108 Ia 140
27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Juni 1982 i.S. Bänziger gegen Kantonsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 89 OG; Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. 2 Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen. 3 Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist. 4 Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs. - 1. Nach zürcherischem Recht läuft die Beschwerdefrist für die Anfechtung eines durch die Volksabstimmung angenommenen Erlasses von der Veröffentlichung des Erwahrungsbeschlusses des Kantonsrats im Amtsblatt an (E. 1).
- 2. Die Kantone und Gemeinden können baupolizeiliche und dem Schutz der Umgebung dienende Immissionsvorschriften auch bezüglich Betrieben aufstellen, die dem Arbeitsgesetz unterstehen (E. 5b).
- 3. Unbestimmte Rechtsbegriffe (wie "ideelle Immissionen") verstossen nicht gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 4. Dass Bewilligungen zum Betrieb von Unterhaltungsbetrieben nicht erteilt werden sollen, wenn von diesen übermässige Einwirkungen ideeller Art auf die Nachbarschaft ausgehen, liegt im öffentlichen Interesse und stellt eine zulässige, polizeilich motivierte Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit dar (E. 5c bb).
Regeste (fr):
- Art. 89 OJ; art. 4 et 31 Cst.; loi zurichoise sur les entreprises de loisirs interdisant les immissions de nature immatérielle; admissibilité d'une telle interdiction.
- 1. En droit zurichois, le délai pour recourir contre un arrêté de portée générale adopté en votation populaire court dès la publication dans la feuille officielle de la décision de promulgation prise par le Grand Conseil (consid. 1).
- 2. Les cantons et les communes peuvent prévoir dans leur réglementation de la police des constructions et de la protection de l'environnement des dispositions sur les immissions applicables également aux entreprises soumises à la loi sur le travail (consid. 5b).
- 3. Des notions juridiques imprécises, telles que celle d'"immissions de nature immatérielle", ne violent pas l'art. 4 Cst. si elles sont susceptibles de recevoir une interprétation conforme à la constitution (consid. 5c aa).
- 4. Le refus d'octroyer le permis d'exploitation à des entreprises de loisirs qui exercent moralement des influences excessives sur le voisinage, repose sur un intérêt public et constitue une atteinte - admissible et justifiée par des mesures de police - à la liberté du commerce et de l'industrie (consid. 5c bb).
Regesto (it):
- Art. 89 OG; art. 4 e 31 Cost.; legge zurighese sugli esercizi che offrono occasioni di trattenimento, costituzionalità del divieto ivi contenuto d'immissioni di natura immateriale.
- 1. In diritto zurighese, il termine per ricorrere contro un decreto di obbligatorietà generale adottato in una votazione popolare comincia a decorrere dalla pubblicazione nel foglio ufficiale della decisione di promulgazione emanata dal Gran Consiglio (consid. 1).
- 2. I cantoni e i comuni possono adottare norme edilizie e di protezione dell'ambiente applicabili anche alle imprese soggette alla legge sul lavoro (consid. 5b).
- 3. Nozioni giuridiche indeterminate (come quella di "immissioni di natura immateriale") non violano l'art. 4 Cost. se sono suscettibili d'essere interpretate in modo conforme alla Costituzione (consid. 5c aa).
- 4. Il diniego della patente ad esercizi che dànno luogo ad effetti di natura immateriale eccessivi per il vicinato si fonda su di un interesse pubblico e costituisce una limitazione della libertà di commercio e d'industria consentita e giustificata da ragioni di polizia (consid. 5c bb).
Sachverhalt ab Seite 141
BGE 108 Ia 140 S. 141
In der Abstimmung vom 27. September 1981 hat das Volk des Kantons Zürich mit 134'385 gegen 48'722 Stimmen das Gesetz über das Unterhaltungsgewerbe (Unterhaltungsgewerbegesetz, UGG) angenommen. Dieses Gesetz bestimmt in § 2, dass das Unterhaltungsgewerbe die öffentliche Sicherheit und Ordnung weder stören noch gefährden darf (Abs. 1); jede übermässige Einwirkung ideeller oder materieller Art auf die Nachbarschaft ist unzulässig (Abs. 2). Bewilligungspflichtige Unterhaltungsgewerbe im Sinne des Gesetzes sind u.a. Darbietungen, bei denen ein kultureller, sportlicher oder wissenschaftlicher Wert nicht überwiegt (§ 9 lit. a). Die Bewilligung ist insbesondere dann zu verweigern, wenn wegen der Lage des Betriebslokals eine übermässige Einwirkung ideeller oder materieller Art auf die Nachbarschaft zu erwarten oder eingetreten ist (§ 13 Abs. 2). Der Regierungsrat hat mit Beschluss vom 21. Oktober 1981 (publiziert am 6. November 1981) das Gesetz über das Unterhaltungsgewerbe auf den 1. Januar 1982 in Kraft gesetzt. Am 2. November 1981 hat der Kantonsrat den Beschluss über die Erwahrung der Ergebnisse der kantonalen Volksabstimmung vom 27. September 1981 gefasst; der Erwahrungsbeschluss wurde im Amtsblatt des Kantons Zürich am 13. November 1981 publiziert. Am 14. Dezember 1981 reichte Ernst Bänziger betreffend das UGG staatsrechtliche Beschwerde ein u.a. mit dem Antrag, dessen §§ 2 Abs. 2 und 13 Abs. 2 seien aufzuheben. Die Begründung erscheint in den Erwägungen.
Am 28. Januar/1. Februar 1982 erstattete das Büro des Kantonsrates die Vernehmlassung mit den Anträgen, die Beschwerde sei abzuweisen, allenfalls sei wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist darauf nicht einzutreten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
BGE 108 Ia 140 S. 142
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1. Das Büro des Kantonsrates begründet seinen Antrag auf Nichteintreten damit, dass der Text des Gesetzes bereits mit der Abstimmungsvorlage am 21. August 1981 und die Ergebnisse der Volksabstimmung am 6. Oktober 1981 bzw. der Inkraftsetzungsbeschluss am 21. Oktober 1981 (recte 6. November) publiziert worden seien. Die Beschwerde vom 14. Dezember 1981 sei daher verspätet. Gemäss Art. 89 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
5. a) Nach der Darstellung in der Vernehmlassung besteht der Hauptzweck des angefochtenen Gesetzes darin, übermässige Einwirkungen (Immissionen) ideeller oder materieller Art auf die Nachbarschaft zu verhindern (§ 2 Abs. 2), die von ortsansässigen Unterhaltungsbetrieben ausgehen. Dieses Ziel soll sowohl bei bewilligungspflichtigen wie auch bei bewilligungsfreien Betrieben angestrebt werden. Die Bewilligung ist insbesondere dann zu verweigern, wenn wegen der Lage des Betriebslokals eine übermässige Einwirkung ideeller oder materieller Art auf die Nachbarschaft zu erwarten oder eingetreten ist (§ 13 Abs. 2).
BGE 108 Ia 140 S. 143
b) Der Beschwerdeführer rügt die allgemeine Ausrichtung des UGG auf die Nachbarschaft, d.h. die Umgebung eines Unterhaltungsgewerbes, erst in der Beschwerdeergänzung. In der Beschwerde selbst wandte er sich in dieser Hinsicht nur gegen den Begriff der ideellen Immission (vgl. lit. c hienach); das Verbot materieller Immissionen wurde hingegen nicht angefochten. Die neue Rüge, § 2 Abs. 2 UGG sei infolge der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung) bundesrechtswidrig, da Art. 6 Abs. 1
SR 822.11 Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG) - Arbeitsgesetz ArG Art. 6 - 1 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat im Weiteren die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen.25 |
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1 | Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat im Weiteren die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen.25 |
2 | Der Arbeitgeber hat insbesondere die betrieblichen Einrichtungen und den Arbeitsablauf so zu gestalten, dass Gesundheitsgefährdungen und Überbeanspruchungen der Arbeitnehmer nach Möglichkeit vermieden werden. |
2bis | Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit keinen Alkohol oder andere berauschende Mittel konsumieren muss. Der Bundesrat regelt die Ausnahmen.26 |
3 | Für den Gesundheitsschutz hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zur Mitwirkung heranzuziehen. Diese sind verpflichtet, den Arbeitgeber in der Durchführung der Vorschriften über den Gesundheitsschutz zu unterstützen. |
