109 Ia 325
55. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. Dezember 1983 i.S. Gemeinde Igis gegen Donatsch Söhne AG und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999
Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio.
- Tragweite des Gleichbehandlungsgebotes bei der Setzung kommunalen Rechts und bei dessen Überprüfung (E. 4). Für die Verlegung der Baukosten muss ein Verteilungsschlüssel gefunden werden, der als gerecht erscheint, ohne dass der tatsächliche wirtschaftliche Vorteil für das einzelne Grundstück noch konkret zu bemessen wäre (E. 5). Der Brandversicherungswert der Gebäude ist eine geeignete Grundlage; die Höhe des Beitragsansatzes muss nicht unbedingt von der Art des Gebäudes abhangen. Der Versicherungsneuwert basiert auf dem Kubikmeter-Wert der Gebäude. Dieser ist aber im Mittel für Wohnbauten und Hotels höher als für Industriebauten (E. 6).
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst. et autonomie communale. Répartition des frais de construction de canalisations et d'installations d'épuration des eaux.
- Portée du principe de l'égalité de traitement dans l'élaboration du droit communal et lors de son examen (consid. 4). Pour la répartition des frais de construction, une clé doit être trouvée qui apparaisse juste sans qu'il soit encore besoin de déterminer concrètement l'avantage économique effectivement retiré par chacun des biens-fonds (consid. 5). La valeur d'assurance-incendie des bâtiments constitue une base appropriée et le taux de la contribution ne doit pas nécessairement dépendre du genre du bâtiment. La valeur d'assurance à neuf se fonde en effet sur la valeur au mètre cube des immeubles: celle-ci est en effet plus élevée, en moyenne, pour les maisons d'habitation et les hôtels que pour les établissements industriels (consid. 6).
Regesto (it):
- Art. 4 Cost. e autonomia comunale. Ripartizione delle spese di costruzione di canalizzazioni e d'impianti di depurazione delle acque.
- Portata del precetto dell'uguaglianza di trattamento nell'elaborazione del diritto comunale e nel suo esame (consid. 4). Per la ripartizione delle spese di costruzione va trovata una chiave che appaia giusta, senza che occorra ancora determinare concretamente il vantaggio economico effettivo risultante per ognuno dei fondi (consid. 5). Il valore dell'assicurazione contro l'incendio degli edifici costituisce una base idonea e il tasso del contributo non deve necessariamente dipendere dal genere dell'edificio. L'assicurazione del valore a nuovo si fonda infatti sul valore al metro cubo, valore che è peraltro in media più elevato per le case d'abitazione e gli alberghi che per gli stabilimenti industriali (consid. 6).
Sachverhalt ab Seite 326
BGE 109 Ia 325 S. 326
Die Bündner Gemeinden Igis, Malans, Mastrils, Untervaz und Zizers haben sich zum Abwasserverband Landquart zusammengeschlossen mit dem Zweck, eine gemeinsame Abwasserreinigungsanlage (ARA) zu erstellen und zu betreiben. Der Kostenaufwand ist veranschlagt auf Fr. 20,4 Mio., wovon 6,15 Mio. für die Kanalisationen des Abwasserverbandes. Erneuerung und Ausbau des Kanalisationsnetzes der Gemeinde Igis werden nach dem Voranschlag Fr. 7 Mio. erfordern. Nach Abzug der Subventionen hat die Gemeinde Igis rund Fr. 12 Mio. aufzuwenden, wovon 11,5% für die ARA, 88,5% für die eigenen und verbandlichen Kanalisationen.
