109 II 375
79. Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Dezember 1983 i.S. Christ gegen Mills (Berufung)
Regeste (de):
- Klage auf Abänderung eines amerikanischen Urteils betreffend Kinderzuteilung als Nebenfolge der Scheidung der Eltern; örtliche Zuständigkeit.
- Eine solche Klage fällt in den Anwendungsbereich des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA): Der angerufene schweizerische Richter hat sie deshalb ohne weiteres an die Hand zu nehmen, wobei er vorab freilich zu prüfen hat, ob das minderjährige Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von Art. 1
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen
MSA Art. 1 - Die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Artikel 3, 4 und 5 Absatz 3 dieses Übereinkommens, zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen zu treffen.
Regeste (fr):
- Action en modification d'un jugement américain concernant l'attribution des enfants à la suite du divorce des parents; compétence ratione loci.
- Une telle action rentre dans le champ d'application de la Convention concernant la compétence des autorités et la loi applicable en matière de protection des mineurs; le juge suisse devant lequel est portée l'action doit dès lors sans autre s'en saisir, avec toutefois l'obligation d'examiner avant toute chose si le mineur a sa résidence habituelle en Suisse au sens de l'art. 1er de la Convention.
Regesto (it):
- Azione volta alla modifica di una sentenza americana concernente l'attribuzione dei figli a seguito del divorzio dei genitori; competenza per territorio.
- Tale azione rientra nell'ambito d'applicazione della Convenzione concernente la competenza delle autorità e la legge applicabile in materia di protezione dei minorenni: il giudice svizzero adito deve pertanto darle senz'altro seguito, ma è tenuto ad esaminare previamente se il minorenne abbia la propria dimora abituale, ai sensi dell'art. 1 della Convenzione, in Svizzera.
Sachverhalt ab Seite 376
BGE 109 II 375 S. 376
Mit Urteil vom 1. August 1978 wurden Paul R. und Jane S. Mills, damals beide Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika, durch das Obergericht des DeKalb County in Georgia geschieden. In einem besonderen Verfahren wurden am 9. Januar 1979 die drei aus der Ehe hervorgegangenen Kinder dem Vater zur Pflege und Erziehung zugesprochen. Eine Abänderungsklage der Mutter wurde vom Bezirksgericht Tuscaloosa County in Alabama (USA) am 28. April 1980 abgewiesen. Zufolge einer neuen Ehe nahm Jane Mills den Namen Christ an und wurde schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin. Nachdem die am 25. Januar 1967 geborene Tochter Heidi Marie zu ihr nach Liestal gezogen war, reichte sie mit Eingabe vom 18. Februar 1981 beim dortigen Bezirksgericht Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils ein. Sie stellte dabei folgendes Rechtsbegehren: "Es sei in Aufhebung des Urteils des Bezirksgerichts Tuscaloosa im Staate Alabama/U.S.A. vom 28. April 1980 das Scheidungsurteil des Obergerichts von DeKalb County im Staate Georgia/U.S.A. vom 1. August 1978 bzw. das Urteil betreffend Kinderzuteilung vom 9. Januar 1979 in dem Sinne abzuändern, dass das Kind Heidi Marie Mills, geboren am 25. Januar 1967, der Klägerin und Mutter zur Pflege und Erziehung zuzuweisen und bis zur Volljährigkeit unter deren elterliche Gewalt zu stellen ist." In seinem Urteil vom 4. November 1982 lehnte es das Bezirksgericht Liestal ab, auf die Abänderungsklage einzutreten, da es an der örtlichen Zuständigkeit fehle. Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft bestätigte diesen Entscheid am 7. Juni 1983. Gegen das obergerichtliche Urteil hat die Klägerin Berufung an das Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und auf die Abänderungsklage einzutreten. Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Streitig ist die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Beurteilung einer Klage auf Abänderung eines Scheidungsurteils, das gegenüber amerikanischen Staatsbürgern von einem amerikanischen Gericht ausgesprochen worden und nach erfolgtem Wohnsitzwechsel der einen Partei von einem weiteren amerikanischen Gericht bestätigt worden ist. Diese Frage stellt sich im Rahmen einer nichtvermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeit
BGE 109 II 375 S. 377
im Sinne von Art. 44
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 1 - Die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Artikel 3, 4 und 5 Absatz 3 dieses Übereinkommens, zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. |
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 1 - Die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Artikel 3, 4 und 5 Absatz 3 dieses Übereinkommens, zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. |
2. Das Obergericht hat die Klage nicht an die Hand genommen, weil sie nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA; SR 0.211.231.01) falle. Die örtliche Zuständigkeit sei nach den Kriterien des schweizerischen internationalen Privatrechts zu beurteilen, das davon ausgehe, dass Klagen auf Abänderung eines ausländischen Scheidungsurteils grundsätzlich am Wohnsitz des Beklagten einzureichen seien; es sei für die Klägerin durchaus möglich, die Klage am Wohnsitz des Beklagten in Tuscaloosa/Alabama einzuleiten. Ob die Tochter der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von Art. 1
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 1 - Die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Artikel 3, 4 und 5 Absatz 3 dieses Übereinkommens, zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. |
3. Nach seiner Präambel soll das MSA "gemeinsame Bestimmungen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen" festlegen. Mit den staatsvertraglichen Zuständigkeitsregeln sollen positive und negative Kompetenzkonflikte im internationalen Bereich vermieden und gleichzeitig die Anerkennung und Durchsetzung von Massnahmen zum Schutze von Minderjährigen in den Vertragsstaaten gefördert werden. Dabei soll auch die internationale Zusammenarbeit der mit Minderjährigenschutz befassten Behörden vertieft werden. Erst dadurch lässt sich auch im internationalen Bereich ein kontinuierlicher Rechtsschutz für den Minderjährigen verwirklichen. Indem für die örtliche Zuständigkeit und das anwendbare Recht der Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Minderjährigen als massgebend erklärt wurde (vgl. Art. 1
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 1 - Die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Artikel 3, 4 und 5 Absatz 3 dieses Übereinkommens, zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. |
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 2 - Die nach Artikel 1 zuständigen Behörden treffen die in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Massnahmen. |
BGE 109 II 375 S. 378
sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nur sehr allgemein umschrieben. Gegenstand des Übereinkommens sind nach dem Wortlaut von Art. 1 die "Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen". Damit wurde der Vielfalt in Betracht fallender Massnahmen und der unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltung durch die verschiedenen nationalen Gesetzgeber Rechnung getragen (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 4. März 1966 zum MSA, BBl 1966 I S. 352).
4. a) Was die zu beurteilende Frage betrifft, ob die Zuteilung eines Kindes geschiedener Eltern vom MSA erfasst wird, ist vorab darauf hinzuweisen, dass der Bundesrat in seiner Botschaft vom 10. November 1982 zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht im Zusammenhang mit Art. 7
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 7 - Die Massnahmen, welche die nach den vorstehenden Bestimmungen dieses Übereinkommens zuständigen Behörden getroffen haben, werden in allen Vertragsstaaten anerkannt. Erfordern diese Massnahmen jedoch Vollstreckungshandlungen in einem anderen Staate als im Staat, in dem sie getroffen worden sind, so bestimmen sich ihre Anerkennung und Vollstreckung entweder nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, in dem die Vollstreckung beantragt wird, oder nach internationalen Übereinkünften. |
BGE 109 II 375 S. 379
geht, für das Kind eine bessere Lösung zu finden und damit eine weniger befriedigende auszuschalten. Sodann kann nichts darauf ankommen, dass im Bereiche des internen Rechts eines Vertragsstaates die Grenzziehung zwischen der Zu- und Umteilung der elterlichen Gewalt im Zusammenhang mit einer Scheidung einerseits und den Kindesschutzmassnahmen andererseits allenfalls anders verläuft als diejenige, die sich aufgrund des MSA ergibt. Die Kompetenzen verschiedener Behörden können sich im übrigen auch dort überschneiden, wo allein schweizerisches Recht anzuwenden ist. So ist das Bundesgericht in seiner jüngsten Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Umteilung der elterlichen Gewalt über ein Kind geschiedener Eltern wenigstens dann zu einer konkurrierenden Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde mit derjenigen des Richters führen kann, wenn der bisherige Inhaber der elterlichen Gewalt verstorben und die Frage der Übertragung auf den überlebenden Ehegatten zu entscheiden ist (BGE 108 II 375 ff.). b) Der Beklagte glaubt, aus Art. 15