4 | Durch Verordnung wird bestimmt, welche Massnahmen für den Gesundheitsschutz in den Betrieben zu treffen sind. |
SR 822.11 Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG) - Arbeitsgesetz ArG Art. 6 - 1 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat im Weiteren die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen.25 |
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1 | Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat im Weiteren die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen.25 |
2 | Der Arbeitgeber hat insbesondere die betrieblichen Einrichtungen und den Arbeitsablauf so zu gestalten, dass Gesundheitsgefährdungen und Überbeanspruchungen der Arbeitnehmer nach Möglichkeit vermieden werden. |
2bis | Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit keinen Alkohol oder andere berauschende Mittel konsumieren muss. Der Bundesrat regelt die Ausnahmen.26 |
3 | Für den Gesundheitsschutz hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zur Mitwirkung heranzuziehen. Diese sind verpflichtet, den Arbeitgeber in der Durchführung der Vorschriften über den Gesundheitsschutz zu unterstützen. |
4 | Durch Verordnung wird bestimmt, welche Massnahmen für den Gesundheitsschutz in den Betrieben zu treffen sind. |
Diese Rüge erwiese sich übrigens materiell als unbegründet. Polizeivorschriften der Kantone ohne Arbeitsschutz als Hauptzweck sind vom Arbeitsgesetz vorbehalten (Art. 71 lit. c
SR 822.11 Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG) - Arbeitsgesetz ArG Art. 71 - Vorbehalten bleiben insbesondere |
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a | die Bundesgesetzgebung über die berufliche Ausbildung, über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten sowie über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer; |
b | Vorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeinden über das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis; von den Vorschriften über den Gesundheitsschutz und über die Arbeits- und Ruhezeit darf dabei jedoch nur zu Gunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden; |
c | Polizeivorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, wie namentlich solche über die Bau-, Feuer-, Gesundheits- und Wasserpolizei sowie über die Sonntagsruhe und über die Öffnungszeiten von Betrieben, die dem Detailverkauf, der Bewirtung oder der Unterhaltung dienen. |
c) In der staatsrechtlichen Beschwerde wurden die Vorschriften in § 2 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 UGG aus zwei Gründen als verfassungswidrig bezeichnet. Einmal sei der Begriff der "ideellen Immission" nicht genügend umschrieben, so dass der Bürger die Wirkung des Gesetzes nicht im voraus einigermassen zuverlässig abzuschätzen vermöge. Diese ungenügende Bestimmtheit stelle einen Verstoss gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 108 Ia 140 S. 144
weil andere Beweggründe im Spiel seien. Es solle offensichtlich gegen das angeblich wuchernde Sex-Gewerbe in der Stadt Zürich vorgegangen werden, weil dieses in den betroffenen Kreisen zu Protesten und politischen Vorstössen geführt habe. Anstatt nun aber, soweit tatsächlich erforderlich, das in solchen Fragen immer noch massgebende Strafrecht anzuwenden, werde ein verwaltungsrechtlicher Weg beschritten, indem für bestimmte Unterhaltungsgewerbe eine Bewilligungspflicht eingeführt wird. Dieselbe verletze, zumal dabei auf "ideelle Immissionen" abgestellt werden solle, die Handels- und Gewerbefreiheit.
Die beiden Rügen der Verfassungsverletzung sind nachfolgend zu untersuchen. aa) Der Beschwerdeführer macht geltend, der Begriff der "ideellen Immission" sei bisher in der Rechtswissenschaft nicht bekannt. Dies trifft nicht zu, würde aber auch nicht ausschliessen, dass ein solcher Begriff in einem neuen Gesetz erstmals verwendet wird. Bekanntlich gibt es neben dem zivilrechtlichen Immissionsverbot gemäss Art. 684
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 684 - 1 Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. |
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1 | Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. |
2 | Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder durch den Entzug von Besonnung oder Tageslicht.597 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 684 - 1 Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. |