Diese Fr. 12 Mio. sollen wie folgt finanziert werden: Fr. 2 Mio. zulasten der Gemeinde, Fr. 7,5 Mio. durch sofort fällige Beiträge der Grundeigentümer, Fr. 1,5 Mio. durch später fällig werdende Beiträge der Grundeigentümer. Am 1. Juli 1979 stimmte die Gemeinde Igis einem neuen Gesetz über die Abwasseranlagen zu (AbwG). Dieses verpflichtet die Grundeigentümer in Art. 43, an die Baukosten der öffentlichen Abwasseranlagen einen einmaligen Beitrag zu leisten in Höhe von 25%o des Gebäudeneuwertes gemäss Schätzung der kantonalen Gebäudeversicherungsanstalt (GVA) für Neubauten und solche Gebäude, die bis anhin nicht an das öffentliche Kanalisationsnetz angeschlossen waren, und von 20%o dieses Wertes für Liegenschaften, für die bereits früher Beiträge entrichtet worden sind oder die vor dem Jahre 1959 an das Kanalisationsnetz angeschlossen wurden. Neben diesem einmaligen Beitrag haben die Grundeigentümer für die Deckung der laufenden Betriebskosten eine jährliche Benützungsgebühr zu bezahlen, deren Höhe sich nach dem Umfang des Wasserverbrauchs richtet (Art. 45). Die Donatsch Söhne AG, Stahl- und Metallbau, ist in der Gemeinde Igis Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses im "Ziegelgut" sowie eines grösseren Industrieareals in den "Riedlösern", auf welchem sich zwei Werkhallen, eine Lagerhalle, ein Büro- und ein Wohnungsanbau sowie Autounterstände befinden. Am 10. Februar 1980 stellte die Gemeinde Igis der Donatsch Söhne AG Beiträge an die Baukosten der öffentlichen Abwasseranlagen von
BGE 109 Ia 325 S. 327
insgesamt Fr. 90'473.- für die auf ihrem Gebiet gelegenen Gebäulichkeiten in Rechnung, wobei sie einen Ansatz von 20%o des Gebäudewertes anwandte. Gegen die Abweisung ihrer Einsprache durch die Gemeinde rekurrierte die Firma an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses hat den Rekurs am 2. Dezember 1980 teilweise gutgeheissen, die Beitragsverfügung aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Gemeinde zurückgewiesen. Die Gemeinde Igis führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie und des Art. 4
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Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4. Das in Art. 4
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BGE 109 Ia 325 S. 328
mit dem Gleichheitsgebot vereinbar sein kann (vgl. z.B. BGE 80 I 236, 105 Ia 39/40 und AUBERT, Traité Nr. 1795 S. 648 und Supplément 1967/82 S. 224). Diese Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers muss vom Bundesgericht - und vom kantonalen Richter - bei der Prüfung der Frage, ob eine kantonale oder kommunale Vorschrift mit Art. 4
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5. Mit Recht betrachtet das Verwaltungsgericht die strittige Kausalabgabe als Vorzugslast; es stellt auch zutreffend fest, dass sich diese grundsätzlich nach der Höhe der zu deckenden Kosten und nach dem wirtschaftlichen Vorteil bemisst, den der Einzelne aus der betreffenden öffentlichen Einrichtung zieht. Ferner nimmt das Verwaltungsgericht zu Recht an, dass zur Bewertung des Vorteils die Verwendung schematischer Kriterien zulässig ist, weil sich dessen exakte Schätzung oft als schwierig oder gar unmöglich erweist (BGE 98 Ia 174 E. 4b, BGE 94 I 278, BGE 93 I 114, analog für Kanalisationsanschlussgebühren BGE 106 Ia 244 E. 3b a.E.). Diese letzte Frage - auf die sich der vorliegende Rechtsstreit zuspitzt -
BGE 109 Ia 325 S. 329
bedarf näherer Betrachtung. Das Problem der Vorzugslasten liegt in Fällen wie dem vorliegenden in der richtigen Verteilung der Nettokosten des Werkes - nach Abzug der Subventionen - auf alle Grundstücke im Einzugsgebiet der öffentlichen Kanalisation. Ausgangspunkt für die Verteilung muss vernünftigerweise die Annahme sein, dass den Eigentümern von Grundstücken im Einzugsgebiet, die sofort oder später Beiträge zu leisten haben, insgesamt ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst, der grösser ist als der zu verteilende Kostenaufwand oder zumindest gleich gross. Diese Annahme ist realistisch, weil die Überbaubarkeit eines Grundstückes den Anschluss an eine Abwasserreinigungsanlage voraussetzt, wobei die Kosten ihren Ausgleich im Verkehrswert des Grundstückes finden. Daraus lässt sich folgern, dass ein Verteilungsschlüssel für den Kostenaufwand gefunden werden muss, der als gerecht erscheint, ohne dass der tatsächliche wirtschaftliche Vorteil für das einzelne Grundstück noch konkret zu bemessen wäre. Die Annahme, der so errechnete Betrag sei proportional zu dem dem Grundstück erwachsenen wirtschaftlichen Vorteil, ist genau besehen nur eine Präsumtion, die auf der Anwendung von Wahrscheinlichkeitsmassstäben für den tatsächlichen Vorteil beruht (Ersatz-, Hilfs- oder Ermittlungsmassstäbe), und nicht eine konkrete Bewertung aufgrund einer konkreten Bemessung des Vorteils (DIETER WILKE, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 117 f., 210 f. und die dort angeführte deutsche Rechtsprechung; KLAUS VALLENDER, Grundzüge des Kausalabgabenrechts, S. 115, 120/122 mit Hinweis auf BGE 93 I 114 /115; IMBODEN/RHINOW, Nr. 111, III, a VII).
