109 IV 63
18. Urteil der Anklagekammer vom 3. Mai 1983 i.S. C. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft
Regeste (de):
- Verjährung von Entschädigungsansprüchen gemäss Art. 122
BStP. Die absolute Verjährung von Entschädigungsforderungen für die ausgestandene Untersuchungshaft und damit verbundene Nachteile im Sinne von Art. 122
BStP tritt 10 Jahre nach Entlassung aus der Untersuchungshaft ein.
Regeste (fr):
- Prescription de la demande d'indemnité au sens de l'art. 122 PPF.
- La prescription absolue du droit à l'indemnité pour préjudice résultant de la détention préventive, au sens de l'art. 122 PPF, est acquise 10 ans après la relaxe.
Regesto (it):
- Prescrizione del diritto ad un'indennità ai sensi dell'art. 122 PP.
- La prescrizione assoluta del diritto ad un'indennità per il pregiudizio risultante dal carcere preventivo, ai sensi dell'art. 122 PP, interviene trascorsi 10 anni dalla scarcerazione.
BGE 109 IV 63 S. 63
A.- Am 24. Mai 1972 wurde C. aufgrund eines Haftbefehls des Bundesanwalts u.a. wegen Verdachts des Herstellens, Verbergens und Weiterschaffens von Sprengstoffen (Art. 226
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 226 - 1 Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.304 |
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1 | Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.304 |
2 | Wer Sprengstoffe, giftige Gase oder Stoffe, die zu deren Herstellung geeignet sind, sich verschafft, einem andern übergibt, von einem andern übernimmt, aufbewahrt, verbirgt oder weiterschafft, wird, wenn er weiss oder annehmen muss, dass sie zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.305 |
3 | Wer jemandem, der, wie er weiss oder annehmen muss, einen verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen oder giftigen Gasen plant, zu deren Herstellung Anleitung gibt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.306 |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 226 - 1 Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.304 |
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1 | Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.304 |
2 | Wer Sprengstoffe, giftige Gase oder Stoffe, die zu deren Herstellung geeignet sind, sich verschafft, einem andern übergibt, von einem andern übernimmt, aufbewahrt, verbirgt oder weiterschafft, wird, wenn er weiss oder annehmen muss, dass sie zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.305 |
3 | Wer jemandem, der, wie er weiss oder annehmen muss, einen verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen oder giftigen Gasen plant, zu deren Herstellung Anleitung gibt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.306 |
B.- Mit Eingabe vom 14. April 1983 ersucht C. für die Untersuchungshaft und damit verbundene weitere Nachteile ("politischer, beruflicher, moralischer und finanzieller Schaden") um Ausrichtung einer Entschädigung in der Höhe von Fr. 10'000.--.
C.- In ihrer Vernehmlassung vom 27. April 1983 beantragt die Bundesanwaltschaft, das Begehren sei abzuweisen, da der Anspruch auf Entschädigung verjährt sei.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. Art. 122
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BGE 109 IV 63 S. 64
nichts. Das Institut der Verjährung wird indessen aufgrund eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch dann anerkannt, wenn eine ausdrückliche Bestimmung darüber fehlt (BGE 108 Ib 151 E. 4a mit Verweisungen); dies gilt sowohl für Forderungen des Gemeinwesens an den Bürger wie auch für solche des Bürgers an das Gemeinwesen (BGE 97 I 626 E. 6a).
Sofern im massgeblichen Erlass Vorschriften über Beginn und Dauer der Verjährung sowohl für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch als auch für vergleichbare Forderungen fehlen, sind die gesetzlichen Fristenregelungen anderer Erlasse für verwandte Ansprüche heranzuziehen (BGE 108 Ib 151 E. 4a).
2. Als Erlass, der vergleichbare Entschädigungsansprüche regelt und überdies Bestimmungen zur Verjährung aufweist, bietet sich hier das Verantwortlichkeitsgesetz an, das in Art. 20 für Begehren auf Schadenersatz und Genugtuung eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren seit dem Tage der schädigenden Handlung vorsieht. Diese Regelung entspricht im übrigen derjenigen in Art. 60 Abs. 1
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35 |
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1 | Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35 |
1bis | Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36 |
2 | Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37 |
3 | Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist. |
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3. Im vorliegenden Fall verlangt der Gesuchsteller eine Entschädigung für die ausgestandene Untersuchungshaft und damit verbundene Nachteile. Ausgehend davon, dass die Untersuchungshaft als Schadensursache anzusehen ist, rechtfertigt es sich, die absolute Verjährung mit dem Tag der Haftentlassung beginnen zu lassen. In concreto wurde C. am 6. Juli 1972 aus der Untersuchungshaft entlassen. Die 10jährige Verjährungsfrist lief deshalb am 7. Juli 1982 ab. Im Zeitpunkt des Entschädigungsbegehrens vom 14. April 1983 war die Forderung demnach verjährt.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch um Ausrichtung einer Entschädigung gemäss Art. 122
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