104 Ia 377
57. Urteil vom 4. Oktober 1978 i.S. Verein Leserkampf gegen Regierungsrat des Kantons Zürich
Regeste (de):
- 1. Inhalt und Umfang der von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfassten Informationsfreiheit (E. 2).
- 2. Bedeutung des Rechtsgleichheitsgebots bei der Abgabe von Presseunterlagen durch die Behörden (E. 3).
Regeste (fr):
- 1. Liberté d'information en tant qu'élément de la liberté d'opinion et de la liberté de la presse, contenu et portée (consid. 2).
- 2. Remise par l'autorité de documents à la presse, portée du principe de l'égalité de traitement dans ce domaine (consid. 3).
Regesto (it):
- 1. Contenuto ed estensione della libertà d'informazione intesa quale elemento della libertà d'espressione e della libertà di stampa (consid. 2).
- 2. Portata del principio dell'uguaglianza di trattamento nell'ambito della distribuzione alla stampa, da parte delle autorità, di documenti ad essa destinati (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 377
BGE 104 Ia 377 S. 377
Der Verein Leserkampf betreibt in Zürich über eine private Telefonnummer mit der Fernkennzahl 01 seit März 1975 die "Telefonziitig"; diese vermittelt täglich ein dreiminütiges Bulletin mit Nachrichten und einem Veranstaltungskalender. Am 28. Februar 1977 lehnte die Staatskanzlei des Kantons Zürich das Begehren des Vereins Leserkampf ab, die "Telefonziitig" mit den der Presse sowie Radio und Fernsehen zugestellten Unterlagen zu beliefern. Der Rekurs an den Regierungsrat blieb ohne Erfolg. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. November 1977 beantragt der Verein Leserkampf, der angefochtene Regierungsratsbeschluss vom 28. September 1977 sei aufzuheben, und es sei die Staatskanzlei des Kantons Zürich zu verpflichten, den Beschwerdeführer in die Presseliste aufzunehmen. Er rügt nur eine Verletzung von Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 104 Ia 377 S. 378
macht er aber auch geltend, der angefochtene Entscheid verletze die Meinungsäusserungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Informationsfreiheit.
Erwägungen
Erwägungen:
1. Das Bundesgericht beschränkt sich in der Regel auf die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Eine Ausnahme, welche nach der Rechtsprechung einen weitergehenden Antrag rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Eine allfällige Aufhebung des Regierungsratsentscheides würde die frühere prozessuale Lage wiederherstellen (BGE 94 I 592), d.h. der Regierungsrat hätte erneut über den bei ihm erhobenen Rekurs zu entscheiden und dabei den Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils Rechnung zu tragen (BGE 95 I 516). Soweit der Beschwerdeführer beantragt, die Staatskanzlei sei anzuweisen, den Beschwerdeführer in die Presseliste aufzunehmen, kann demnach auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
2. Die Meinungsäusserungsfreiheit und die Pressefreiheit gewährleisten die Freiheit der Meinung, die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Meinungen einschliesslich der Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Verwaltung gehört grundsätzlich nicht zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen. Deren Tätigkeit und die Verhandlungen der exekutiven Behörden sind im allgemeinen nicht öffentlich. Das gilt grundsätzlich auch für Pressemitteilungen und Pressekonferenzen (anders bezüglich der Presse: GURADZE, Die EMRK, Berlin und Frankfurt a.M. 1968, S. 144 und 146), es sei denn, die kantonale Verfassung oder das Gesetz erkläre sie als allgemein zugänglich; das wird vorliegend nicht geltend gemacht. Die von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfasste Informationsfreiheit verpflichtet die Behörden nicht, Informationen bekanntzugeben. Sofern sie freilich informieren und Auskunft erteilen, sind sie an das Rechtsgleichheitsgebot und an das Willkürverbot gebunden. Der Beschwerdeführer kann demnach lediglich geltend machen, der angefochtene Entscheid, wonach ihm die Zustellung der Pressemitteilungen verweigert wird, verletze Art. 4
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3. Die kantonalen Behörden wollen nur die gedruckte Presse sowie Radio und Fernsehen mit Informationen beliefern,
BGE 104 Ia 377 S. 379
nicht aber die "Telefonziitig". Ob diese Unterscheidung vor der Rechtsgleichheit im Sinne von Art. 4
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BGE 104 Ia 377 S. 380
c) Bei dieser Sachlage müssen der "Telefonziitig" die Unterlagen, die andern Medien zugestellt werden, ebenfalls geliefert werden, wenn sie die Absicht äussert, die mit der Zustellung der Unterlagen verbundene Informationsaufgabe zu erfüllen. Der Beschwerdeführer will nach seinen Angaben mit der "Telefonziitig" aktuelle Informationen und Kommentare über Geschehnisse vornehmlich aus Stadt und Kanton Zürich verbreiten. Der Regierungsrat macht geltend, dass Vereinsmitglieder und Sympathisanten des Leserkampfes einen beträchtlichen Anteil der Anrufer bildeten. Dieser Einwand wäre dann begründet, wenn sich die "Telefonziitig" im wesentlichen auf vereinsinterne Informationen beschränken würde. Ob dies zutrifft, oder ob sie die weitergehende Informations- und Meinungsbildungsaufgabe in genügender Weise wahrnehmen wird, lässt sich erst abschliessend beurteilen, wenn sie die verlangten Unterlagen während einer gewissen Zeitdauer in die Bulletins verarbeiten konnte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden kann.