6. Das Verwaltungsgericht vertritt die Meinung, der Neuwert der an die öffentliche Kanalisation angeschlossenen Bauten könne der Beitragsberechnung zugrundegelegt werden bei Wohnhäusern, in denen "normale" Abwassermengen entstehen; es findet aber, Art. 4
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BGE 109 Ia 325 S. 330
Dem kann nicht gefolgt werden. Wie zu zeigen ist, hat das Verwaltungsgericht in das dem Gesetzgeber im allgemeinen sowie dem kommunalen Gesetzgeber im besondern zustehende Ermessen eingegriffen und damit die Autonomie der Gemeinde verletzt. a) Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der Gebäudewert eine geeignete Grundlage bildet für die Vorteils-Präsumtion, von der oben die Rede war; dies allein schon deshalb, weil jedes Gebäude (von unbedeutenden Ausnahmen abgesehen) wegen des Gewässerschutzes an die Kanalisation und die ARA angeschlossen werden muss, unabhängig davon, in welchem Ausmass es diese Anlagen "beansprucht". Die Annahme ist daher nicht unvernünftig, der für das angeschlossene Gebäude erwachsende Vorteil stehe in einem bestimmten Verhältnis zu seinem Wert. Zu den Werten, die für den Gesetzgeber in Betracht fallen, gehört ohne Zweifel auch der bei der Brandversicherung geltende Neuwert. Er hat den Vorteil, dass er nach objektiven Kriterien in einem Verfahren bestimmt wurde, in welchem den Interessen der versicherten Hauseigentümer, nicht des Fiskus, Rechnung getragen wird; überdies ist er bereits vorhanden und braucht nicht erst in einem komplizierten und kostspieligen Bewertungsverfahren festgesetzt zu werden. Dass der Gebäudewert, namentlich der Brandversicherungswert, ein angemessener Massstab ist (sei es auch neben oder in Verbindung mit andern) für die Verlegung der Baukosten von Kanalisationen und Abwasserreinigungsanlagen, hat die Rechtsprechung stets anerkannt (vgl. Urteil vom 1. März 1967 Wert-Invest-Immobilien AG, publ. in BJM 1967, S. 143 f.; Urteil vom 21. Juni 1967 Zivy S.A. c. Oberwil; BGE 93 I 114 f., BGE 94 I 278, BGE 106 Ia 248) und zumindest teilweise auch die Lehre (vgl. R. KAPPELER, Die Festsetzung der Abwassergebühr, ZBl 69 (1968) S. 468 und N. 19 E. S. 493; Bericht über Grundeigentümerbeiträge und Gebühren an Erschliessungsanlagen, bearbeitet von R. STÜDELI, VLP Schriftenfolge Nr. 18, S. 71 N. 5e S. 61 f. Nr. 6). b) Dass die Höhe des Beitragsansatzes von der Art des Gebäudes abhangen müsse, lässt sich nicht aus Art. 4
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BGE 109 Ia 325 S. 331
(im Unterschied zur wiederkehrenden und anpassungsfähigen Benützungsgebühr) ist, unter Vorbehalt der Gebäudevergrösserung, einmalig und kann nicht einer Erhöhung des Wasserverbrauchs und damit des Abwasseranfalls angepasst werden (Urteil Zivy & Cie S.A. vom 21. Juni 1967, wiedergegeben im zitierten Bericht über die Eigentümerbeiträge, S. 61/62). Zum andern ist, jedenfalls in dem von der beschwerdeführenden Gemeinde angewandten technischen System, Abwasser auch Meteorwasser, das auf Dächer und gepflasterte Plätze fällt. Auch dieses Wasser muss in die Kanalisation geleitet werden, die so dimensioniert werden muss, dass sie auch grosse Niederschlagsmengen aufzunehmen vermag. Industriegebäude (namentlich Lagerschuppen) breiten sich oft über grosse Bodenflächen aus; hinzu kommen nicht selten grosse asphaltierte Flächen im Freien (Park-, Lagerplätze). Auch die Niederschläge auf diesen Flächen müssen der Kanalisation zugeführt werden. Gewiss ist Meteorwasser weniger verschmutzt als Abwasser aus Toiletten und Küchen, die in Wohnhäusern und insbesondere, wie das Verwaltungsgericht hervorhebt, in Hotels zahlreich sind. Dieses Argument wiegt indes nicht sehr schwer; wie die Gemeinde darlegt, entfallen 88,5% der zu verlegenden Kosten auf die eigentlichen kommunalen und verbandlichen Kanalisationen und nur 11,5% auf die ARA. Schliesslich trägt das Verwaltungsgericht dem Umstand nicht Rechnung, dass der Versicherungsneuwert auf dem Kubikmeter-Wert der Gebäude basiert. Dieser ist aber im Mittel für Wohnbauten und Hotels bedeutend höher als für Industriehallen und -schuppen. Das Vorhandensein sanitärer Installationen, elektrischer Haushaltgeräte usf., von denen nach der eigenen These des Verwaltungsgerichts das Abwasser herrührt, schlägt sich somit im Neuwert nieder und, wenn auch indirekt, im Beitrag. Der hohe Kubikmeter-Wert der Wohnbauten einerseits, die häufige Beanspruchung grosser Bodenflächen bei den Industriebetrieben anderseits zeigen, dass die fehlende Differenzierung des Beitrags entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht als Verletzung der Rechtsgleichheit zu betrachten ist.