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 15 - Jeder Vertragsstaat, dessen Behörden dazu berufen sind, über eine Klage auf Nichtigerklärung, Auflösung oder Lockerung des zwischen den Eltern eines Minderjährigen bestehenden Ehebandes zu entscheiden, kann die Zuständigkeit dieser Behörden für Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen vorbehalten. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 133 - 1 Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es: |
|
1 | Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es: |
1 | die elterliche Sorge; |
2 | die Obhut; |
3 | den persönlichen Verkehr (Art. 273) oder die Betreuungsanteile; und |
4 | den Unterhaltsbeitrag. |
2 | Es beachtet alle für das Kindeswohl wichtigen Umstände. Es berücksichtigt einen gemeinsamen Antrag der Eltern und, soweit tunlich, die Meinung des Kindes. |
3 | Es kann den Unterhaltsbeitrag über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus festlegen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 133 - 1 Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es: |
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1 | Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es: |
1 | die elterliche Sorge; |
2 | die Obhut; |
3 | den persönlichen Verkehr (Art. 273) oder die Betreuungsanteile; und |
4 | den Unterhaltsbeitrag. |
2 | Es beachtet alle für das Kindeswohl wichtigen Umstände. Es berücksichtigt einen gemeinsamen Antrag der Eltern und, soweit tunlich, die Meinung des Kindes. |
3 | Es kann den Unterhaltsbeitrag über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus festlegen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 133 - 1 Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es: |
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1 | Das Gericht regelt die Elternrechte und -pflichten nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Insbesondere regelt es: |
1 | die elterliche Sorge; |
2 | die Obhut; |
3 | den persönlichen Verkehr (Art. 273) oder die Betreuungsanteile; und |
4 | den Unterhaltsbeitrag. |
2 | Es beachtet alle für das Kindeswohl wichtigen Umstände. Es berücksichtigt einen gemeinsamen Antrag der Eltern und, soweit tunlich, die Meinung des Kindes. |
3 | Es kann den Unterhaltsbeitrag über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus festlegen. |
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 15 - Jeder Vertragsstaat, dessen Behörden dazu berufen sind, über eine Klage auf Nichtigerklärung, Auflösung oder Lockerung des zwischen den Eltern eines Minderjährigen bestehenden Ehebandes zu entscheiden, kann die Zuständigkeit dieser Behörden für Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen vorbehalten. |
BGE 109 II 375 S. 380
MSA (BBl 1966 I S. 349 ff.) erläuterte der Bundesrat Art. 15 jedoch dann nicht in dem Sinne, dass die Anordnungen des Scheidungsrichters bezüglich Minderjähriger ganz allgemein vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen bleiben sollen. Vielmehr wurde zu Art. 15 Abs. 2
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 15 - Jeder Vertragsstaat, dessen Behörden dazu berufen sind, über eine Klage auf Nichtigerklärung, Auflösung oder Lockerung des zwischen den Eltern eines Minderjährigen bestehenden Ehebandes zu entscheiden, kann die Zuständigkeit dieser Behörden für Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen vorbehalten. |
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 15 - Jeder Vertragsstaat, dessen Behörden dazu berufen sind, über eine Klage auf Nichtigerklärung, Auflösung oder Lockerung des zwischen den Eltern eines Minderjährigen bestehenden Ehebandes zu entscheiden, kann die Zuständigkeit dieser Behörden für Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen vorbehalten. |
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 15 - Jeder Vertragsstaat, dessen Behörden dazu berufen sind, über eine Klage auf Nichtigerklärung, Auflösung oder Lockerung des zwischen den Eltern eines Minderjährigen bestehenden Ehebandes zu entscheiden, kann die Zuständigkeit dieser Behörden für Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen vorbehalten. |
5. a) Die Anwendbarkeit des MSA und die Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen schweizerischen Richters können nach dem Gesagten nur dann verneint werden, wenn die Tochter der Parteien im Zeitpunkt der Klageeinleitung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von Art. 1
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 1 - Die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Artikel 3, 4 und 5 Absatz 3 dieses Übereinkommens, zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. |
BGE 109 II 375 S. 381
als gegeben betrachtet werden darf. Es sei in diesem Zusammenhang auf das Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung hingewiesen (BBl 1983 I S. 139 ff.), das für die Schweiz am 1. Januar 1984 in Kraft treten wird (vgl. AS 1983, S. 1711) und aus dessen Art. 3 zu schliessen ist, dass das widerrechtliche Vorenthalten eines Kindes gegenüber dem Inhaber der elterlichen Gewalt als eine Form von Kindesentführung betrachtet wird. Ferner ist zu berücksichtigen, dass verschiedene Vertragsstaaten des MSA sich auch dem Europäischen Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts (vgl. BBl 1983 I S. 127 ff.) angeschlossen haben (vgl. AS 1983, S. 1692) und dass es auch unter diesem Gesichtspunkt gilt, Konventionskonflikte zu vermeiden. Wie bei den erwähnten Übereinkommen geht es beim MSA darum, Massnahmen, die in einem anderen Staat getroffen wurden, anzuerkennen und durchzusetzen. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass der erhöhte Schutz für die im Heimatstaat erlassenen Massnahmen (Art. 5 Abs. 3
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 5 - Bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes eines Minderjährigen aus einem Vertragsstaat in einen anderen bleiben die von den Behörden des Staates des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes getroffenen Massnahmen so lange in Kraft, bis die Behörden des neuen gewöhnlichen Aufenthaltes sie aufheben oder ersetzen. |
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 13 - Dieses Übereinkommen ist auf alle Minderjährigen anzuwenden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten haben. |
IR 0.211.231.01 Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen MSA Art. 1 - Die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Artikel 3, 4 und 5 Absatz 3 dieses Übereinkommens, zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. |
BGE 109 II 375 S. 382
Abänderungsklage, für die der schweizerische Richter gestützt auf das MSA zuständig ist, bleibt so genügend Raum, den Gesichtspunkt der Kindesentführung, deren nähere Umstände im konkreten Fall aufgrund eines Beweisverfahrens festzustellen sind, gebührend zu berücksichtigen. Das Eintreten auf die von der Klägerin beim Bezirksgericht Liestal eingereichte Klage bedeutet keineswegs, der Umstand bleibe ausser acht, dass amerikanische Gerichte im Zusammenhang mit der Scheidung der Parteien die Tochter Heidi Marie dem Vater zur Pflege und Erziehung zugesprochen und eine spätere Abänderungsklage seitens der Mutter abgewiesen haben. Sind die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Urteile in der Schweiz erfüllt, kann dies dazu führen, dass eine Umteilung der elterlichen Gewalt vom Beklagten auf die Klägerin als nicht angezeigt erscheint. In diesem Sinne ist auch KROPHOLLER (a.a.O., N. 641 zu den Vorbemerkungen zu Art. 18 EGBGB) zu verstehen, auf den sich die Vorinstanz beruft. Entgegen der Annahme des Obergerichts zieht dieser Autor jedoch nicht auch den Schluss, dass, sollte sich bei materieller Prüfung der Kindesschutzmassnahme herausstellen, dass sich eine solche Massnahme im Aufenthaltsstaat nicht aufdrängt, auf das entsprechende Begehren gar nicht erst einzutreten sei. c) Im vorliegenden Fall fällt in Betracht, dass das Verfahren vor dem Bezirksgericht fast zwei Jahre gedauert hat. Es ist deshalb nicht von vornherein auszuschliessen, dass eine allenfalls eingetretene Veränderung der massgeblichen Verhältnisse eine Abänderung des Scheidungsurteils aus der Sicht des Kindeswohls als zwingend erforderlich erscheinen lässt, auch wenn dies gestützt auf die bisherige Aktenlage kaum als sehr wahrscheinlich angesehen werden kann. Abschliessend wird darüber jedoch erst nach durchgeführtem Beweisverfahren zu entscheiden sein. Was dabei die Frage der Einvernahme der Tochter der Parteien betrifft, so ist zu bemerken, dass die von der Klägerin ins Recht gelegten Briefe des Mädchens dessen Befragung nicht überflüssig zu machen vermögen.