109 Ia 103
21. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Oktober 1983 i.S. B. gegen Schweizerische Volksbank, Schweizerischer Bankverein und Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Die Regelung des Zivilprozessrechts des Kantons Graubünden, wonach gegen den Entscheid betreffend die Bewilligung des Rechtsvorschlags in der Wechselbetreibung die Revision nicht zulässig ist, verstösst nicht gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; poursuite pour effets de change; opposition déclarée recevable, revision.
- N'est pas contraire à l'art. 4 Cst. la règle du droit de procédure civile du canton des Grisons selon laquelle il n'est pas possible de demander la revision d'une décision déclarant recevable l'opposition faite dans une poursuite pour effets de change.
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; esecuzione cambiaria; decisione d'ammissibilità dell'opposizione, revisione.
- Non viola l'art. 4 Cost. la norma della procedura civile grigionese secondo cui non è consentito chiedere la revisione di una decisione che ha dichiarato inammissibile l'opposizione presentata in un'esecuzione cambiaria.
Sachverhalt ab Seite 104
BGE 109 Ia 103 S. 104
A.- B. wurde von der Schweizerischen Volksbank und dem Schweizerischen Bankverein aufgrund zweier Wechsel im Betrag von Fr. 28'500.-- bzw. 22'500.-- betrieben (Wechselbetreibungen Nrn. 6/82 und 132/82 des Betreibungsamtes Fünf Dörfer). Mit Entscheiden vom 27. Januar 1982 verweigerte das Kreisamt Fünf Dörfer die Bewilligung des von ihm erhobenen Wechselrechtsvorschlags. Die gegen diese Entscheide erhobene Berufung wies der Bezirksgerichtsausschuss von Unterlandquart am 3. März 1982 ab. Am 7. Mai 1982 eröffnete der Kreispräsident Fünf Dörfer gestützt auf das Begehren der Schweizerischen Volksbank über den Wechselschuldner den Konkurs.
B.- Am 12. August 1982 ersuchte B. beim Bezirksgerichtsausschuss von Unterlandquart um Revision des Entscheids vom 3. März 1982. Er berief sich auf ein Gutachten des Erkennungsdienstes der Kantonspolizei St. Gallen vom 16. Juni 1982, gemäss welchem keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er die beiden Wechsel mit seiner Unterschrift akzeptiert habe; die Unterschriften müssten vielmehr gefälscht sein. Mit Urteil vom 6. Oktober 1982 trat der Bezirksgerichtsausschuss auf das Revisionsbegehren nicht ein, mit der Begründung, gemäss Art. 153 Ziff. 6
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 153 Beweiserhebung von Amtes wegen - 1 Das Gericht erhebt von Amtes wegen Beweis, wenn der Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ist. |
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1 | Das Gericht erhebt von Amtes wegen Beweis, wenn der Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ist. |
2 | Es kann von Amtes wegen Beweis erheben, wenn an der Richtigkeit einer nicht streitigen Tatsache erhebliche Zweifel bestehen. |
C.- Gegen den Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses hat B. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, ein Anspruch auf Revision bestehe unabhängig vom kantonalen Prozessrecht gestützt auf Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 109 Ia 103 S. 105
Revisionsbegehren eine Rechtsverweigerung darstelle. Eine solche sei bei einem Nichteintreten auf ein Revisionsbegehren immer dann anzunehmen, wenn als Revisionsgründe strafbare Handlungen oder neue Tatsachen geltend gemacht würden und bei einer Verweigerung der Revision dem Gesuchsteller ein nicht wiedergutzumachender Nachteil entstehe. Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer Opfer eines Verbrechens geworden, indem über ihn aufgrund gefälschter Wechsel der Konkurs eröffnet worden sei. Wohl hätte der Konkurs durch Bezahlung der Wechselsumme abgewendet und alsdann gestützt auf Art. 187
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 187 - Wer infolge der Unterlassung oder Nichtbewilligung eines Rechtsvorschlags eine Nichtschuld bezahlt hat, kann das Rückforderungsrecht nach Massgabe des Artikels 86 ausüben. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
2. Der Beschwerdeführer beruft sich zur Stützung seiner Auffassung auf IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Bd. I, S. 264/265, Ziff. III. Die bundesgerichtlichen Urteile, auf die diese Autoren ihrerseits verweisen, beziehen sich indessen ausschliesslich auf Verwaltungssachen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts in Bundessteuersachen ist die Revision einer Steuerveranlagung auch ohne eine entsprechende Gesetzesvorschrift zulässig, wenn die Veranlagung unter Verletzung wesentlicher prozessualer Vorschriften zustande gekommen ist, wenn Tatsachen, die den Akten hätten entnommen werden können, unberücksichtigt geblieben sind oder wenn der Steuerpflichtige Tatsachen oder Beweismittel vorbringt, deren Geltendmachung ihm im früheren Verfahren nicht möglich war (BGE 105 Ib 251, BGE 103 Ib 88, BGE 98 Ia 572 /573, mit Hinweisen). In Anlehnung an diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht auch die Revision kantonaler Steuerveranlagungen ohne gesetzliche Grundlage als zulässig erachtet, ohne jedoch abschliessend festzulegen, unter welchen minimalen Voraussetzungen der Steuerpflichtige gestützt auf Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 109 Ia 103 S. 106
von Verwaltungsverfügungen nicht die gleichen Grundsätze gelten wie für diejenige von Zivilurteilen. Dazu kommt, dass die Kantone in ihren Zivilprozessordnungen anders als in ihrer Verwaltungsgesetzgebung, die diesbezüglich oft lückenhaft ist, das Institut der Revision eingehend geregelt haben, so dass nicht leichthin angenommen werden darf, es bestünden neben den Revisionsmöglichkeiten des kantonalen Prozessrechts noch solche, die sich unmittelbar aus Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 185 - Der Entscheid über die Bewilligung des Rechtsvorschlages kann innert fünf Tagen mit Beschwerde nach der ZPO363 angefochten werden. |
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 25 |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
3. Es ist dem Beschwerdeführer freilich zuzugeben, dass die Rückforderungsklage gemäss Art. 187
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 187 - Wer infolge der Unterlassung oder Nichtbewilligung eines Rechtsvorschlags eine Nichtschuld bezahlt hat, kann das Rückforderungsrecht nach Massgabe des Artikels 86 ausüben. |
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 182 - Das Gericht bewilligt den Rechtsvorschlag: |
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1 | wenn durch Urkunden bewiesen wird, dass die Schuld an den Inhaber des Wechsels oder Checks bezahlt oder durch denselben nachgelassen oder gestundet ist; |
2 | wenn Fälschung des Titels glaubhaft gemacht wird; |
3 | wenn eine aus dem Wechselrechte hervorgehende Einrede begründet erscheint; |
4 | wenn eine andere nach Artikel 1007 OR359 zulässige Einrede geltend gemacht wird, die glaubhaft erscheint; in diesem Falle muss jedoch die Forderungssumme in Geld oder Wertschriften hinterlegt oder eine gleichwertige Sicherheit geleistet werden. |
BGE 109 Ia 103 S. 107
Wechselschuld in Wirklichkeit möglicherweise nicht besteht. Indem der Bundesgesetzgeber in Art. 25 Ziff. 2
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 25 |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |