114 Ia 129
21. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19. Februar 1988 i.S. M. R. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. 2 Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone. SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. 2 Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden. 3 Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete. IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.
- Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit im Rahmen des Schulobligatoriums (E. 3).
- Benötigen Angehörige einer stark auf dem Alten Testament basierenden Religionsgemeinschaft pro Jahr insgesamt nicht mehr Tage Schuldispensation, als der Kanton Zürich den - meistbegünstigten - Angehörigen der jüdischen Religion zugesteht, so wird das Verhältnismässigkeitsgebot verletzt, wenn die Schuldispensation für 5 (oder, je nach Jahr, 6) aufeinanderfolgende Tage mit der Begründung verweigert wird, dass Schüler jüdischen Glaubens nie mehr als 4 aufeinanderfolgende Tage Schuldispensation beanspruchen müssen (E. 5).
Regeste (fr):
- Art. 49 et 50 Cst., art. 9 CEDH; congé scolaire pour la fête des tabernacles célébrée par la "Weltweite Kirche Gottes".
- Liberté de conscience, de croyance et des cultes dans le cadre de la scolarité obligatoire (consid. 3).
- Si les membres d'une communauté religieuse profondément ancrée sur l'Ancien Testament n'ont annuellement pas besoin au total de plus de jours de congé scolaire que le canton de Zurich n'en accorde aux adeptes - les plus favorisés - de la religion juive, le principe de la proportionnalité est violé lorsque le congé scolaire pour 5 (ou, selon les années, 6) jours consécutifs est refusé au motif que les élèves de croyance juive ne peuvent jamais prétendre à plus de 4 jours de congé consécutifs (consid. 5).
Regesto (it):
- Art. 49 e 50 Cost., art. 9 CEDU; congedo scolastico in occasione della festa dei tabernacoli celebrata dalla "Weltweite Kirche Gottes".
- Libertà di coscienza, di credenza e di culto nel quadro dell'obbligo scolastico.
- Ove i membri di una comunità religiosa che si fonda in ampia misura sul Vecchio Testamento non abbisognino annualmente di un numero complessivo di giorni di congedo scolastico maggiore di quello accordato agli appartenenti alla religione ebraica - che sono i più favoriti -, il principio della proporzionalità è violato se il congedo scolastico per 5 (o, secondo gli anni, 6) giorni consecutivi è negato per il fatto che gli alunni di religione ebraica non possono pretendere più di 4 giorni di congedo consecutivi (consid. 5).
Sachverhalt ab Seite 130
BGE 114 Ia 129 S. 130
M. R. gehört der Weltweiten Kirche Gottes an, die das Alte und das Neue Testament als verbindlich betrachtet und damit insbesondere auch die jüdischen Feste feiert. Am 3. September 1986 ersuchte er die Primarschulpflege K., seine Tochter A., geboren 23. Juli 1979, vom Schulbesuch am Samstag und für 5 Tage während des Laubhüttenfestes 1986 zu dispensieren. Die Primarschulpflege K. bewilligte die Dispensation vom Schulbesuch am Samstag, gewährte jedoch nur 4 freie Schultage für das Laubhüttenfest. Rekurse wurden sowohl von der Bezirksschulpflege als auch vom Erziehungsrat des Kantons Zürich abgewiesen. Der Erziehungsrat führte in seinem Entscheid vom 10. März 1987 aus, da die Mitglieder der Weltweiten Kirche Gottes die gleichen Festtage feierten wie die Angehörigen des jüdischen Glaubens, sei § 58 Abs. 2 der Verordnung betreffend das Volksschulwesen des Kantons Zürich vom 31. März 1900 (Schulverordnung) analog anzuwenden; unter diesen Umständen sei eine Dispensation von 4 Tagen für das Laubhüttenfest angemessen. Am 3. und 5. April 1987 erhob M. R. Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Er machte geltend, die Weltweite Kirche Gottes sei eine christliche und keine jüdische Glaubensgemeinschaft; die Mitglieder dieser Kirche müssten das Laubhüttenfest und anschliessend den Letzten Grossen Tag für eine Dauer von 8 Tagen an einem gemeinsamen Ort feiern. Am 10. Juni 1987 wies der Regierungsrat den Rekurs kostenfällig ab. Mit rechtzeitiger staatsrechtlicher Beschwerde vom 17. August 1987 beantragt M. R., der Beschluss des Regierungsrats sei aufzuheben, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerdegegners.
