111 Ia 129
23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. Mai 1985 i.S. Politische Gemeinde Wiesendangen gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Gemeindeautonomie; Ortsplanung.
- 1. Anfechtbarkeit eines kantonalen Richtplans durch die betroffene Gemeinde.
- a) Grundsätze (E. 3a und c).
- b) Vorfrageweise Anfechtung (E. 3d und e).
- 2. Autonomie der Zürcher Gemeinden
- a) beim Erlass der Bau- und Zonenordnung im allgemeinen (E. 4b);
Regeste (fr):
- Autonomie communale; aménagement local du territoire.
- 1. Recevabilité des griefs soulevés par la commune concernée à l'encontre d'un plan directeur cantonal.
- a) Principes (consid. 3a et c).
- b) Recevabilité des griefs soulevés à titre préjudiciel (consid. 3d et e).
- 2. Autonomie des communes zurichoises
- a) d'une façon générale, lorsqu'elles légifèrent en matière de droit des constructions et établissent des plans de zones (consid. 4b);
Regesto (it):
- Autonomia comunale; pianificazione locale del territorio.
- 1. Impugnabilità di un piano direttore cantonale da parte del comune interessato.
- a) Principi (consid. 3a, c).
- b) Impugnazione a titolo pregiudiziale (consid. 3d, e).
- 2. Autonomia dei comuni zurighesi
- a) in modo generale, quando adottino norme in materia edilizia e di azzonamento (consid. 4b);
Sachverhalt ab Seite 129
BGE 111 Ia 129 S. 129
Am 31. Oktober 1983 beschloss die Gemeindeversammlung Wiesendangen eine neue Nutzungsplanung. Diese umfasst unter anderem einen Zonenplan, der im Gebiet Ruchegg/Hinteregg eine Gewerbezone ausscheidet. Mit Beschluss vom 30. Mai 1984 schloss der Regierungsrat des Kantons Zürich diese Gewerbezone mangels Übereinstimmung mit dem kantonalen Gesamtplan von der Genehmigung aus. Die Gemeinde Wiesendangen führt in erster Linie wegen Verletzung der Gemeindeautonomie staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Dieses weist die Beschwerde ab.
BGE 111 Ia 129 S. 130
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Die Beschwerdeführerin wendet sich nicht nur gegen den Nichtgenehmigungsbeschluss des Regierungsrates als solchen. Sie ficht vorfrageweise auch den kantonalen Gesamtplan an, auf den der Regierungsrat die Nichtgenehmigung der Gewerbezone Ruchegg/Hinteregg stüzt. a) Der kantonale Gesamtplan nach zürcherischem Recht (§§ 18 ff., §§ 28, 29 des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975, Planungs- und Baugesetz, PBG) ist ein Richtplan im Sinne der Art. 6 ff
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz RPG Art. 6 Grundlagen - 1 ...18 |
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2 | Für die Erstellung ihrer Richtpläne erarbeiten die Kantone Grundlagen, in denen sie feststellen, welche Gebiete:19 |
a | sich für die Landwirtschaft eignen; |
b | besonders schön, wertvoll, für die Erholung oder als natürliche Lebensgrundlage bedeutsam sind; |
bbis | sich für die Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Energien eignen; |
c | durch Naturgefahren oder schädliche Einwirkungen erheblich bedroht sind. |
3 | In den Grundlagen geben sie auch Aufschluss über den Stand und die bisherige Entwicklung:21 |
a | ihres Siedlungsgebietes; |
b | des Verkehrs; |
bbis | der Versorgung, insbesondere mit Elektrizität aus erneuerbaren Energien; |
bter | der öffentlichen Bauten und Anlagen; |
c | ihres Kulturlandes. |
4 | Sie berücksichtigen die Konzepte und Sachpläne des Bundes, die Richtpläne der Nachbarkantone sowie regionale Entwicklungskonzepte und Pläne. |
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz RPG Art. 9 Verbindlichkeit und Anpassung - 1 Richtpläne sind für die Behörden verbindlich. |
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1 | Richtpläne sind für die Behörden verbindlich. |
