Urteilskopf

108 Ia 275

50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1982 i.S. Zbinden gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Obergericht (I. Strafkammer) des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 276

BGE 108 Ia 275 S. 276

Am 2. Juni 1980, ca. 17 Uhr, erhielten die Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates im Anschluss an eine kurze Sitzung einen Bericht der Sektion EMD über ihre Abklärungen zur Angelegenheit Bachmann/Schilling mit Beilage (Antworten des EMD auf 16 Fragen der GPK). Der Bericht sollte am darauffolgenden Tage in einer Sitzung der GPK beraten werden und war als "vertraulich" gekennzeichnet. Am späteren Nachmittag des 2. Juni 1980 erkundigte sich der Bundeshausredaktor der Tageszeitung "Blick", Jürg Zbinden, beim damaligen Mitglied der GPK, Nationalrat Georg Nef, nach Neuigkeiten im Fall Bachmann/Schilling, worauf dieser bemerkte, er sei im Besitz des diesbezüglichen Berichtes. Das Begehren Zbindens, ihm den Bericht auszuhändigen, lehnte Nef mit der Begründung ab, dass er diesen zuerst selber lesen müsse. Ungefähr zehn Minuten später traf Zbinden erneut auf Nationalrat Nef, der ihn dahin informierte, dass nichts Relevantes im Bericht stehe. Auf Anfrage Zbindens, ob er den Bericht zum Fotokopieren haben dürfe, um am darauffolgenden Tag in der Zeitung "Blick" einen Artikel darüber schreiben zu können, händigte Nationalrat Nef ihm Bericht und Beilage aus. Zbinden kopierte beide und gab sie kurz darauf an Nef zurück. Unter dem Titel "Oberst Bachmann sollte neuen Geheimdienst aufziehen" veröffentlichte Zbinden in der Nummer 126 des "Blick" vom 3. Juni 1980 Auszüge und teils auch wörtliche Passagen aus beiden Dokumenten. Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte Zbinden am 8. April 1982 in Bestätigung eines Urteils des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 2. Juli 1981 wegen der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Art. 293 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 293 - 1 Wer aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch einen gesetzmässigen Beschluss der Behörde als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt, wird mit Busse bestraft.405
1    Wer aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch einen gesetzmässigen Beschluss der Behörde als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt, wird mit Busse bestraft.405
2    Die Gehilfenschaft ist strafbar.
3    Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Veröffentlichung kein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse entgegengestanden hat.406
StGB) zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 750.--. Zbinden ficht dieses Urteil wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV und Art. 10
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
EMRK mit staatsrechtlicher Beschwerde an mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Gleichzeitig hat er eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde erhoben (zur Publikation bestimmtes Urteil vom 17. September 1982).
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Von Art. 10 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
EMRK ausgehend, demzufolge jedermann Anspruch auf freie Meinungsäusserung hat, anerkennt Zbinden, dass nach Ziffer 2 des genannten Artikels die in Ziffer 1 genannten Freiheiten bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen
BGE 108 Ia 275 S. 277

Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden können. Er macht jedoch geltend, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müssten Einschränkungen der Meinungsäusserungsfreiheit nicht nur restriktiv ausgelegt und im konkreten Fall notwendig sein, sondern sie müssten sich auch auf eine gesetzliche Grundlage stützen. Dazu gehöre, dass das Gesetz hinreichend zugänglich und mit solcher Präzision formuliert sei, dass der Bürger in die Lage versetzt werde, sein Verhalten danach zu richten. Art. 293
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 293 - 1 Wer aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch einen gesetzmässigen Beschluss der Behörde als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt, wird mit Busse bestraft.405
1    Wer aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch einen gesetzmässigen Beschluss der Behörde als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt, wird mit Busse bestraft.405
2    Die Gehilfenschaft ist strafbar.
3    Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Veröffentlichung kein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse entgegengestanden hat.406
StGB und Art. 22 des Geschäftsreglementes des Nationalrats (SR 171.13; GRN) genügten wohl dem ersten Erfordernis, sie entbehrten aber hinsichtlich des Begriffs "geheim" der geforderten Klarheit. a) Mit dieser Argumentation setzt der Beschwerdeführer als selbstverständlich voraus, dass das in Art. 22
SR 171.13 Geschäftsreglement des Nationalrates vom 3. Oktober 2003 (GRN)
GRN Art. 22 Zuweisung - 1 Neue Beratungsgegenstände werden in der Regel zu Beginn jeder Session einer Kommission zur Vorberatung zugewiesen.
1    Neue Beratungsgegenstände werden in der Regel zu Beginn jeder Session einer Kommission zur Vorberatung zugewiesen.
2    Hat der Beschluss eines Rates zur Folge, dass ein Beratungsgegenstand einer Kommission zugewiesen werden muss, so erfolgt die Zuweisung am Ende der Session.
3    Ein Bericht des Bundesrates kann der zuständigen Kommission zur direkten Erledigung zugewiesen werden. Die Kommission kann dem Büro beantragen, die Behandlung des Berichtes in das Sessionsprogramm aufzunehmen.
GRN statuierte "Sitzungsgeheimnis" für die Beratungen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates eine Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit im Sinne des Art. 10
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
EMRK sei und deswegen dem Erfordernis der gesetzlichen Grundlage in der angeführten Form genügen müsse. Diese Prämisse ist indessen nur richtig, wenn das durch Art. 10
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
EMRK gewährleistete Grundrecht seinem Inhalt nach so weit reicht, dass jenes Sitzungsgeheimnis als eine von aussen an dieses herangetragene Schranke erscheint und nicht dem Begriff der Meinungsäusserungsfreiheit inhärent ist. Im letzteren Fall hätte man es nicht mehr mit einer Einschränkung des Grundrechts gemäss Art. 10 Ziff. 2
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
EMRK zu tun, die nur unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen zulässig wäre. b) Nach dem Wortlaut des Art. 10 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
Satz 2 EMRK schliesst die Meinungsäusserungsfreiheit die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Wie das Bundesgericht unter Heranziehung der am 10. Dezember 1948 durch die Vereinten Nationen verkündeten "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte", der Entwicklungsgeschichte der EMRK und der herrschenden Lehre entschieden hat, schliesst die Freiheit, Nachrichten und Meinungen ohne Eingriffe der Behörden zu empfangen, das Recht ein, sich zu diesem Zwecke aus allgemein zugänglichen Quellen aktiv zu unterrichten (BGE 104 Ia 92 E. 4a, 378 E. 2; bestätigt in BGE BGE 107 Ia 236 E. 2 und BGE 105 Ia 182 E. 2a). Soweit damit die durch Art. 10
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
EMRK garantierte Meinungsäusserungsfreiheit das
BGE 108 Ia 275 S. 278