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1 | Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. |
2 | Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder durch den Entzug von Besonnung oder Tageslicht.597 |
BGE 108 Ia 140 S. 145
übermässig abwehren darf, einzig nach den Anforderungen, die sich aus den Bedürfnissen des menschlichen Zusammenlebens ergeben (BGE 42 II 452). Die Doktrin folgt heute dem Bundesgericht in dieser Auslegung (vgl. ARTHUR MEIER-HAYOZ, Kommentar zum Sachenrecht, N. 73 zu Art. 684). Eine strenge Scheidung zwischen materiellen und immateriellen Immissionen ist auch nicht immer möglich. Materielle Immissionen sind häufig mit schwerwiegenden psychischen Schäden verbunden (MEIER-HAYOZ, N. 75), und die Schädlichkeit, z.B. des Lärmes, hängt nicht nur von der naturwissenschaftlich messbaren Phonstärke ab, sondern auch von andern Komponenten, die vorab psychisch wirken. Instruktiv ist die Kasuistik, die zum Tatbestand der ideellen Immissionen (im Zivilrecht) entwickelt wurde (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 180): Betrieb eines Asyls für unheilbare Kranke neben einer Villa; Anblick der in einem Freibad sich an- und auskleidenden Badegäste; unmittelbare Nachbarschaft eines Schlachthauses; die Nachbarschaft einer Bedürfnisanstalt; Einbau von Urnennischen in eine Friedhofmauer, die mit der nachbarlichen Hauswand eine Einheit bildet; die ästhetische Erscheinung eines Gebäudes, z.B. die Errichtung einer ausgesprochen hässlichen, das Schönheitsgefühl grob verletzenden Baute. Schon diese Praxis zeigt, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der ideellen Immission ebenso wie jener der Immission (übermässige Einwirkung) überhaupt offenbar ein taugliches Rechtsinstrument darstellt. Es liegt eben im Wesen des Immissionsrechts, dass es nicht anders geregelt werden kann als mit dem weiten Begriff der "übermässigen Einwirkung". In jedem konkreten Fall muss festgestellt werden, was anhand der Situation als übermässige Einwirkung anzusehen ist. Das gilt sowohl für die privatrechtliche als auch für die öffentlichrechtliche Immissionsvorschrift. Der Bürger hat keinen Anspruch darauf, schon bei Erlass des Gesetzes eine Kasuistik mitgeliefert zu erhalten. Es ist allerdings nicht zu leugnen, dass sich die Auswirkungen derartiger Regelungen nicht genau voraussehen lassen und dass es einer langen Praxis - die ihrerseits immer wieder neuen Gegebenheiten angepasst werden muss - bedarf, um das Immissionsrecht zu konkretisieren. Darin unterscheiden sich die materiellen Immissionen nicht von den immateriellen. Wohl gibt es bei den ersteren teilweise naturwissenschaftliche Messmethoden, doch muss deren Tragweite in rechtlicher Hinsicht gleichermassen durch die Praxis bestimmt werden (z.B. die Dezibel-Grenze bei Lärmimmissionen). Dabei ist
BGE 108 Ia 140 S. 146
nicht zu verkennen, dass die rechtsanwendende Behörde bei der Beurteilung immaterieller Immissionen mit besonderer Sorgfalt vorzugehen hat, da die Gefahr, einen objektiven Standpunkt zu verlassen und persönliche Gesichtspunkte zu überschätzen, bei der Einschätzung seelischer und moralischer Beeinträchtigungen besonders gross ist (MEIER-HAYOZ, N. 76). Demnach besteht kein Anlass, solche Normen, die sich durchaus verfassungskonform handhaben lassen, deswegen im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle aufzuheben. Der Begriff der ideellen Immission ist als solcher genügend klar. Man kann ihn durchaus so definieren, wie dies in der seinerzeitigen Vernehmlassung des Stadtrates von Zürich zum Gesetzesentwurf geschehen ist: "Ideelle Immissionen sind solche Einwirkungen, welche das seelische Empfinden verletzen beziehungsweise unangenehme psychische Eindrücke erwecken. Sie können die Nachbarn direkt belästigen oder aber indirekte Wirkungen zeitigen, indem sie die Vermietbarkeit von Wohnungen erschweren oder den Geschäften ihre Kunden fernhalten." Der Einwand, die §§ 2 Abs. 2 und 13 Abs. 2 des UGG würden wegen der Unbestimmtheit des darin verwendeten Begriffs der "ideellen Immission" gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
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1 | Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
2 | Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen. |
3 | Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist. |
4 | Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs. |
BGE 108 Ia 140 S. 147
