
Regeste (fr):
- Art. 2 al. 2, 71 al. 2 CP; lex mitior, prescription (infractions douanières).
- La partie d'un délit continu commise sous l'empire de l'ancien droit doit être jugée selon l'ancien droit, sous réserve de l'application de la lex mitior (confirmation de la jurisprudence).
- Lorsque le nouveau droit prévoit un délai de prescription plus long, mais qu'il prévoit en outre une prescription absolue, il convient d'appliquer à l'auteur le droit qui lui est le plus favorable dans le cas concret.
Regesto (it):
- Art. 2 cpv. 2, 71 cpv. 2 CP; lex mitior, prescrizione (reati doganali).
- La parte di un reato continuato commessa sotto l'imperio del diritto previgente va giudicata secondo il diritto previgente, con riserva dell'applicazione della lex mitior (conferma della giurisprudenza).
- Ove il nuovo diritto preveda un termine di prescrizione più lungo, ma altresì una prescrizione assoluta, si applica all'agente il diritto che gli è più favorevole nel caso concreto.
Sachverhalt ab Seite 1
BGE 114 IV 1 S. 1
A.- S. führte in der Zeit von 1971 bis zum 20. Oktober 1976 unter Vorlage fingierter Pachtverträge landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Österreich in die Schweiz ein, wodurch er in den Genuss der Zollfreiheit kam, wie sie im konkreten Fall beim Bestehen echter Pachtverhältnisse von Gesetzes wegen vorgesehen gewesen wäre. Mit Verfügung vom 23. August 1977 erklärte die Zolluntersuchungsstelle St. Margrethen S. für die bei den Einfuhren nicht entrichteten Einfuhrabgaben von insgesamt Fr. 3'979.15 leistungspflichtig. Beschwerden gegen diese Verfügung wurden durch die
BGE 114 IV 1 S. 2
Oberzolldirektion, durch die Zollrekurskommission und schliesslich am 18. August 1983 durch das Bundesgericht abgewiesen.
B.- Mit Strafbescheid vom 23. September 1983 verurteilte die Eidgenössische Zollverwaltung S. wegen Bannbruchs und Zollübertretung zu einer Busse von Fr. 48'665.--. Am 25. Oktober 1983 erhob S. dagegen Einsprache, welche von der Oberzolldirektion mit Strafverfügung vom 9. Oktober 1985 abgewiesen wurde. Am 18. Oktober 1985 stellte S. das Begehren um gerichtliche Beurteilung. Mit Urteil vom 9./16. Dezember 1986 bestätigte das Bezirksgericht Oberrheintal die Strafverfügung. Auf Berufung von S. sprach ihn das Kantonsgericht St. Gallen am 19. Oktober 1987 für die vor dem 1. Januar 1975 getätigten Einfuhren wegen Verjährung frei und verurteilte ihn für die späteren wegen Bannbruchs und Zollübertretung zu einer Busse von Fr. 8'000.--.
C.- Dagegen hat die Oberzolldirektion eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Vorinstanz begründet ihre Auffassung, alle Handlungen des Beschwerdegegners vor dem 1. Januar 1975 seien verjährt, wie folgt: Die dem Beschwerdegegner vorgeworfenen Handlungen, begangen in der Zeit von August 1971 bis 20. Oktober 1976, stünden in einem Fortsetzungszusammenhang. Durch Ziffer 7 des Anhangs zum Verwaltungsstrafrecht, in Kraft seit 1. Januar 1975, seien die Verjährungsfristen des Zollgesetzes von bisher zwei auf fünf Jahre erhöht worden. Der unter altem Recht verübte Teil der fortgesetzten Widerhandlung sei - unter Vorbehalt des milderen neuen Rechtes - nach altem Recht zu beurteilen, der unter neuem Recht verübte dagegen auschliesslich nach neuem Recht. Für alle Handlungen vor dem 1. Januar 1975 sei deshalb die zweijährige Verjährungsfrist gemäss altem Recht zugrunde zu legen, wobei zu berücksichtigen sei, dass es nach altem Recht keine absolute Verjährung gab und dass die Verfolgungsverjährung während eines Beschwerdeverfahrens bezüglich der Festsetzung der hinterzogenen Abgabe ruhte. Vorliegendenfalls sei am 23. September 1983, als die Eidgenössische Zollverwaltung einen Strafbescheid im Sinne
BGE 114 IV 1 S. 3
von Art. 64
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) VStrR Art. 64 - 1 Der Strafbescheid ist schriftlich zu erlassen und stellt fest: |
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1 | Der Strafbescheid ist schriftlich zu erlassen und stellt fest: |
2 | Weicht der Strafbescheid zum Nachteil des Beschuldigten wesentlich vom Schlussprotokoll ab, so sind diese Abweichungen anzugeben und kurz zu begründen. |
3 | ...61 |
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG) ZG Art. 83 Beschlagnahme - 1 Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
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1 | Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
2 | Die Beschlagnahme besteht in der Besitzergreifung oder in einem Verfügungsverbot, das an die Besitzerin oder den Besitzer der Waren beziehungsweise der Sachen gerichtet wird. |
3 | Findet das BAZG Waren, von denen anzunehmen ist, dass sie widerrechtlich ins Zollgebiet verbracht worden sind, so sind sie als Zollpfand zu beschlagnahmen. Falls der Wert der Waren es rechtfertigt, versucht das BAZG, die berechtigte Person ausfindig zu machen. |
2. a) Die Auffassung der Vorinstanz, für das strafbare Verhalten vor dem Inkrafttreten des VStrR beurteile sich die Frage der Verjährung nach der alten Fassung des ZG, ist zutreffend. Das Bundesgericht hat bereits in BGE 72 IV 135 erkannt, dass der unter altem Recht verübte Teil des fortgesetzten Delikts unter dem Vorbehalt der lex mitior nach altem Recht zu beurteilen ist. Zwar begann die Verjährung vorliegend zufolge Fortsetzungszusammenhangs erst mit der Beendigung der deliktischen Tätigkeit am 20. Oktober 1976 (Art. 83 Abs. 2
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG) ZG Art. 83 Beschlagnahme - 1 Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
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1 | Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
