114 II 250
42. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Oktober 1988 i.S. B. gegen Firma A. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 6 OR. Wirkungen eines Bestätigungsschreibens.
- Einem Bestätigungsschreiben, das unwidersprochen bleibt, kommt keine rechtserzeugende Wirkung zu, wenn das Schreiben derart vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass nach Treu und Glauben nicht mit dem Einverständnis des Empfängers gerechnet werden darf.
Regeste (fr):
- Art. 6 CO. Effets d'une lettre de confirmation.
- Une lettre de confirmation non contestée n'a pas d'effets juridiques si son contenu s'écarte du résultat des négociations d'une façon telle que, de bonne foi, l'accord du destinataire ne peut pas être escompté.
Regesto (it):
- Art. 6 CO. Effetti di una lettera di conferma.
- Una lettera di conferma rimasta incontestata non ha effetti giuridici ove il suo contenuto si scosti dal risultato dei negoziati in modo tale da non potersi ritenere scontato, secondo la buona fede, l'accordo del destinatario.
Sachverhalt ab Seite 250
BGE 114 II 250 S. 250
A.- Die Firma A. ist in der Papierbranche tätig. Sie belieferte B. einige Jahre lang mit Waren, wofür B. ihr im März 1983 noch Fr. 171'916.05 schuldete. Am 30. März verhandelten die Parteien über die Tilgung der Schuld, nach Angaben der Firma aber ohne Erfolg. Es kam daraufhin zwischen ihnen noch zu einem Telefongespräch. Mit Brief vom 11. April teilte B. der Firma A. mit, dass er ohne umgehende gegenteilige Nachricht ihr "vereinbarungsgemäss bis spätestens 14. April 1983" per Saldo aller weiteren Ansprüche Fr. 30'000.-- überweisen werde, was er an diesem Tag auch tat. Die Firma A. will mit Schreiben vom 15. April einer solchen Regelung der Schuld widersprochen und den überwiesenen Betrag als blosse Akontozahlung bezeichnet haben. B. hat das Schreiben angeblich nicht erhalten. Der Aufforderung der Firma vom 8. Februar 1984, die ihres Erachtens noch ausstehende Schuld von Fr. 141'916.05 zu begleichen, kam er nicht nach. Diesen Betrag nebst Zins klagte die Firma A. sodann ein.
BGE 114 II 250 S. 251
B.- Das Amtsgericht Luzern-Stadt wies die Klage ab. Auf Appellation der Klägerin hiess das Obergericht des Kantons Luzern sie am 27. Januar 1988 dagegen gut, weil eine Einigung der Parteien auf einen teilweisen Schulderlass zu verneinen und dem angeblich unwidersprochen gebliebenen Schreiben des Beklagten vom 11. April 1983 eine rechtsbegründende Wirkung, welche die fehlende Einigung ersetzen könnte, abzusprechen sei. Der Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der Beklagte macht ferner geltend, in seinem Schreiben vom 11. April 1983 sei jedenfalls eine Vertragsofferte zu erblicken, welche die Klägerin, wie aus ihrem Verhalten nach dem Empfang des Schreibens erhelle, stillschweigend angenommen habe. Das Obergericht habe dies zu Unrecht verneint und dadurch Art. 6
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 6 - Ist wegen der besonderen Natur des Geschäftes oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten, so gilt der Vertrag als abgeschlossen, wenn der Antrag nicht binnen angemessener Frist abgelehnt wird. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 6 - Ist wegen der besonderen Natur des Geschäftes oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten, so gilt der Vertrag als abgeschlossen, wenn der Antrag nicht binnen angemessener Frist abgelehnt wird. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 6 - Ist wegen der besonderen Natur des Geschäftes oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten, so gilt der Vertrag als abgeschlossen, wenn der Antrag nicht binnen angemessener Frist abgelehnt wird. |
BGE 114 II 250 S. 252
Unrichtiges bestätigt, wie in BGE 71 II 223 /24 angenommen wurde, ist in BGE 100 II 22 /23 freilich angezweifelt worden. Entscheidend ist indes, dass die rechtserzeugende Kraft eines solchen Schreibens sich so oder anders nur aus dem Grundsatz der Vertrauenshaftung ergeben kann, welcher sich der Empfänger aussetzt, wenn er schweigt, obschon er an sich allen Anlass hätte, dem Schreiben zu widersprechen (SCHMIDLIN, N. 89 und 99 ff. zu Art. 6
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 6 - Ist wegen der besonderen Natur des Geschäftes oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten, so gilt der Vertrag als abgeschlossen, wenn der Antrag nicht binnen angemessener Frist abgelehnt wird. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 6 - Ist wegen der besonderen Natur des Geschäftes oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten, so gilt der Vertrag als abgeschlossen, wenn der Antrag nicht binnen angemessener Frist abgelehnt wird. |
BGE 114 II 250 S. 253
hat. Unter diesen Umständen geht es schon nach dem Vertrauensgrundsatz nicht an, dem unwidersprochen gebliebenen Bestätigungsschreiben des Beklagten eine konstitutive Wirkung beizumessen, gleichviel wie es sich damit nach den Absichten des Absenders und dessen Finanzlage verhielte.