111 II 67
15. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Februar 1985 i.S. X. AG gegen Genossenschaft Y. (Berufung)
Regeste (de):
- Viehkauf; Art. 198
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat.
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
- 1. Das Erfordernis der Schriftform für Gewährleistungsversprechen gemäss Art. 198
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat.
- 2. Die alternative Konkurrenz des Gewährleistungsanspruchs wegen Mängeln der Kaufsache mit dem Anspruch aus einseitiger Unverbindlichkeit des Vertrages wegen Grundlagenirrtums ist beim Viehkauf grundsätzlich ausgeschlossen (E. 3, Bestätigung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Commerce du bétail; art. 198 et 24 al. 1 ch. 4 CO.
- 1. L'exigence de la forme écrite prévue par l'art. 198 CO pour la promesse de garantie s'applique en tout cas lorsque l'acheteur est une société anonyme qui achète du bétail à titre professionnel (consid. 2).
- 2. Le concours alternatif de l'action en garantie en raison des défauts de la chose vendue avec l'action en invalidation de la vente pour cause d'erreur essentielle est en principe exclu dans le commerce du bétail (consid. 3, confirmation de la jurisprudence).
Regesto (it):
- Commercio del bestiame; art. 198 e 24 cpv. 1 n. 4 CO.
- 1. Il requisito della forma scritta previsto dall'art. 198 CO per la promessa di garanzia si applica in ogni caso ove il compratore sia una società anonima che acquista bestiame professionalmente (consid. 2).
- 2. Il concorso alternativo dell'azione di garanzia per difetti della cosa venduta con l'azione tendente ad annullare la vendita per errore essenziale è, in linea di principio, escluso nel commercio del bestiame (consid. 3, conferma della giurisprudenza).
Sachverhalt ab Seite 67
BGE 111 II 67 S. 67
Die Genossenschaft Y. treibt unter anderem Handel mit Schlacht- und Mastvieh. Am 14. Februar 1983 lieferte sie der X. AG, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Herstellerin von Futtermitteln auch Schlachttiere mästen lässt, 45 Kälber in den Stall eines Lohnmästers. Der Kaufpreis betrug Fr. 21'173.90. Wenige Tage nach der Ablieferung erkrankte ein Teil der Kälber an Salmonellose, worauf alle Tiere geschlachtet werden mussten.
BGE 111 II 67 S. 68
Da die X. AG der Auffassung war, die Verkäuferin habe einen Teil des durch die Schlachtung der Kälber entstandenen Schadens zu tragen, zog sie vom Kaufpreis Fr. 15'000.-- ab und stellte ihr am 21. September 1983 einen Check über Fr. 6'173.90 zu. Nachdem Genossenschaft Y. erfolglos die Zahlung des gesamten Kaufpreises verlangt und dafür Frist angesetzt hatte, reichte sie im Januar 1984 beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen Klage mit dem Antrag ein, die X. AG sei zur Bezahlung von Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1984 zu verpflichten. Mit Urteil vom 5. Juni 1984 hiess das Handelsgericht die Klage gut. Es begründete seinen Entscheid im wesentlichen damit, dass die Beklagte ihre Verrechnungsforderung mangels schriftlicher Garantieerklärung sowie wegen Nichtbeachtung des für die Viehwährschaft vorgeschriebenen Verfahrens nicht auf Sachgewährleistung stützen könne; ferner sei die alternative Berufung auf Grundlagenirrtum beim Viehkauf ausgeschlossen. Sodann komme eine Gegenforderung aus unerlaubter Handlung nicht in Frage, weil der Klägerin kein Verschulden vorzuwerfen sei. Schliesslich liege auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin vor.
Die Beklagte focht das Urteil des Handelsgerichts mit Berufung an, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Es ist unbestritten, dass die Klägerin keine schriftliche Garantie für die verkauften Kälber abgegeben hat und die Beklagte nicht gemäss den Vorschriften der Verordnung betreffend das Verfahren bei der Gewährleistung im Viehhandel (SR 221.211.22) vorgegangen ist. Da im angefochtenen Urteil ferner für das Bundesgericht verbindlich festgestellt wird, die Parteien hätten weder vor noch bei Kaufabschluss über die Gewährleistung gesprochen, ist davon auszugehen, dass die Klägerin auch keine mündlichen Zusicherungen gemacht hat. Unter diesen Umständen drängt sich aber die Frage auf, ob die Vorbringen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Schrifterfordernis gemäss Art. 198

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
BGE 111 II 67 S. 69
zu betrachten, für welche die Klägerin auch ohne ausdrückliche Zusicherung einzustehen hätte, wenn die besonderen Bestimmungen für den Viehkauf nicht anwendbar wären. Da sich diese Meinung vertreten lässt, ist in der folgenden Erwägung auf die Frage einzutreten, ob vom Erfordernis der Schriftform aus den von der Beklagten vorgebrachten Gründen abgewichen werden kann.
2. Aufgrund des klaren Wortlauts von Art. 198

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat. |
BGE 111 II 67 S. 70
der Vorschriften der Verordnung betreffend das Verfahren bei der Gewährleistung im Viehhandel vorhalte.
3. Die Beklagte beruft sich zudem auf einseitige Unverbindlichkeit des Vertrages wegen Grundlagenirrtums mit der Begründung, die Lieferung gesunder Kälber sei von beiden Parteien als notwendige Grundlage des Kaufvertrages betrachtet worden. Das Handelsgericht hält in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts die alternative Anwendung von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 210 - 1 Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 202 - 1 Enthält beim Handel mit Vieh die schriftliche Zusicherung keine Fristbestimmung und handelt es sich nicht um Gewährleistung für Trächtigkeit, so haftet der Verkäufer dem Käufer nur, wenn der Mangel binnen neun Tagen, von der Übergabe oder vom Annahmeverzug an gerechnet, entdeckt und angezeigt wird, und wenn binnen der gleichen Frist bei der zuständigen Behörde die Untersuchung des Tieres durch Sachverständige verlangt wird. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 33 - 1 Soweit die Ermächtigung, im Namen eines andern Rechtshandlungen vorzunehmen, aus Verhältnissen des öffentlichen Rechtes hervorgeht, ist sie nach den Vorschriften des öffentlichen Rechtes des Bundes und der Kantone zu beurteilen. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 210 - 1 Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
Die Gesichtspunkte, welche nach GIGER ausschlaggebend sein sollen, sind nicht neu und wurden bereits in BGE 70 II 50 E. 1 bei der Problemlösung berücksichtigt. Da die Erwägungen, welche das
BGE 111 II 67 S. 71
Bundesgericht damals dazu bewogen haben, in Fällen wie dem vorliegenden die Berufung auf Grundlagenirrtum nicht zuzulassen, ihre Gültigkeit und Überzeugungskraft bis heute behalten haben, besteht auch in dieser Hinsicht kein Anlass für eine Praxisänderung.