110 V 132
21. Auszug aus dem Urteil vom 6. Februar 1984 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Luzern gegen Hüsler und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Regeste (de):
- Art. 85 Abs. 2 lit. f
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 85
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 85
- Voraussetzungen, unter denen einem in eigener Sache prozessierenden Anwalt ausnahmsweise eine Entschädigung für persönlichen Arbeitsaufwand und Umtriebe zusteht.
- In casu für das vorinstanzliche Verfahren bejaht, für das letztinstanzliche aber verneint.
Regeste (fr):
- Art. 85 al. 2 let. f LAVS, art. 159 OJ.
- Conditions auxquelles l'avocat qui agit dans sa propre cause peut exceptionnellement prétendre une indemnité pour l'activité personnelle qu'il a déployée ainsi que pour sa perte de temps ou de gain.
- In casu, conditions réalisées pour la procédure devant l'instance inférieure mais non en dernière instance.
Regesto (it):
- Art. 85 cpv. 2 lett. f LAVS, art. 159
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 85
- Presupposti perché un avvocato che agisce in causa propria possa eccezionalmente pretendere un'indennità per la sua attività personale nonché per ulteriori spese o danni. In caso presupposti riconosciuti in prima e negati in seconda istanza.
Sachverhalt ab Seite 133
BGE 110 V 132 S. 133
A.- Mit Verfügung vom 22. Oktober 1981 forderte die Ausgleichskasse des Kantons Luzern von Fürsprecher Hüsler in Anwendung von Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
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1 | Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
2 | Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292 |
3 | Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294 |
4 | Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295 |
5 | In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. |
6 | Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen. |
B.- Hiegegen liess Fürsprecher Hüsler durch Rechtsanwalt X. gemäss Art. 81 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
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1 | Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
2 | Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292 |
3 | Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294 |
4 | Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295 |
5 | In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. |
6 | Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen. |
C.- Die Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid im Kostenpunkt (Dispositiv-Ziff. 2) aufzuheben. Fürsprecher Hüsler schliesst auf Nichteintreten, eventualiter auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. (Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde: BGE 109 V 61 Erw. 1.)
2. (Überprüfungsbefugnis: BGE 104 V 6 Erw. 1.)
3. (Der grundsätzliche Anspruch auf Parteientschädigung beschlägt Bundesrecht; kantonalrechtlich ist dagegen deren Bemessung; vgl. BGE 110 V 57 Erw. a.)
4. a) Die Ausgleichskasse macht geltend, dass der in eigener Sache prozessierende Anwalt - Fürsprecher Hüsler liess sich, wie erwähnt, im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht mehr vertreten - keinen Anspruch auf Parteientschädigung habe. Sie beruft sich hiefür auf BGE 99 Ia 580 und eine angeblich gleichlautende Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts, die indessen nicht zitiert wird. b) Damit stellt sich zunächst die Frage, ob der von der Ausgleichskasse aufgegriffene Gesichtspunkt der anwaltlichen Interessenwahrung in eigener Sache zur bundesrechtlichen Grundsatz-
BGE 110 V 132 S. 134
oder zur kantonalrechtlichen Bemessungs- (Tarif-)Frage gehört. In der Regel hängt die bundesrechtliche Frage, ob grundsätzlich eine Parteientschädigung geschuldet ist, von der Art des Prozessausganges (Gutheissung, Rückweisung, Abschreibung usw.) ab. Bisweilen und vorliegend geht es dagegen um die Frage, ob im Hinblick auf die Person des Ansprechers eine Parteientschädigung in Frage kommt. Dies betrifft ebenfalls den Grundsatz als solchen, wie das Eidg. Versicherungsgericht in bezug auf den Parteientschädigungsanspruch des Mitinteressierten entschieden hat (BGE 109 V 62 unten und f.). Eine Frage der Bemessung (oder des Tarifes) läge höchstens dann vor, wenn der Parteientschädigungsansatz für verschiedene Personenkreise unterschiedlich geregelt wäre.