Erwägungen
Erwägungen:
1. a) Gemäss Art. 88
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. |
BGE 114 Ia 129 S. 131
belastende Anordnung dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 88
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. |
2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. |
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1 | Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. |
2 | Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. |
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1 | Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. |
2 | Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden. |
3 | Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. |
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1 | Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. |
2 | Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone. |
BGE 114 Ia 129 S. 132
kirchlicher oder religiöser Natur beschränkt werden (Abs. 4), und Glaubensansichten entbinden nicht von der Erfüllung bürgerlicher Pflichten (Abs. 5). Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. |
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1 | Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. |
2 | Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden. |
3 | Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 27 Wirtschaftsfreiheit - 1 Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
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1 | Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung. |
BGE 114 Ia 129 S. 133
ist vorab zu prüfen, welche Bedeutung der Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit im Rahmen des verfassungsrechtlichen Schulobligatoriums zukommt (E. 3), und im Anschluss daran, ob die Voraussetzungen für einen Grundrechtseingriff gegeben sind; der angefochtene Entscheid muss sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen (E. 4), im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (E. 5) (BGE 112 Ia 320 E. 2a mit Hinweisen).
3. a) Es versteht sich von selbst, dass eine öffentliche Schule sowohl in der Vermittlung des Lehrstoffes wie auch bei der Gewährung von Dispensationen sich an einen möglichst breiten gemeinsamen Nenner halten muss. Wenn einzelne Glaubensüberzeugungen oder Religionsvorschriften so sehr davon abweichen, dass bei deren Berücksichtigung ein geordneter und effizienter Schulbetrieb nicht mehr gewährleistet ist, kann deren Berücksichtigung auch nicht unter Berufung auf die Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit verlangt werden. In solchen Fällen ist diesem Grundrecht dadurch Rechnung getragen, dass der obligatorische Primarschulunterricht nicht nur in öffentlichen Schulen absolviert werden kann: Art. 27 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 27 Wirtschaftsfreiheit - 1 Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
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1 | Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 27 Wirtschaftsfreiheit - 1 Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
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1 | Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung. |
BGE 114 Ia 129 S. 134
werden können, kann also nur so verstanden werden, dass für die Gestaltung des Unterrichts bzw. das Fernbleiben davon ein in der Schweiz relevanter, allgemeiner Konsens massgebend ist. Die Rücksichtnahme auf jede davon abweichende Individualüberzeugung im Schulbetrieb selbst ist schon aus praktischen Gründen nicht möglich. Auch die traditionell in der Schweiz verwurzelten Bekenntnisse haben sich diesbezüglich Beschränkungen zu unterziehen. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist eine geistige Freiheit und muss in der Schule vor allem durch Toleranz gewährleistet werden. Die Kultusfreiheit sodann besteht primär darin, dass die Ausübung des Kultus nicht gestört oder verunmöglicht wird, nicht aber darin, dass auch alle zeitlichen Kollisionen durch Veranstaltungen, die das gesellschaftliche und bürgerliche Leben erfordert, zu vermeiden sind. b) In BGE 66 I 158 wurde gestützt auf die Bestimmung in Art. 49 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. |
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1 | Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. |
2 | Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. |
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1 | Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. |
2 | Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden. |
3 | Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete. |