2 | Die Beschlagnahme besteht in der Besitzergreifung oder in einem Verfügungsverbot, das an die Besitzerin oder den Besitzer der Waren beziehungsweise der Sachen gerichtet wird. |
3 | Findet das BAZG Waren, von denen anzunehmen ist, dass sie widerrechtlich ins Zollgebiet verbracht worden sind, so sind sie als Zollpfand zu beschlagnahmen. Falls der Wert der Waren es rechtfertigt, versucht das BAZG, die berechtigte Person ausfindig zu machen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 71 - 1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist. |
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1 | Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist. |
2 | Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde. |
3 | ...117 |
BGE 114 IV 1 S. 4
Gesetzesänderungen können in der Regel nur Auswirkungen haben auf Taten, die nach Inkrafttreten der Änderung begangen wurden (Art. 2 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht. |
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1 | Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht. |
2 | Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist. |
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG) ZG Art. 83 Beschlagnahme - 1 Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
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1 | Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
2 | Die Beschlagnahme besteht in der Besitzergreifung oder in einem Verfügungsverbot, das an die Besitzerin oder den Besitzer der Waren beziehungsweise der Sachen gerichtet wird. |
3 | Findet das BAZG Waren, von denen anzunehmen ist, dass sie widerrechtlich ins Zollgebiet verbracht worden sind, so sind sie als Zollpfand zu beschlagnahmen. Falls der Wert der Waren es rechtfertigt, versucht das BAZG, die berechtigte Person ausfindig zu machen. |
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) VStrR Art. 11 - 1 Eine Übertretung verjährt in vier Jahren.8 |
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1 | Eine Übertretung verjährt in vier Jahren.8 |
2 | Besteht die Übertretung jedoch in einer Hinterziehung oder Gefährdung von Abgaben oder im unrechtmässigen Erlangen einer Rückerstattung, einer Ermässigung oder eines Erlasses von Abgaben, so beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre.9 |
3 | Bei Verbrechen, Vergehen und Übertretungen ruht die Verjährung: |
a | während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage; oder |
b | solange der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe verbüsst.10 |
4 | Die Strafe einer Übertretung verjährt in fünf Jahren. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht. |
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1 | Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht. |
2 | Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist. |
BGE 114 IV 1 S. 5
Nach der Rechtsprechung besteht nämlich ein Verbot der kombinierten Anwendung des alten und des neuen Rechtes nur in bezug auf ein und dieselbe Tat (BGE 102 IV 197). Es soll damit vermieden werden, dass hinsichtlich eines Delikts beispielsweise dessen Qualifikation sich nach altem, die Sanktion sich aber nach neuem Recht richte. Entsprechend wurde angenommen, dass das Verbot nicht gelte, wenn es um Drogenhandel einerseits und Konsumhandlungen andererseits gehe oder wenn Konsumhandlungen im weiteren Sinne unter sich verschiedene rechtliche Einheiten darstellen. Zur Frage, wie ein Verjährungsproblem wie das vorliegende zu lösen sei, hat sich das Bundesgericht dabei nicht ausgesprochen. Im Gegenteil wurde in BGE 78 IV 129 wie bereits in BGE 77 IV 207 gesagt, dass die unter altem Recht begangene Tat nach altem Recht verjährt, wenn dieses milder ist als das neue.
b) Unterbrechung der Verjährung trat nach Art. 83 Abs. 3
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG) ZG Art. 83 Beschlagnahme - 1 Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
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1 | Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
2 | Die Beschlagnahme besteht in der Besitzergreifung oder in einem Verfügungsverbot, das an die Besitzerin oder den Besitzer der Waren beziehungsweise der Sachen gerichtet wird. |
3 | Findet das BAZG Waren, von denen anzunehmen ist, dass sie widerrechtlich ins Zollgebiet verbracht worden sind, so sind sie als Zollpfand zu beschlagnahmen. Falls der Wert der Waren es rechtfertigt, versucht das BAZG, die berechtigte Person ausfindig zu machen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 72 - Das Gericht verfügt die Einziehung aller Vermögenswerte, welche der Verfügungsmacht einer kriminellen oder terroristischen Organisation unterliegen. Bei Vermögenswerten einer Person, die sich an einer solchen Organisation beteiligt oder sie unterstützt hat (Art. 260ter), wird die Verfügungsmacht der Organisation bis zum Beweis des Gegenteils vermutet. |
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG) ZG Art. 83 Beschlagnahme - 1 Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
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1 | Das BAZG macht das Zollpfandrecht durch Beschlagnahme geltend. |
2 | Die Beschlagnahme besteht in der Besitzergreifung oder in einem Verfügungsverbot, das an die Besitzerin oder den Besitzer der Waren beziehungsweise der Sachen gerichtet wird. |
3 | Findet das BAZG Waren, von denen anzunehmen ist, dass sie widerrechtlich ins Zollgebiet verbracht worden sind, so sind sie als Zollpfand zu beschlagnahmen. Falls der Wert der Waren es rechtfertigt, versucht das BAZG, die berechtigte Person ausfindig zu machen. |