111 III 52
12. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 9. Oktober 1985 i.S. X. (Rekurs)
Regeste (de):
- Pfändung
- 1. Schutz der Persönlichkeitssphäre des Schuldners.
- Angaben, welche die Aufsichtsbehörde für die Beurteilung der Kompetenzqualität eines Pfändungsgegenstandes benötigt, kann der Schuldner nicht unter Berufung auf den Schutz seiner Persönlichkeitssphäre verweigern (hier: Angaben über Kundenaufträge im Zusammenhang mit der Pfändung eines Automobils) (E. 3).
- 2. Aufsichtsbehördliche Abklärung tatsächlicher Verhältnisse von Amtes wegen.
- Die Aufsichtsbehörde, die dem Schuldner klare Fragen gestellt und ihm eine Frist zu deren Beantwortung sowie zur Einreichung von Beweismitteln angesetzt hat, verletzt ihre Pflicht, die aus der Sicht des Art. 92
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1 Unpfändbar sind: 1 die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind; 1a Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden; 10 Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit; 11 Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen. 2 die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände; 3 die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind; 4 nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind; 5 die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen; 6 die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen; 7 das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR195 bestellten Leibrenten; 8 Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten; 9 Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen; 9a die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946199 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959200 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965201 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen; 2 Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.204 3 Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.205 4 Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908206 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992207 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches208 (Art. 378 Abs. 2 StGB).209
Regeste (fr):
- Saisie
- 1. Protection de la sphère privée du débiteur.
- Le débiteur ne peut pas refuser, en invoquant la protection de sa sphère privée, de fournir les indications dont l'autorité de surveillance a besoin pour juger de l'insaisissabilité d'un objet (en l'espèce: renseignements relatifs à des commandes de clients qu'il prétend devoir visiter au moyen du véhicule saisi) (consid. 3).
- 2. Instruction d'office par l'autorité de surveillance.
- L'autorité de surveillance ne méconnaît pas son devoir d'instruire d'office sur les faits déterminants pour l'application de l'art. 92 LP si, après avoir posé au poursuivi des questions claires en l'invitant à y répondre et à produire des preuves dans un délai déterminé, elle ne prolonge pas ce délai lorsque ses injonctions n'ont pas été respectées (consid. 2).
Regesto (it):
- Pignoramento
- 1. Protezione della sfera privata del debitore.
- Il debitore non può rifiutarsi, invocando la protezione della sua sfera privata, di fornire le indicazioni di cui l'autorità di vigilanza ha bisogno per decidere sulla pignorabilità di un oggetto (nella fattispecie: ragguagli circa le ordinazioni fatte da clienti che il debitore pretende d'aver visitato servendosi del veicolo pignorato) (consid. 3).
- 2. Accertamento d'ufficio dei fatti da parte dell'autorità di vigilanza.