2 | Haben sich die Verhältnisse geändert, stellen sich neue Aufgaben oder ist eine gesamthaft bessere Lösung möglich, so werden die Richtpläne überprüft und nötigenfalls angepasst. |
3 | Richtpläne werden in der Regel alle zehn Jahre gesamthaft überprüft und nötigenfalls überarbeitet. |
b) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Zonenplan der Gemeinde Wiesendangen vom 31. Oktober 1983 dem Gesamtplan des Kantons Zürich vom 10. Juli 1978 in bezug auf die Gewerbezone Ruchegg/Hinteregg widerspricht. Jenes Gelände ist im Gesamtplan als Bauentwicklungsgebiet bezeichnet, das voraussichtlich erst nach 20-25 Jahren der Besiedlung dienen soll (§ 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 PBG). Demgegenüber weist der Zonenplan das Gebiet den Gewerbezonen 1 und 2 und damit der Bauzone zu. In diesem Umfang ficht die Beschwerdeführerin den kantonalen Gesamtplan an. c) Der Zürcher Gesamtplan ist vom Kantonsrat am 10. Juli 1978 erlassen und mit seiner Bekanntmachung für die kommunalen und kantonalen Behörden des Kantons in Kraft getreten (vgl. § 35 Abs. 2 PBG; vgl. Art. 11 Abs. 2
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz RPG Art. 11 Genehmigung des Bundesrates - 1 Der Bundesrat genehmigt die Richtpläne und ihre Anpassungen, wenn sie diesem Gesetz entsprechen, namentlich die raumwirksamen Aufgaben des Bundes und der Nachbarkantone sachgerecht berücksichtigen. |
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1 | Der Bundesrat genehmigt die Richtpläne und ihre Anpassungen, wenn sie diesem Gesetz entsprechen, namentlich die raumwirksamen Aufgaben des Bundes und der Nachbarkantone sachgerecht berücksichtigen. |
2 | Für den Bund und die Nachbarkantone werden Richtpläne erst mit der Genehmigung durch den Bundesrat verbindlich. |
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz RPG Art. 11 Genehmigung des Bundesrates - 1 Der Bundesrat genehmigt die Richtpläne und ihre Anpassungen, wenn sie diesem Gesetz entsprechen, namentlich die raumwirksamen Aufgaben des Bundes und der Nachbarkantone sachgerecht berücksichtigen. |
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1 | Der Bundesrat genehmigt die Richtpläne und ihre Anpassungen, wenn sie diesem Gesetz entsprechen, namentlich die raumwirksamen Aufgaben des Bundes und der Nachbarkantone sachgerecht berücksichtigen. |
2 | Für den Bund und die Nachbarkantone werden Richtpläne erst mit der Genehmigung durch den Bundesrat verbindlich. |
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erfassten Grundstücks; dieser wird durch den Richtplan selbst wegen der blossen Behördenverbindlichkeit nicht unmittelbar betroffen, weshalb ihm die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde nach Art. 88
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz RPG Art. 11 Genehmigung des Bundesrates - 1 Der Bundesrat genehmigt die Richtpläne und ihre Anpassungen, wenn sie diesem Gesetz entsprechen, namentlich die raumwirksamen Aufgaben des Bundes und der Nachbarkantone sachgerecht berücksichtigen. |
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1 | Der Bundesrat genehmigt die Richtpläne und ihre Anpassungen, wenn sie diesem Gesetz entsprechen, namentlich die raumwirksamen Aufgaben des Bundes und der Nachbarkantone sachgerecht berücksichtigen. |
2 | Für den Bund und die Nachbarkantone werden Richtpläne erst mit der Genehmigung durch den Bundesrat verbindlich. |
d) Ähnlich der akzessorischen Normenkontrolle lässt die bundesgerichtliche Rechtsprechung die Anfechtung von Nutzungsplänen bei deren späteren Anwendung dann noch zu, wenn sich der Betroffene bei Planerlass noch nicht über die ihm auferlegten Beschränkungen Rechenschaft geben konnte und er im damaligen Zeitpunkt keine Möglichkeit hatte, seine Interessen zu verteidigen. Die Gültigkeit eines Zonenplans muss stets dann noch in Zweifel gezogen werden können, wenn die gesetzlichen Vorschriften über die Ortsplanung geändert werden oder wenn sich die tatsächliche Situation seit Erlass des Zonenplans in einer Weise gewandelt hat, dass das öffentliche Interesse an den auferlegten Eigentumsbeschränkungen dahingefallen sein könnte (BGE 107 Ia 334 E. 1b; 106 Ia 316/317 E. 3, 387 E. 3c mit Hinweisen). Diese Grundsätze beziehen sich freilich auf das Verhältnis zwischen Nutzungsplänen und betroffenen Grundeigentümern. Ein vergleichbares Verhältnis besteht indessen zwischen einem kantonalen Richtplan und einer Gemeinde als Planungsträgerin. So wie der Private durch den Nutzungsplan in der Freiheit eingeschränkt wird, sein Grundeigentum zu nutzen, so wird in ähnlicher Weise eine Gemeinde durch einen Richtplan eingeschränkt, ihre Nutzungsplanung zu gestalten. Es liegt daher nahe, die allgemeinen Grundsätze über die Anfechtung von Nutzungsplänen auch auf jene Fälle anzuwenden, in denen eine Gemeinde einen kantonalen Richtplan anficht. e) Wie erwähnt, ist die Frist zur Anfechtung des Zürcher Gesamtplans abgelaufen. Zu prüfen ist somit, ob die Gemeinde Wiesendangen den Plan noch im heutigen Zeitpunkt, d.h. bei dessen Anwendung auf die Ortsplanungsrevision anfechten kann. Nach dem früheren Zonenplan der Gemeinde Wiesendangen vom 23. Oktober 1970 befand sich das umstrittene Gebiet Ruchegg/Hinteregg in der Gewerbezone. Mit dem Gesamtplan vom 10. Juli 1978 wies der Zürcher Kantonsrat die Fläche dem Bauentwicklungsgebiet zu. Er erachtete dieses Land somit nicht als Siedlungsgebiet, das voraussichtlich innert 20-25 Jahren benötigt
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wird und erschlossen werden kann (§ 21 Abs. 2 PBG); mit der Bezeichnung als Bauentwicklungsgebiet ordnete er vielmehr an, dass die Fläche "voraussichtlich in einem späteren Zeitpunkt der Besiedlung dienen" wird (§ 21 Abs. 3 PBG). Da nach § 16 Abs. 1 PBG die Nutzungsplanungen jeder Art und Stufe der Richtplanung zu entsprechen haben, stand für die Gemeinde Wiesendangen mithin schon im Zeitpunkt der Schaffung des kantonalen Gesamtplans fest, dass sie im Gebiet Ruchegg/Hinteregg keine Bauzone und damit auch keine Gewerbezone mehr ausscheiden durfte. Über diese Wirkung des Gesamtplans musste sich die Gemeinde angesichts der unmissverständlichen Regelung von § 21 Abs. 2 und 3 sowie § 16 Abs. 1 PBG im klaren sein. Ebenso wie heute muss ihr schon damals bekannt gewesen sein, dass sie sich gegen Verletzungen ihrer Autonomie mit staatsrechtlicher Beschwerde zur Wehr setzen konnte. Da inzwischen weder die entsprechenden Vorschriften über die Richtpläne geändert worden sind noch die tatsächlichen Verhältnisse sich gewandelt haben, kann insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden, als sie sich gegen die Gebietsausscheidung des kantonalen Gesamtplans im Bereich Ruchegg/Hinteregg richtet. f) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin verstösst dieses Ergebnis nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Frage, ob Richtpläne auch noch bei deren Anwendung auf kommunale Nutzungsplanungen mit der Autonomiebeschwerde beim Bundesgericht in Frage gestellt werden können, beurteilt sich ausschliesslich nach den Grundsätzen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Aus dem Verhalten kantonaler Behörden kann die Beschwerdeführerin daher von vornherein nichts zu ihren Gunsten ableiten; solches vermag das Bundesgericht auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben klarerweise nicht zu binden.
4. a) Ist eine Gemeinde in einem bestimmten Sachbereich autonom, so kann sie sich mit staatsrechtlicher Beschwerde dagegen zur Wehr setzen, dass die kantonale Behörde im Rechtsmittelverfahren ihre Prüfungsbefugnis überschreitet oder dass sie bei der Anwendung der kommunalen, kantonalen oder bundesrechtlichen Normen, die den betreffenden Sachbereich ordnen, gegen das Willkürverbot verstösst oder, soweit Verfassungsrecht in Frage steht, dieses unrichtig auslegt oder anwendet (BGE 109 Ia 45 E. 2b mit Hinweisen). b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung steht den zürcherischen Gemeinden beim Erlass einer Bau- und
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Zonenordnung im Sinne von § 45 ff. PBG ein weiter Gestaltungsraum zu; sie sind insoweit grundsätzlich autonom (Urteil vom 14. März 1984 i.S. Politische Gemeinde Uitikon, E. 4, ZBl 85/1984, S. 514). Es wird zu prüfen sein, ob und allenfalls inwieweit die Gemeinden auch in jenen Bereichen autonom sind, die von den nichtgenehmigten Teilen der Bau- und Zonenordnung sowie des Zonenplans berührt werden. Ist diese Frage zu verneinen, so erweist sich die Autonomiebeschwerde im betreffenden Punkt schon deshalb als unbegründet. Ist sie dagegen zu bejahen, wird weiter zu prüfen sein, ob die Nichtgenehmigung der umstrittenen Zoneneinteilung die Autonomie der Beschwerdeführerin verletzt.
5. Die Beschwerdeführerin sieht sich zunächst dadurch in ihrer Autonomie verletzt, dass der Regierungsrat die Zuweisung des Gebiets Ruchegg/Hinteregg zur Gewerbezone nicht genehmigt hat. a) Wie dargelegt, kann die Gemeinde Wiesendangen den Gesamtplan des Kantons Zürich im vorliegenden Verfahren nicht mehr in Frage stellen (E. 3). Der Plan bildet daher die Grundlage der folgenden Beurteilung. b) Als Richtplan regelt der Gesamtplan des Kantons Zürich die Nutzung des Bodens und die Besiedlung des Landes nur in den Grundzügen (§ 28 Abs. 1 PBG; Art. 6 Abs. 1
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a | sich für die Landwirtschaft eignen; |
b | besonders schön, wertvoll, für die Erholung oder als natürliche Lebensgrundlage bedeutsam sind; |
bbis | sich für die Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Energien eignen; |
c | durch Naturgefahren oder schädliche Einwirkungen erheblich bedroht sind. |
3 | In den Grundlagen geben sie auch Aufschluss über den Stand und die bisherige Entwicklung:21 |
a | ihres Siedlungsgebietes; |
b | des Verkehrs; |
bbis | der Versorgung, insbesondere mit Elektrizität aus erneuerbaren Energien; |
bter | der öffentlichen Bauten und Anlagen; |
c | ihres Kulturlandes. |
4 | Sie berücksichtigen die Konzepte und Sachpläne des Bundes, die Richtpläne der Nachbarkantone sowie regionale Entwicklungskonzepte und Pläne. |
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Flächen ausserhalb des Siedlungsgebiets der Bauzone zuzuweisen (§ 16 Abs. 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 PBG). Insoweit sind sie nicht autonom. c) Die Fläche Ruchegg/Hinteregg befindet sich gemäss Gesamtplan des Kantons Zürich im Bauentwicklungsgebiet. Sie gilt demzufolge als Land, das voraussichtlich in einem späteren Zeitpunkt der Besiedlung dient (§ 21 Abs. 3 PBG). Es ist somit kein Siedlungsgebiet. Mithin fehlte der Beschwerdeführerin jegliche Entscheidungsfreiheit, in diesem Gebiet eine Bauzone auszuscheiden. Der Regierungsrat durfte ihr daher in diesem Bereich die Autonomie ohne Willkür absprechen. Die Rüge der Autonomieverletzung geht deshalb in diesem Punkt fehl.