Urteilskopf

109 IV 63

18. Urteil der Anklagekammer vom 3. Mai 1983 i.S. C. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


BGE 109 IV 63 S. 63

A.- Am 24. Mai 1972 wurde C. aufgrund eines Haftbefehls des Bundesanwalts u.a. wegen Verdachts des Herstellens, Verbergens und Weiterschaffens von Sprengstoffen (Art. 226
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 226 - 1 Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.287
1    Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.287
2    Wer Sprengstoffe, giftige Gase oder Stoffe, die zu deren Herstellung geeignet sind, sich verschafft, einem andern übergibt, von einem andern übernimmt, aufbewahrt, verbirgt oder weiterschafft, wird, wenn er weiss oder annehmen muss, dass sie zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.288
3    Wer jemandem, der, wie er weiss oder annehmen muss, einen verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen oder giftigen Gasen plant, zu deren Herstellung Anleitung gibt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.289
StGB) in Untersuchungshaft gesetzt. Da ihm eine strafbare Handlung nicht nachgewiesen werden konnte, wurde er am 6. Juli 1972 aus der Haft entlassen und das Verfahren wegen Verletzung von Art. 226
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 226 - 1 Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.287
1    Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.287
2    Wer Sprengstoffe, giftige Gase oder Stoffe, die zu deren Herstellung geeignet sind, sich verschafft, einem andern übergibt, von einem andern übernimmt, aufbewahrt, verbirgt oder weiterschafft, wird, wenn er weiss oder annehmen muss, dass sie zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.288
3    Wer jemandem, der, wie er weiss oder annehmen muss, einen verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen oder giftigen Gasen plant, zu deren Herstellung Anleitung gibt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.289
StGB eingestellt. Bezüglich anderer Verdachtspunkte, deren Verfolgung und Beurteilung an die Behörden des Kantons Zürich delegiert wurden, erliess die Bezirksanwaltschaft Zürich am 22. November 1982 wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eine Einstellungsverfügung.
B.- Mit Eingabe vom 14. April 1983 ersucht C. für die Untersuchungshaft und damit verbundene weitere Nachteile ("politischer, beruflicher, moralischer und finanzieller Schaden") um Ausrichtung einer Entschädigung in der Höhe von Fr. 10'000.--.
C.- In ihrer Vernehmlassung vom 27. April 1983 beantragt die Bundesanwaltschaft, das Begehren sei abzuweisen, da der Anspruch auf Entschädigung verjährt sei.
Erwägungen

Die Anklagekammer zieht in Erwägung:

1. Art. 122 BStP sieht vor, dass dem Beschuldigten, gegen den die Untersuchung eingestellt wird, auf dessen Begehren eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und für andere Nachteile, die er erlitten hat, auszurichten ist. Zur Frage der Verjährung dieser Entschädigungsansprüche enthält die genannte Gesetzesbestimmung
BGE 109 IV 63 S. 64

nichts. Das Institut der Verjährung wird indessen aufgrund eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch dann anerkannt, wenn eine ausdrückliche Bestimmung darüber fehlt (BGE 108 Ib 151 E. 4a mit Verweisungen); dies gilt sowohl für Forderungen des Gemeinwesens an den Bürger wie auch für solche des Bürgers an das Gemeinwesen (BGE 97 I 626 E. 6a).
Sofern im massgeblichen Erlass Vorschriften über Beginn und Dauer der Verjährung sowohl für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch als auch für vergleichbare Forderungen fehlen, sind die gesetzlichen Fristenregelungen anderer Erlasse für verwandte Ansprüche heranzuziehen (BGE 108 Ib 151 E. 4a).
2. Als Erlass, der vergleichbare Entschädigungsansprüche regelt und überdies Bestimmungen zur Verjährung aufweist, bietet sich hier das Verantwortlichkeitsgesetz an, das in Art. 20 für Begehren auf Schadenersatz und Genugtuung eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren seit dem Tage der schädigenden Handlung vorsieht. Diese Regelung entspricht im übrigen derjenigen in Art. 60 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1    Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1bis    Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36
2    Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37
3    Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist.
OR. Gründe, welche gegen die analoge Heranziehung der Verjährungsvorschriften in Art. 20 Verantwortlichkeitsgesetz sprächen, liegen nicht vor; vielmehr trägt die Dauer der absoluten Verjährungsfrist von 10 Jahren für Entschädigungsforderungen aus Art. 122 BStP sowohl den Interessen des Beschuldigten nach einer nicht zu kurz bemessenen Frist als auch den öffentlichen Interessen an der Wahrung der Rechtssicherheit Rechnung.
3. Im vorliegenden Fall verlangt der Gesuchsteller eine Entschädigung für die ausgestandene Untersuchungshaft und damit verbundene Nachteile. Ausgehend davon, dass die Untersuchungshaft als Schadensursache anzusehen ist, rechtfertigt es sich, die absolute Verjährung mit dem Tag der Haftentlassung beginnen zu lassen. In concreto wurde C. am 6. Juli 1972 aus der Untersuchungshaft entlassen. Die 10jährige Verjährungsfrist lief deshalb am 7. Juli 1982 ab. Im Zeitpunkt des Entschädigungsbegehrens vom 14. April 1983 war die Forderung demnach verjährt.
Dispositiv

Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch um Ausrichtung einer Entschädigung gemäss Art. 122 BStP wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 109 IV 63
Datum : 03. Mai 1983
Publiziert : 31. Dezember 1983
Quelle : Bundesgericht
Status : 109 IV 63
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Verjährung von Entschädigungsansprüchen gemäss Art. 122 BStP. Die absolute Verjährung von Entschädigungsforderungen für die


Gesetzesregister
BStP: 122
OR: 60
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1    Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1bis    Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36
2    Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37
3    Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist.
StGB: 226
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 226 - 1 Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.287
1    Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.287
2    Wer Sprengstoffe, giftige Gase oder Stoffe, die zu deren Herstellung geeignet sind, sich verschafft, einem andern übergibt, von einem andern übernimmt, aufbewahrt, verbirgt oder weiterschafft, wird, wenn er weiss oder annehmen muss, dass sie zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.288
3    Wer jemandem, der, wie er weiss oder annehmen muss, einen verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen oder giftigen Gasen plant, zu deren Herstellung Anleitung gibt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.289
BGE Register
108-IB-150 • 109-IV-63 • 97-I-624
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
untersuchungshaft • anklagekammer • schaden • beschuldigter • tag • verantwortlichkeitsgesetz • dauer • beginn • herstellen von sprengstoffen • gesuch an eine behörde • verdacht • delegierter • frist • gesuchsteller • rechtssicherheit • genugtuung • frage • haftbefehl • strafbare handlung • schadenersatz