eines (verfassungsrechtlich zulässigen) polizeilichen Motivs schliessen. Die Kernfrage ist, ob die Verhinderung übermässiger ideeller Einwirkungen auf die Nachbarschaft einem genügenden öffentlichen Interesse entspricht (vgl. BGE 97 I 506 E. 4c am Ende). Denn die Anerkennung des Schutzes vor ideellen Immissionen im privaten Nachbarrecht heisst noch nicht, dass ein gleiches auch im öffentlichen Immissionsschutz möglich ist; hiezu bedarf es des weiteren Elementes des öffentlichen Interesses, das eben beim privaten Nachbarschutz nicht erforderlich ist. Es ist nicht einzusehen, warum zwar der Schutz vor materiellen Immissionen neben dem privaten nachbarrechtlichen auch einem öffentlichen Bedürfnis entsprechen soll (was in der Praxis allgemein anerkannt ist), nicht aber der Schutz vor immateriellen, ideellen Immissionen. Das öffentliche Interesse bezieht sich nicht nur auf Materielles, wie die im Bau- und Planungsrecht geläufige Ästhetikklausel, die sich auf ideellen Werte bezieht, sowie die Begriffe des Landschafts- und Ortsbildschutzes zeigen. Was ursprünglich ausschliesslich dem Schutz privater Interessen diente, erwies sich im Laufe der Zeit immer mehr auch als gesellschaftspolitisch bedeutsam. Je enger die Menschen unter den modernen zivilisatorischen Verhältnissen zusammenleben, umso mehr wird der Schutz des Einzelnen auch zu einer öffentlichen Aufgabe, wie sich gerade im Bereiche des Immissionsschutzes gezeigt hat. Angesichts dieser Entwicklung geht es nicht an, den Schutz vor ideellen Immissionen allein dem Nachbarrecht zu überlassen, zumal ideelle Werte nicht weniger hoch einzustufen sind als materielle. So hängt etwa die Wohnqualität, deren Schutz heute nicht nur einem privaten, sondern auch einem öffentlichen Interesse entspricht, auch von ideellen Faktoren ab: nicht nur Lärm und Gerüche, sondern auch eine unästhetische oder sonstwie unerfreuliche Umgebung können die Wohnqualität (und sei es auch nur über den Ruf der Wohngegend) in erheblichem Mass beeinträchtigen. Moderne Unterhaltungsgewerbe, die mit Sex-Geschäfte machen, brauchen zwar die öffentliche Sittlichkeit als solche nicht zu beeinträchtigen, sie können aber unter Umständen auf die Umgebung derart unangenehm und lästig wirken, dass auch dies zu verhindern im öffentlichen Interesse liegt. Gerade die Entwicklung im Gebiet der Brauerstrasse in Zürich hat gezeigt, dass das besonders penetrante, auf breiten Konsum ausgerichtete Sex-Gewerbe einer Peep-Show weitere Sex-Gewerbe nach sich zieht und dass
BGE 108 Ia 140 S. 148
diese insgesamt - und über den von ihnen selbst beanspruchten Raumbedarf hinaus - einem Wohngebiet die Wohnqualität nehmen und dadurch zur "Verslumung" beitragen. Die Erhaltung bestimmter Gebiete für ihren angestammten Nutzungszweck ist aber ebenfalls ein anerkanntes öffentliches Interesse, das als Schranke sowohl für die Eigentumsgarantie wie auch für die Handels- und Gewerbefreiheit in Betracht fällt. Dem Schutz dieses öffentlichen Interesses dient zwar in erster Linie das öffentliche Planungs- und Baurecht, doch ist ein Zusammenwirken gewerbepolizeilicher Gesetze (wie des UGG) mit dem öffentlichen Bau- und Planungsrecht insofern denkbar, als das letztere durch seine Nutzungsbestimmungen den Rahmen für das zulässige Mass gewerblicher Einwirkungen absteckt, während die ersteren die unzulässigen Immissionsquellen bezeichnen. Das ermöglicht ein selektives Vorgehen durch den Gesetzgeber, was gerade bei ideellen Immissionen erwünscht sein kann. Die überwiegende Mehrheit, mit welcher das Zürcher Volk dem UGG zugestimmt hat, spricht dafür, dass die Allgemeinheit ideelle Immissionen aus Unterhaltungsbetrieben in bestimmten Verhältnissen als derart beeinträchtigend empfindet, dass deren Verbot einem öffentlichen Interesse entspricht. Dies zu beschliessen liegt in der Macht des kantonalen Gesetzgebers und hält vor der Handels- und Gewerbefreiheit stand. Die Norm ihrerseits ist im Anwendungsfall verfassungskonform zu handhaben. Aus ihrer Ausrichtung auf den Immissionsschutz hin ergibt sich für die Behörden namentlich die Pflicht, bei der Würdigung ideeller Immissionen den Charakter der fraglichen Umgebung zu berücksichtigen, wie dies in § 2 Abs. 2 UGG sinngemäss vorgesehen ist. Der Begriff der ideellen Immissionen erweist sich in örtlicher Hinsicht damit als weniger weittragend als derjenige der öffentlichen Sittlichkeit, der an bestimmten moralischen Vorstellungen anknüpft und damit von räumlichen Einschränkungen frei ist.