BGE 114 Ia 129 S. 135
4. a) Die Regeln der zürcherischen Gesetzgebung über die Schuldispensation kommen den Schülern bzw. ihren Eltern weit entgegen, um ihnen die möglichst ungehinderte Ausübung religiöser Handlungen zu ermöglichen. Schüler, deren Eltern als strenggläubige Juden oder Adventisten den Sabbat als religiösen Feiertag achten, sind auf Gesuch und nach Wahl des gesetzlichen Vertreters am Samstag entweder von manuellen Arbeiten und Leibesübungen oder vom Besuch der Schule überhaupt zu befreien (§ 59 Abs. 1 Schulverordnung). Schüler jüdischen Glaubens sind zudem an folgenden Tagen dispensiert: Passahfest (an vier Tagen innert acht Tagen), Wochenfest (zwei Tage), Neujahrsfest (zwei Tage), Versöhnungstag, Laubhüttenfest (an vier Tagen innert acht Tagen) (§ 58 Abs. 2 Schulverordnung). Schüler anderer Bekenntnisse sind auf Verlangen des Besorgers an Hohen Feiertagen zu dispensieren (§ 58 Abs. 3 Schulverordnung). Diese Regelung ist grundsätzlich geeignet, den religionsrelevanten Grundrechten im Rahmen des Schulobligatoriums gerecht zu werden. Der Regierungsrat hat seinen Entscheid denn auch auf diese Verordnungsbestimmungen gestützt und darin eine gesetzliche Grundlage für die Grundrechtsbeschränkung erblickt. Im folgenden ist seine Anwendung und Auslegung der kantonalen Normen zu prüfen. b) Da die Schulverordnung keine ausdrückliche Regelung für die Angehörigen der Weltweiten Kirche Gottes enthält, ist von § 58 Abs. 3 auszugehen, wonach Schüler anderer Bekenntnisse auf Verlangen des Besorgers an Hohen Feiertagen zu dispensieren sind. Der Regierungsrat hat dies nicht verkannt, vertritt aber die Auffassung, dass die für Schüler jüdischen Glaubens gemäss § 58 Abs. 2 und § 59 Abs. 1 möglichen Dispensationen - die am weitesten gehen - die absolute oberste Grenze bei der Bewilligungspraxis hinsichtlich der Befreiung vom Unterricht aus religiösen Gründen bildeten. Geht man davon aus, dass hinsichtlich der Ausnahmen von der Verpflichtung, den Unterricht zu besuchen, Schranken gesetzt werden müssen (vgl. E. 3), ist diese Auslegung des Regierungsrats auch bei freier Prüfung grundsätzlich nicht zu beanstanden. Es entspricht dem Legalitätsprinzip am besten, wenn die Grenze für Schuldispensationen bspw. bezüglich Anzahl Tage bei der in der Verordnung selbst enthaltenen grosszügigsten Regelung angesetzt wird. Die Freistellung von Kindern anderer Bekenntnisse soll dann keinen grösseren Umfang annehmen, aber entsprechend dem Bekenntnis andere Tage erfassen.
BGE 114 Ia 129 S. 136
c) Der angefochtene Entscheid scheint davon auszugehen, das Gesuch des Beschwerdeführers führe rein zahlenmässig zu mehr Dispensationen, als sie bei Kindern jüdischen Glaubens möglich sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Neben der - dem Beschwerdeführer ebenfalls gewährten - Dispensation an allen Samstagen sind für jüdische Kinder in § 58 Abs. 2 insgesamt 13 schulfreie Tage vorgesehen. Auch für die Feier der "Gottes Heiligen Tage" nach der Lehre der Weltweiten Kirche Gottes sind nicht mehr als maximal 13 Schuldispensationen erforderlich, wenn man berücksichtigt, dass von den 8 Tagen für das Laubhüttenfest bis und mit Letztem Grossen Tag infolge des dazwischen fallenden Wochenendes höchstens 6 Tage eine Schuldispensation erfordern (für das Passahfest werden im Gegensatz zu den Juden - und entgegen der irrtümlichen Annahme im angefochtenen Entscheid - nicht 4 Tage beansprucht). Damit besteht der einzige Unterschied hinsichtlich des Umfangs der Schuldispensation darin, dass den Juden - entsprechend den Erfordernissen ihres Glaubens - für das Laubhüttenfest höchstens 4 zusammenhängende schulfreie Tage gewährt werden, vom Beschwerdeführer aber für dieses Fest je nach den kalendarischen Gegebenheiten auch 5 oder 6 Tage beansprucht werden. In der Vernehmlassung des Regierungsrats wird denn auch das Schwergewicht darauf gelegt, dass bei längeren Abwesenheiten als an 4 aufeinanderfolgenden Tagen die Einhaltung der lehrplanmässigen Stoffvermittlung nicht mehr gesichert sei; erfahrungsgemäss ergäben sich für den Schulbetrieb immer dann nicht mehr bloss geringfügige Unzukömmlichkeiten, wenn ein Schüler länger als 4 Tage dem Unterricht fern bleibt. Ob § 58 Abs. 3 Schulverordnung, der immerhin für Schüler anderer Bekenntnisse eine gesonderte Dispensationsregelung vorsieht, auch bloss hinsichtlich der Anzahl zusammenhängender schulfreier Tage nicht über das für jüdische Schüler geltende Mass um nur einen oder zwei Tage hinauszugehen erlaubt, ist letztlich nicht mehr eine Frage der gesetzlichen Grundlage, sondern eine Frage der Verhältnismässigkeit.