Recht auf aktive Erschliessung von Informationsquellen umfasst, ist dieses nach dem Gesagten schon seinem Gehalt nach kein unbegrenztes in dem Sinne, dass jedermann Anspruch darauf hätte, sich aus irgendwie zugänglichen Quellen aktiv zu informieren. Vielmehr ist es auf allgemein zugängliche Quellen beschränkt. Diese Schranke liegt im Begriff der Informationsfreiheit, wie sie durch Art. 10
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
EMRK gewährleistet wird, sie ist ihr inhärent und stellt deshalb keine Einschränkung im Sinne von Ziffer 2 dieses Artikels dar, die zu ihrer Gültigkeit einer zureichenden gesetzlichen Grundlage bedürfte.
c) Zur Entscheidung steht deshalb die Frage, ob die Verhandlungen der GPK des Nationalrates als allgemein zugängliche Informationsquelle zu gelten haben oder nicht. Die GPK des Nationalrates ist eine der ständigen Kommissionen dieses Rates, denen es obliegt, die Ratsgeschäfte vorzuberaten (Art. 11bis des Bundesgesetzes über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung usw./Geschäftsverkehrsgesetz; SR 171.11/GVG; Art. 15
SR 171.13 Geschäftsreglement des Nationalrates vom 3. Oktober 2003 (GRN)
GRN Art. 15 Verteilung der Sitze - 1 Folgende Sitze werden in sinngemässer Anwendung der Artikel 40 und 41 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 19769 über die politischen Rechte auf die Fraktionen verteilt:
1    Folgende Sitze werden in sinngemässer Anwendung der Artikel 40 und 41 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 19769 über die politischen Rechte auf die Fraktionen verteilt:
a  die Gesamtzahl der Sitze in den ständigen Kommissionen nach Artikel 10 Ziffern 1-11;
abis  die Sitze in einzelnen weiteren Kommissionen;
b  die dem Nationalrat zustehenden Sitze in einer Kommission der Vereinigten Bundesversammlung oder in einer gemeinsamen Kommission beider Räte;
c  die Präsidentensitze der ständigen Kommissionen.
2    ...12
3    Ein Ratsmitglied darf in der Regel gleichzeitig nicht mehr als zwei Kommissionen nach Artikel 10 angehören.13
GRN) und ihrem Rat Bericht zu erstatten und Antrag zu stellen (Art. 11ter
SR 171.13 Geschäftsreglement des Nationalrates vom 3. Oktober 2003 (GRN)
GRN Art. 15 Verteilung der Sitze - 1 Folgende Sitze werden in sinngemässer Anwendung der Artikel 40 und 41 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 19769 über die politischen Rechte auf die Fraktionen verteilt:
1    Folgende Sitze werden in sinngemässer Anwendung der Artikel 40 und 41 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 19769 über die politischen Rechte auf die Fraktionen verteilt:
a  die Gesamtzahl der Sitze in den ständigen Kommissionen nach Artikel 10 Ziffern 1-11;
abis  die Sitze in einzelnen weiteren Kommissionen;
b  die dem Nationalrat zustehenden Sitze in einer Kommission der Vereinigten Bundesversammlung oder in einer gemeinsamen Kommission beider Räte;
c  die Präsidentensitze der ständigen Kommissionen.
2    ...12
3    Ein Ratsmitglied darf in der Regel gleichzeitig nicht mehr als zwei Kommissionen nach Artikel 10 angehören.13
GVG; Art. 20
SR 171.13 Geschäftsreglement des Nationalrates vom 3. Oktober 2003 (GRN)
GRN Art. 20 Information der Öffentlichkeit - 1 Die Präsidentin oder der Präsident oder von der Kommission beauftragte Mitglieder unterrichten die Medien schriftlich oder mündlich über die wesentlichen Ergebnisse der Kommissionsberatungen.
1    Die Präsidentin oder der Präsident oder von der Kommission beauftragte Mitglieder unterrichten die Medien schriftlich oder mündlich über die wesentlichen Ergebnisse der Kommissionsberatungen.
2    Informiert wird in der Regel über die wesentlichen Beschlüsse mit dem Stimmenverhältnis sowie über die hauptsächlichen, in den Beratungen vertretenen Argumente.
3    Die Sitzungsteilnehmerinnen und Sitzungsteilnehmer greifen der Kommissionsmitteilung nicht vor.
4    Vertraulich bleibt, wie die einzelnen Sitzungsteilnehmerinnen und Sitzungsteilnehmer Stellung genommen und abgestimmt haben, soweit diese nicht ihrem Rat einen Minderheitsantrag unterbreiten.
GRN). Die Übertragung so weitgehender Aufgaben an Kommissionen sollte nicht nur der schwerfälligen Arbeitsweise einer Vollversammlung wie derjenigen eines Parlamentes bzw. einer seiner Kammern entgegenwirken, sondern hatte ihren Grund auch und vor allem in den durch die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen (Art. 94
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 94 Grundsätze der Wirtschaftsordnung - 1 Bund und Kantone halten sich an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit.
1    Bund und Kantone halten sich an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit.
2    Sie wahren die Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft und tragen mit der privaten Wirtschaft zur Wohlfahrt und zur wirtschaftlichen Sicherheit der Bevölkerung bei.
3    Sie sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für günstige Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft.
4    Abweichungen vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit, insbesondere auch Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, sind nur zulässig, wenn sie in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind.
BV) verursachten Schwierigkeiten sicherheitspolitischer und arbeitspsychologischer Natur. Abgesehen davon, dass es delikate aussen- und innenpolitische Angelegenheiten gibt, deren öffentliche Beratung im Parlament u.U. der Sache höchst abträglich wäre, verlangt die den Kommissionen übertragene bedeutende Aufgabe eine eingehende und möglichst objektive Prüfung des einzelnen Ratsgeschäftes sowie die Erarbeitung von Lösungen, die häufig nur als Kompromiss zwischen stark divergierenden Auffassungen erreichbar sind. Hierfür aber ist es unerlässlich, dass die einzelnen Mitglieder der Kommission sich jederzeit frei und unbehindert durch unzeitige äussere Einflüsse, aber auch unbelastet von irgendwelchen parteipolitischen Rücksichten zum Verhandlungsgegenstand sollen äussern können (BGE 107 IV 187 ff.; C. BURKHARD, Die parlamentarischen Kommissionen der schweizerischen Bundesversammlung, Diss. Zürich 1952, S. 3 ff., 110, 117 und 191 f.; FLEINER/GIACOMETTI, Schweizer. Bundesstaatsrecht, S. 552). Dass dies aber in aller Regel nur durch den
BGE 108 Ia 275 S. 279

Ausschluss der Öffentlichkeit gewährleistet ist, ist eine durch die Erfahrung erhärtete Tatsache. Dazu kommt, dass die Kommissionen zu ihrer Meinungsbildung nicht selten Auskünfte der Verwaltung, deren Tätigkeit im allgemeinen nicht öffentlich ist (BGE 104 Ia 378 E. 2), oder gar Amtsakten benötigen und deren Inhalt in ihre Beratungen einbeziehen (Art. 47quater
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 94 Grundsätze der Wirtschaftsordnung - 1 Bund und Kantone halten sich an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit.
1    Bund und Kantone halten sich an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit.
2    Sie wahren die Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft und tragen mit der privaten Wirtschaft zur Wohlfahrt und zur wirtschaftlichen Sicherheit der Bevölkerung bei.
3    Sie sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für günstige Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft.
4    Abweichungen vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit, insbesondere auch Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, sind nur zulässig, wenn sie in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind.
GVG). Auch das macht deutlich, dass die Verhandlungen parlamentarischer Kommissionen grundsätzlich der Kenntnisnahme durch unbeteiligte Dritte entzogen sind und es der jeweiligen Kommission anheimgestellt bleiben muss, nach dem Stand ihrer Beratungen und der Natur des Geschäfts zu bestimmen, wann und in welchem Umfang sie namentlich auch die Presse über ihre Verhandlungen orientieren will. Diese schon unmittelbar aus der Aufgabenstellung und der Arbeitsweise der parlamentarischen Kommissionen folgenden Grundsätze haben ihren Niederschlag in Art. 22
SR 171.13 Geschäftsreglement des Nationalrates vom 3. Oktober 2003 (GRN)
GRN Art. 22 Zuweisung - 1 Neue Beratungsgegenstände werden in der Regel zu Beginn jeder Session einer Kommission zur Vorberatung zugewiesen.
1    Neue Beratungsgegenstände werden in der Regel zu Beginn jeder Session einer Kommission zur Vorberatung zugewiesen.
2    Hat der Beschluss eines Rates zur Folge, dass ein Beratungsgegenstand einer Kommission zugewiesen werden muss, so erfolgt die Zuweisung am Ende der Session.
3    Ein Bericht des Bundesrates kann der zuständigen Kommission zur direkten Erledigung zugewiesen werden. Die Kommission kann dem Büro beantragen, die Behandlung des Berichtes in das Sessionsprogramm aufzunehmen.
GRN gefunden, der das "Sitzungsgeheimnis" und die Information regelt. Nach dem Gesagten kann es somit keinem Zweifel unterliegen, dass die Verhandlungen der GPK nicht als allgemein zugängliche Informationsquelle gelten können, die im Sinne von Art. 10
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
EMRK jedermann jederzeit zu erschliessen berechtigt wäre; sie werden denn auch im Schrifttum als nicht öffentlich bezeichnet (AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, II S. 573 Nr. 1430; BURKHARD, a.a.O. S. 3, 182, 189-191). Was aber für die Verhandlungen selber Geltung hat, muss selbstverständlich auch für den im vorliegenden Fall von der GPK des Nationalrats bei der Sektion EMD eingeholten Bericht über den Fall Bachmann/Schilling (samt den integrierenden Bestandteil dieses Berichtes bildenden Antworten des EMD) gelten, den die genannte Kommission am 3. Juni 1980 in ihre Beratungen einbeziehen wollte und der deshalb einer Kenntnisnahme durch unbeteiligte Dritte im Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer ihn auszugsweise publizierte, hätte entzogen bleiben sollen, was übrigens durch den darauf angebrachten Vermerk deutlich gemacht worden war. d) Ist dem aber so, stellt sich die vom Beschwerdeführer zur Entscheidung gestellte Frage nach der genügenden gesetzlichen Grundlage der von ihm behaupteten Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit gemäss Art. 10
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung - (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
EMRK überhaupt nicht. Was er als "Einschränkung" ansieht, ist eine im Grundrecht selber liegende Schranke, die nicht jenem Erfordernis unterliegt; denn - wie bereits ausgeführt - gewährleistet die von der Meinungsäusserungs- und
BGE 108 Ia 275 S. 280

der Pressefreiheit miterfasste Informationsfreiheit (BGE 104 Ia 378 E. 2) nur die aktive Erschliessung allgemein zugänglicher Quellen, zu denen der genannte Bericht nicht gehörte.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 108 IA 275
Date : 17. September 1982
Published : 31. Dezember 1982
Source : Bundesgericht
Status : 108 IA 275
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Art. 10 EMRK; Veröffentlichung eines nach Art. 293 StGB geheimen amtlichen Berichtes. Das in Art. 22 GRN (SR 171.13) statuierte


Legislation register
BV: 4  94
EMRK: 10
GRN: 15  20  22
GVG: 11ter  47quater
StGB: 293
BGE-register
104-IA-377 • 104-IA-88 • 105-IA-181 • 107-IA-234 • 107-IV-185 • 108-IA-275
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[noenglish] • appeal relating to public law • behavior • component • condition • condition • convicted person • copy • correctness • court of cassation • criminal matter • day • decision • development • document • doubt • enclosure • federal assembly • federal court • forfeit • form and content • freedom of expression • freedom of information • freedom of the press • intention • judge sitting alone • limitation • national council • negotiation • news • newspaper • number • open source • parliament • parliamentary committee • parliamentary sitting • position • press • publishing • question • reception • report • section • statement of affairs • statement of reasons for the adjudication • universal declaration of human rights • uno • violation of fundamental rights • watch