Liegt somit der grundsätzliche Anspruch auf eine Parteientschädigung nach Art. 85 Abs. 2 lit. f
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 85 |
d) Der heutige Beschwerdegegner ist im vorinstanzlichen Klageverfahren als unverbeiständete Partei aufgetreten. Mit Beschluss vom 27./28. Oktober 1980 betreffend die Grundsätze für die Zusprechung von Parteientschädigungen hat das Gesamtgericht für solche Fälle u.a. festgelegt, dass für persönlichen Arbeitsaufwand und Umtriebe keine Parteientschädigung zu gewähren ist, dass aber hievon bei Vorliegen besonderer Verhältnisse ausnahmsweise abgewichen werden darf. Unabhängig davon, ob es sich bei einer nichtvertretenen Partei um einen Anwalt oder um einen juristischen Laien handelt, ist eine solche Ausnahmesituation anzunehmen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ gegeben sind:
BGE 110 V 132 S. 135
- dass es sich um eine komplizierte Sache mit hohem Streitwert handelt; - dass die Interessenwahrung einen hohen Arbeitsaufwand notwendig macht, der den Rahmen dessen überschreitet, was der einzelne üblicher- und zumutbarerweise nebenbei zur Besorgung der persönlichen Angelegenheiten auf sich zu nehmen hat; erforderlich ist somit ein Arbeitsaufwand, welcher die normale (z.B. erwerbliche) Betätigung während einiger Zeit erheblich beeinträchtigt; - dass zwischen dem betriebenen Aufwand und dem Ergebnis der Interessenwahrung ein vernünftiges Verhältnis besteht. Mit diesen Grundsätzen sind frühere Urteile vereinbar, wonach der in eigener Sache handelnde Anwalt grundsätzlich keine Parteientschädigung beanspruchen kann (unveröffentlichtes Urteil Bolli vom 4. Dezember 1964), ausser wenn spezielle Verhältnisse dies rechtfertigen (nicht publiziertes Urteil Zelger vom 11. November 1974). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass der Beschwerdegegner im vorinstanzlichen Verfahren bis zum Klagerückzug durch die Ausgleichskasse notwendigerweise eine sehr umfangreiche, fachmännische, mit vielen Beweismitteln versehene Rechtsschrift eingereicht hat, die nach seinen glaubhaften, auch vom kantonalen Gericht anerkannten Angaben 46 Stunden erforderte, was die Normalarbeitszeit einer ganzen Woche übersteigt. Ein juristischer Laie hätte hiefür bei den gegebenen Umständen einen Anwalt beiziehen müssen. Da es sich sodann um eine komplizierte Sache handelte, die für den Beschwerdegegner ausserdem von hoher finanzieller Bedeutung war, erscheint der Aufwand gerechtfertigt und auch vom erzielten Resultat her betrachtet als angemessen. Somit erweist es sich dem Grundsatze nach als richtig, dass dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung gewährt worden ist, obwohl er als Anwalt in eigener Sache auftrat. In diesem Sinne hat übrigens das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil Jörg vom 14. Juli 1982 (BGE 108 V 50) dem im Schadenersatzprozess nach Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
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1 | Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
2 | Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292 |
3 | Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294 |
4 | Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295 |
5 | In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. |
6 | Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen. |
e) Die grundsätzliche Zusprechung einer Parteientschädigung durch das Verwaltungsgericht ist auch im Hinblick auf den Prozessausgang (Erledigungserklärung zufolge Klagerückzuges durch die Ausgleichskasse) gerechtfertigt.
BGE 110 V 132 S. 136
5. (Der Einwand der Ausgleichskasse, der Beschwerdegegner habe den Prozess und damit die entsprechenden Kosten unnötigerweise selber verursacht, ist nicht stichhaltig.)
6. Die Höhe der vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Parteientschädigung (Fr. 5'000.--), welche nach kantonalem Recht bestimmt wird, gibt unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots zu keiner Beanstandung Anlass.
7. Was die Frage einer Parteientschädigung für das Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht (Art. 159
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 85 |
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
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1 | Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
2 | Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292 |
3 | Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294 |
4 | Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295 |
5 | In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. |
6 | Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Die Gerichtskosten werden der Ausgleichskasse des Kantons Luzern auferlegt. III. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.