5. a) Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass ein Grundrechtseingriff sich auf ein die privaten Interessen überwiegendes öffentliches Interesse stützt und sich auf das zum Schutz des öffentlichen Interesses Notwendige beschränkt (BGE 112 Ia 320 E. 2a mit Hinweisen). Das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Schulobligatoriums ist unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung (geregelter
BGE 114 Ia 129 S. 137
Schulbetrieb) und des Schutzes der Interessen der anderen Schüler gewichtig. Kommt eine kantonale Regelung über die Schuldispensation den Interessen von Angehörigen von Religionsgemeinschaften weit entgegen, so dürfte das öffentliche Interesse daran, dass nicht über den Willen des Gesetzgebers hinausgehende Schuldispensationen beansprucht werden, regelmässig überwiegen. Die gestützt auf die einschlägigen Bestimmungen verfügte Bewilligungsverweigerung ist dann das unerlässliche Mittel zur Durchsetzung des Schulobligatoriums. b) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass das kantonale Recht Schuldispensationen zur Begehung religiöser Feste in grosszügiger Weise gewährt, indem der Kanton dafür nebst den schulfreien Samstagen bis zu 13 Tage vorsieht, entsprechend der Regelung für jüdische Kinder. Im hier fraglichen Jahr 1986 beanspruchte der Beschwerdeführer für seine Tochter bloss 12 Tage Schuldispensation, im Maximum sind im einzelnen Jahr 13 Tage erforderlich. Es mag zutreffen, dass die Beeinträchtigung des Schulbetriebes - eher wohl des Lernerfolges für den betreffenden Schüler - grösser ist, wenn sich die Dispensationen nicht auf einzelne bzw. je auf wenige zusammenhängende Tage verteilen, sondern jeweils grössere Zeitabschnitte erfassen. Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass diese Beeinträchtigung wesentlich stärker ist, wenn - nicht jedes Jahr - zusammenhängende Abwesenheiten von 5 bis 6 Tagen anstelle von bloss 4 Tagen anfallen. Dagegen ist zu berücksichtigen, dass die an sich grosszügige Gewährung von 4 Tagen Dispensation dem Beschwerdeführer praktisch nichts nützt, da es ihm dadurch nicht ermöglicht wird, mit seiner Tochter dem Gebot seiner Religionsgemeinschaft nachzuleben, das Laubhüttenfest an allen 8 Tagen in der Gemeinschaft zu feiern, was regelmässig im Ausland - normalerweise in Bonndorf in der Bundesrepublik Deutschland - geschieht. Um dies tun zu können, bedurfte er für das - hier streitige - Jahr 1986 eines zusätzlichen Tages, in späteren Jahren würden es höchstens 2 Tage sein. Für den Beschwerdeführer stellt es damit einen entscheidenden Unterschied dar, ob bloss für 4 oder für 5 Tage (1986) Dispensation erteilt wird. Wegen eines einzigen zusätzlichen Tages, für den nicht Dispensation erteilt wird, steht die Einhaltung des 8tägigen Laubhüttenfestes als Ganzes in Frage. Der Beschwerdeführer wird in seiner Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit in schwerwiegender Weise getroffen. Zu berücksichtigen ist vor allem auch,
BGE 114 Ia 129 S. 138
dass durch seine Auseinandersetzung mit der Schulbehörde seine Tochter stark betroffen und unweigerlich in den Konflikt zwischen Schule und Elternhaus miteinbezogen wird. Demgegenüber erscheint die allfällige zusätzliche Beeinträchtigung der Schulordnung - welche die kantonale Regelung zum Schutze der religiösen Grundrechte ohnehin in beträchtlichem Masse hinnehmen will - nicht als bedeutend. Die Verweigerung der Ausnahmebewilligung erweist sich damit als unverhältnismässig. Der angefochtene Entscheid verletzt die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Kultusfreiheit. Er ist dementsprechend aufzuheben.