- L'autorità di vigilanza non viola il proprio dovere d'acclarare d'ufficio i fatti determinanti per l'applicazione dell'art. 92 LEF se, dopo aver posto al debitore domande chiare, invitandolo a rispondervi e a produrre mezzi di prova entro un certo termine, non proroga tale termine all'interessato che non ha dato seguito alla sua ingiunzione (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 52
BGE 111 III 52 S. 52
Am 18. Februar 1985 belegte das Betreibungsamt bei X. unter anderem einen Personenwagen mit Pfändungsbeschlag. Durch
BGE 111 III 52 S. 53
Verfügung vom 21. Mai 1985 bestätigte es diese Massnahme unter Hinweis darauf, dass die Kosten für das Fahrzeug in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stünden, der sich damit erzielen lasse. Nachdem X. gegen die Pfändung Beschwerde eingereicht hatte, forderte ihn die kantonale Aufsichtsbehörde durch Schreiben vom 5. August 1985 anhand des folgenden Fragenkatalogs zu ergänzenden Angaben auf: "1. Wie oft und zu welchem Zweck haben Sie im letzten Jahr das Fahrzeug gebraucht? 2. Welches waren die Bruttoeinkünfte, die Sie gestützt auf die Verwendung des Fahrzeugs im letzten Jahr realisieren konnten? Welches sind die Einkünfte, die Sie im letzten Jahr ohne Verwendung des Fahrzeugs erzielen konnten? 3. Welches sind die Kosten, die Ihnen im letzten Jahr durch die Verwendung des Fahrzeugs entstanden sind?" X. wurde ersucht, die Fragen so detailliert wie möglich zu beantworten und entsprechende Unterlagen einzureichen. Die Angaben, die X. hierauf mit Schreiben vom 26. August 1985 machte, hielt die kantonale Aufsichtsbehörde grösstenteils für nicht hinreichend nachgewiesen. Insbesondere gelte dies für den Betrag, den X. dank der Benützung des Wagens habe erwirtschaften wollen. Mit Entscheid vom 19. September 1985 wurde die Beschwerde, soweit gegen die Pfändung des Automobils gerichtet, abgewiesen. X. hat hiergegen an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert mit dem Antrag, der Personenwagen sei aus der Pfändung zu entlassen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Der Rekurrent macht geltend, aus seinem Schreiben vom 26. August 1985 sei eindeutig hervorgegangen, dass die für den Beweis seiner dortigen Angaben geeigneten Unterlagen bei ihm zur Verfügung gestanden hätten. Falls die Vorinstanz sie wirklich benötigt habe, so wäre sie nach seiner Ansicht verpflichtet gewesen, sie von ihm zu verlangen. Ihre Aufforderung vom 5. August 1985 sei in dieser Hinsicht nicht imperativ formuliert gewesen; es habe geheissen: "wenn möglich". Indem die Vorinstanz die Beschwerde abgewiesen habe, ohne ihm eine Nachfrist zur
BGE 111 III 52 S. 54
Einreichung von Beweismitteln anzusetzen, habe sie Bundesrecht verletzt.
2. Diesen Vorbringen des Rekurrenten kann nicht beigepflichtet werden. Die Vorinstanz hatte ihm im erwähnten Schreiben vom 5. August 1985 klare Fragen gestellt und beigefügt, er werde gebeten, diese "so detailliert wie möglich" (und nicht etwa: "wenn möglich") zu beantworten und entsprechende Schriftstücke beizulegen. Der Rekurrent war damit unmissverständlich aufgefordert, die zum Nachweis seiner Angaben geeigneten Unterlagen einzureichen, und die Vorinstanz war keineswegs gehalten, ihm hierzu noch eine Nachfrist anzusetzen. Daran vermag sein Hinweis auf BGE 97 III 11 und 59 nichts zu ändern.
3. Mit dem Hinweis auf den vertraulichen Inhalt der als Beweismittel in Betracht fallenden Unterlagen scheint sich der Rekurrent auf den Schutz seiner Persönlichkeitssphäre berufen zu wollen. Auch dieser Einwand ist unbehelflich. Bei der Beurteilung der Frage der Pfändbarkeit eines als Berufswerkzeug angesprochenen Automobils ist unter anderem dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit Beachtung zu schenken, da der Zweck des Art. 92 Ziff. 3
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind: |
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1 | Unpfändbar sind: |
1 | die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind; |
1a | Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden; |
10 | Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit; |
11 | Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen. |
2 | die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände; |
3 | die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind; |
4 | nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind; |
5 | die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen; |
6 | die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen; |
7 | das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR195 bestellten Leibrenten; |
8 | Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten; |
9 | Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen; |
9a | die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946199 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959200 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965201 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen; |
2 | Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.204 |
3 | Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.205 |
4 | Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908206 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992207 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches208 (Art. 378 Abs. 2 StGB).209 |
4. Dass die Vorinstanz mit dem angefochtenen Entscheid Bundesrecht verletzt hätte, hat der Rekurrent nach dem Gesagten nicht darzutun vermocht.